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Elf Jahre sitzt Ron Williamson in der Todeszelle. Für einen Mord, den er nicht begangen hat. Kurz vor der Hinrichtung gibt es Hinweise auf seine Unschuld. Die Wiederaufnahme wird zu einem dramatischen Wettlauf gegen die Zeit.

„Der Gefangene“ ist die wahre Geschichte eines unbegreiflichen Justizskandals, aus der Feder des bekanntesten und erfolgreichsten Thrillerautors unserer Zeit.

 

  Autor: John Grisham
Verlag: Heyne
Erschienen: 18.03.2008
ISBN: 978-3-453-81174-4
Seitenzahl: 464 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Zwei Männer – Ron Williamson und Dennis Fritz – werden beschuldigt, eine Frau vergewaltigt und ermordet zu haben. Trotz der sehr dubiosen Gerichtsverfahren werden sie verurteilt, Ron sogar zum Tode. Jahrelang sitzen beide in verschiedenen Gefängnissen ein, beide hoffen darauf, dass sich der Irrtum eines Tages aufklärt, denn sie sind unschuldig. Kurz vor Rons Hinrichtung kommt ein wenig Licht ins Dunkel und der Fall wird neu aufgerollt. Werden Ron Williamson und Dennis Fritz endlich ihre Freiheit wiedererlangen?


Stil und Sprache
Wer einen packenden Thriller erwartet, wird enttäuscht. Bei einem Buch von John Grisham erwartet man eine spannende Story, einen Roman. Der Text im Buch erhält dies auch aufrecht, steht dort doch geschrieben: „Mit großem Einfühlungsvermögen erzählt, wird Ron Williamsons Schicksal zu einem packenden Thriller, den man nicht mehr aus der Hand legen kann.“ Doch das erste Kapitel ist vielmehr eine Zusammenfassung der Ereignisse und wirkt, als würde ein neutraler Erzähler das Geschehen wiedergeben – ohne Gefühle, ohne Dialoge. Daher berührt der Tod von Debbie Carter auch nicht sonderlich. Im folgenden Kapitel werden Rons Leben, sein Werdegang und sein schwieriger Charakter zusammenfassend dargestellt – immer noch recht neutral wiedergegeben, immer noch ohne wörtliche Rede. Bis dahin hatte ich noch die Hoffnung, dass dies eine Art Vorbereitung auf den kommenden Roman sein soll. Weit gefehlt! Dieser Erzählstil zieht sich beinahe durch das gesamte Buch, ist oft langweilig und ohne einen Hauch Spannung. Es gibt einige wenige Dialoge, doch diese erinnern mehr an ein Drehbuch, denn der Name steht immer vorweg, nach den Doppelpunkten folgt die wörtliche Rede.
Zudem werden immer wieder Tatsachen und Details wiederholt (wie zum Beispiel, dass Ron in der Nähe des Mordopfers Debbie Carter wohnt), was nicht unbedingt hätte sein müssen. Teilweise mag dies ein Stilmittel sein, um bestimmte Dinge besonders hervorzuheben, doch teilweise hat man das Gefühl, Grisham traue seinen Lesern nicht zu, sich diese Details merken zu können.

Oft habe ich mich gefragt, warum Grisham sich für diesen ungewohnten Erzählstil entschieden hat. Er hätte soviel mehr aus dem Text herausholen können, wenn er diesen szenisch dargestellt hätte. Doch so fällt es schwer, den Zugang zum Text zu finden und sich in die Figuren richtig hineinzuversetzen. Erst ganz am Ende des Buches, in den „Anmerkungen des Autors“ kann man folgendes lesen: „Bisher war mir kaum jemals der Gedanke gekommen, ein Sachbuch zu schreiben (…)“. Somit dürfte deutlich werden, dass es sich bei „Der Gefangene“ vielmehr um ein Sachbuch, als um einen Roman handelt. Dies erklärt nicht nur den seltsam distanzierten Schreibstil, sondern auch die immer wieder eingeschobenen Hinweise auf vergangene Gerichtsverfahren, die Einfluss auf verfahrenstechnische Entscheidungen in heutigen Gerichtsverhandlungen haben, um die Rechte der Angeklagten zu schützen und einen fairen Prozess zu gewährleisten. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um ein Sachbuch handelt, hat Grisham hervorragend recherchiert. Doch wenn man einen Roman erwartet, ist dies äußerst langweilig und vermindert den Lesespaß enorm.


Figuren
Das Hauptaugenmerk scheint mehr auf dem Verfahren bzw. den unzähligen Verfahrensfehlern, als auf den Figuren zu liegen. Selbstverständlich spielt Rons Schicksal eine große Rolle. Es wird berichtet, wie er sich von Kind an entwickelt hat, seine Wünsche, Ziele, Hoffnungen, ja sein regelrechter Wahn, ein berühmter Baseballspieler zu werden, wird dem Leser verdeutlicht. Seine gesundheitlichen Probleme, seine labile Psyche werden detailliert wiedergegeben. Sein psychischer Verfall während der vielen Jahre in der Todeszelle wird glaubhaft vermittelt. Man fühlt mit diesem Menschen, fragt sich, wie jemand so etwas aushalten kann und hat daher vollstes Verständnis dafür, dass Ron nicht nur einmal versucht, sich das Leben zu nehmen. Dennoch war es nicht einfach, sich hundertprozentig auf diese Figur einzulassen. Dafür bleibt er zu distanziert. Ich hätte mir viel mehr Einblicke in sein Inneres gewünscht, um seine Gefühle nachvollziehen zu können.

Auch hier möchte ich anmerken, dass unter Berücksichtigung der Anmerkung Grishams, nämlich dass es sich um ein Sachbuch handelt, diese Art der Darstellung der auftretenden Figuren nachvollziehbar ist und er insofern sogar einen recht umfassenden Blick in das Leben Ron Williamsons gewährt.


Aufmachung des Buches
Das Cover des Buches ist recht dunkel gehalten, der Blick des Betrachters wird daher sofort auf die einzige helle Stelle gelenkt: eine Gefängniszelle. Die Aufmachung ist schlicht, der Name des Autors beherrscht das Cover. Und gerade dies dürfte wohl der Grund sein, weshalb viele zu dem Buch greifen; schließlich ist John Grisham ein berühmter Schriftsteller.
Doch gerade die Aufmachung des Buches dürfte wohl das sein, was viele Leser in die Irre führt und somit falsche Erwartungen weckt. „Der Gefangene“ wirkt optisch wie ein Roman, und genau dies erwartet man von John Grisham auch. Dabei handelt es sich vielmehr um ein Sachbuch (s. die Ausführungen bei „Stil und Sprache“).


Fazit
Dem Zitat auf der Buchrückseite „Eine glühende Anklageschrift gegen korrupte Politiker, die Todesstrafe und das Versagen des Rechts“ (Die Welt), kann ich mich uneingeschränkt anschließen. Denn genau dies ist es. Was es nicht ist, ist ein spannender Roman. Hätte der Verlag das Buch als das, was es ist – nämlich ein Sachbuch – angepriesen, wären die Erwartungen andere gewesen und die Bewertung hätte unter völlig anderen Gesichtspunkten stattfinden können. Doch so, wie dieses Buch vermarktet wird, als spannender Thriller, verfehlt es eindeutig seinen Zweck.


2 Sterne


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