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"Deryn riss die Augen auf. Ein riesiges Flugtier schwebte aus den grauen Wolken hinter ihr hervor. Der glänzende Rumpf war wie ein Zeppelin geformt, doch seine Flanken zitterten mit der Bewegung seiner Wimpern, und Schwärme von Fledermäusen und Vögeln umflatterten es. Das Luftschiff kam näher, bis Deryn die Gondel ausmachen konnte, die unter dem Bauch hing. Die fußgroßen Buchstaben unter dem Brückenfenster verrieten seinen Namen: LEVIATHAN."

Deryn, ein Mädchen, das sich als Junge verkleidet in die Luftflotte Seiner Majestät geschmuggelt hat, und Aleksandar, Prinz der Österreichisch-Ungarischen Monarchie, hätten nie gedacht, dass das Schicksal sie zusammenschmieden könnte. Doch genau das geschieht. An Bord der Leviathan, einer nie dagewesenen Mischung aus Tier und Maschine, müssen sie sich einem Abenteuer stellen, das sie nur gemeinsam bestehen können - oder gar nicht.


Leviathan_01 

Originaltitel:  Leviathan
Autor: Scott Westerfeld
Übersetzer: Andreas Helweg
Verlag: cbj
Erschienen:  Oktober 2010
ISBN: 978-3-570-13969-1
Seitenzahl: 473 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
"Leviathan", ist ein großartiger Steampunk Fantasy Roman, der gekonnt reale Zeitgeschichte mit einer Art von Fiction verbindet, die von einem möglichen Zukunftsszenario nicht unerreichbar weit entfernt ist. Das Ergebnis ist ein faszinierendes Alternativszenario zur Zeit des Ersten Weltkriegs.

Am 28. Juni 1914 werden in Sarajevo der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau ermordet. Noch am gleichen Abend bringt Graf Volger, ein enger Vertrauter von Ferdinand, seinen Sohn Aleksandar in Sicherheit. Bei Nacht und Nebel flüchten sie in einem Sturmläufer, einer mechanischen Kampfmaschine, die sich auf zwei Beinen vorwärts bewegt. Aleksandar verraten sie zunächst nicht, dass seine beiden Eltern ermordet wurden und er sich in großer Gefahr befindet. Stattdessen vermitteln Volger und drei weitere Beteiligte Aleksandar die Sache so, als handele sich um eine nächtliche Übung, bei der er zum ersten Mal sein nächtliches Steuertalent unter Beweis stellen soll. Doch schon bald werden sie von einem schweren Großkampflandschiff unter Beschuss genommen und die Wahrheit lässt sich nicht länger verbergen, ohne dass Leben aller zu gefährden.

In England versucht derweil das junge Mädchen Deryn als Kadett in den Service, eine Art Lufwaffe, aufgenommen zu werden. Da dort selbstverständlich Mädchen nicht zugelassen werden, gibt sie sich als Junge aus, was ihr aufgrund ihrer nicht sonderlich weiblichen Körperformen nicht sonderlich schwer fällt. Bei ihrem Qualifikationstest wird sie mit einer Art fliegendem Oktopus, der von den Briten Huxley genannt wird, abgetrieben. Da sich diese Art Flugtier nicht lenken lässt, ist sie dem Wind hilflos ausgesetzt. Doch schon bald wird sie von der Leviathan aus den Wolken gepflückt. Die Leviathan ist eine der gewaltigsten darwinistischen Schöpfungen der Darwinisten. Ein gewaltiges Wal ähnliches Geschöpf, das in enger Symbiose mit einem ganzen Arsenal an anderen Kreaturen in Koexistenz lebt. Diese mächtige Kreatur ist ebenso wie der Huxley ein Wassserstoffatmer, das heißt seine Verdauung produziert Unmengen an Wasserstoff, welche das riesenhafte Tier in der Luft halten. Deryn ist begeistert an Bord dieses gewaltigen Wesens reisen zu dürfen. Als man ihr dann noch mitteilt, dass sie als Kadett an Bord der Leviathan bleiben darf, erfüllt sich ihr allergrößter Traum.

Eine großes Abenteuer beginnt für die beiden, auf dem sie immer wieder in tödliche Gefahr geraten.

Scott Westerfeld legt mit "Leviathan" den Auftaktband zu einer Trilogie vor, die in einer Welt voller bizarrer Lebensformen und sagenhafter Maschinen spielt. Der Spannungsbogen ist im ersten Band noch ein wenig flach, aber der Band ist auch nicht in sich abgeschlossen. Somit wird in "Leviathan - Die geheime Mission" nur die Vorgeschichte zu etwas viel Größerem erzählt und man darf sehr gespannt sein, wie das faszinierende Abenteuer weiter geht.


