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Ein Ort an der Loire, kurz vor Weihnachten. Bei trübem Wetter knutscht ein Liebespaar unter einem Torbogen, beobachtet vom Vater des Mädchens. Er droht dem Jungen mit dem Gewehr. Mit dieser dramatischen Geste verrutscht alles: Aus einem Flirt wird die große Liebe, aus einem kleinen Konflikt unversöhnlicher Hass. Und aus Émile und Juliette Helden in einem Drama, das lange viel zu groß ist für sie. Eine moderne Romeo-und-Julia-Geschichte.

 

 

Originaltitel: Les suicidés
Autor: Georges Simenon
Übersetzer: Linde Birk
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2010
ISBN: 978-3-257-24105-1
Seitenzahl: 164 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die noch minderjährige Juliette lebte bisher ein extrem behütetes Leben. Durch den gut bezahlten Job ihres Vaters konnte sie alle Vorzüge - wie den täglichen Klavierunterricht - genießen und musste sich keine Sorgen machen. Nur ihre frische Liebe zu dem älteren Émile Bachelin stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Ihr Vater ist nicht damit einverstanden, dass sie ihr Leben für diesen Taugenichts hergibt. Als er ihn mit dem Gewehr bedroht nimmt die Tragödie ihren Lauf. Der Vater verbietet ihr den Kontakt und zwingt sie damit in die Flucht. Juliette und Émile brennen durch und verschwinden nach