Stil und Sprache
Der sprachliche Stil von Scott Westerfeld ist nicht zu schlicht, aber auch nicht zu komplex. Die Dialoge der Personen untereinander sind ihrem jeweiligen gesellschaflichen Stand angepasst. So drücken sich Volger und Aleksandar sehr gewählt aus. Deryn hingegen, die als Mädchen unter lauter Jungen und Männern bestehen will, hat sich eine Ausdrucksweise zugelegt, die ziemlich witzig ist. Sie ist der Meinung, möglichst viele Kraftausdrücke und Flüche verwenden zu müssen, um in ihrer Maskerade nicht aufzufallen. Die Ausdrucksweise, die daraus resultiert, ist dermaßen gekünstelt, dass sie ziemlich amüsant wirkt. Ein Wunder, dass sie damit nicht erst recht auffällt. Allzu komplexe Satzgebilde gibt es bei Westerfeld nicht, stattdessen liest sich alles sehr angenehm und gut verständlich. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von Alek und aus der Sichtweise von Deryn erzählt. Leider gibt es bisher keinen Erzählstrang, der die Geschehnisse aus dem Blickwinkel der Gegenseite beleuchtet. Dadurch erfährt man über den Feind rein gar nichts, was ein wenig dürftig ist. Es ist zwar klar, dass deren Motive mehr oder minder bekannt sind, da sich der Plot hier an den tatsächlichen geschichtlichen Ereignissen orientiert, aber trotzdem wäre es schön gewesen in die Gedankenwelt der feindlichen Gruppierungen Einblick zu erhalten.

Das Szenario, das Westerfeld in seinem Roman zaubert, ist bevölkert von schillernden Kreaturen und Tieren mit allerlei nützlichen Fähigkeiten. Die Darwinisten sind wahre Meister der Gentechnik und sind in der Lage jedes Wesen so zu formen, dass es in der Lage ist, eine ganz bestimmte Aufgabe zu übernehmen. Dabei steht der Einklang mit der Natur und der Erhalt natürlicher Ressourchen an oberster Stelle. Selbst die Waffensysteme, die sie entwickeln, sind von einer grazilen Eleganz, und das obwohl ihre Vernichtungskraft konventionellen Waffensystemen durchaus das Wasser reichen kann. Die Mechanisten hingegen glauben an die Mechanik. Sie haben Laufmaschinen entwickelt, wie sie immer wieder in Science-Fiction-Filmen auftauchen. Somit könnten die beiden Kriegsparteien unterschiedlicher nicht sein. Die einen sind in der Lage aus Lebewesen Waffen zu erschaffen, die anderen erschaffen wahre Kolosse aus Stahl und sind sich in keinster Weise bewusst, dass sie die Natur mit ihrer ganzen Technologie in den Untergang führen.

In Sachen Spannungsbogen könnte Scott Westerfeld jedoch noch einige Nachhilfestunden gebrauchen. Die Geschichte ist zwar stets temporeich und fesselnd, aber sie bleibt völlig konstant auf diesem Niveau. Die Story strebt keinem Höhepunkt entgegen und auch die immer wieder stattfindenden kleineren Scharmützel heben sich nicht vom Rest der Geschichte ab. Es gibt auch keine Geheimnisse oder rätselhafte Begebenheiten, die den Plot um eine zusätzliche Komponente bereichern würden. Daher fehlt irgendwie das gewisse Etwas, es ist aber nicht auszuschließen, dass Westerfeld im zweiten Band seiner Trilogie noch so richtig loslegt, denn bis jetzt ist völlig unklar, in welche Abenteuer die Protagonisten noch verwickelt werden.


Figuren
Die gesamte Geschichte beleuchtet nur die zwei Hauptcharaktere näher. Das wären Dylan alias Deryn und Prinz Aleksandar, der meist nur Alek genannt wird. Alle anderen Figuren werden nur soweit einbezogen, wie sie mit den beiden interagieren. Die beiden sind daher sehr greifbar und plastisch dargestellt. Ihre Motive sind vollkommen nachvollziehbar, und der Leser kann das Leid und die Gefahr, welche ihnen widerfährt, sehr gut miterleben.  

Leider kommt bei dieser Art der Darstellung einiges zu kurz. Die Antagonisten kommen überhaupt nicht zu Wort, ja der Leser erfährt noch nicht einmal die Namen der Personen, die auf der Gegenseite agieren. Es sind lediglich völlig anonyme Soldaten, die auf Befehl eines nie genannten Kommandos handeln. Das ist sehr schade, denn hier bleiben viele Möglichkeiten ungenutzt. Ein Antagonist, der nich interagieren darf, ist farblos und bleibt dem Leser gegenüber völlig belanglos. Schnell stellt sich Langeweile ein, denn eine endlos andauernde Jagd mit einem völlig anonymen Jäger ist nicht wirklich interessant. Diese Schwäche kann Westerfeld auch mit allen seinen originellen Einfällen nicht überspielen. Selbst eine noch so schillernde Welt will schließlich mit Figuren bevölkert sein, die den Leser packen und mit denen er mitfiebern kann. Bei Leviathan ist dies aber nur bedingt gegeben.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch ist sehr aufwändig gestaltet und überaus üppig ausgestattet. Ein sehr schön gestalteter Schutzumschlag mit golden geprägtem Schriftzug umhüllt ein Buch aus grauem gerippten Karton. Das Vorsatzpapier zeigt eine sehr schöne, grafisch gestaltete Karte von Europa, die dem Leser einen Überblick über die Zugehörigkeit der jeweiligen Länder gewähren soll. Leider sind die Farben einander zu ähnlich, so dass man nur sehr schwer erkennen kann, um welche Fraktion es sich handelt.

Ein echtes Highlight hingegen sind die wunderschönen Illustrationen von Keith Thompson, die das gesamte Buch schmücken. Es sind exzellent gezeichnete Bleistiftbilder, die kein bisschen kitschig oder lieblos wirken.


Fazit
Ein unterhaltsames Buch voller spektakulärer Einfälle. Für Freunde von Steampunk Fantasy ein absolutes Muss.


4_Sterne


Hinweise
Rezension von Thomas Lang
Herzlichen Dank an den cbj-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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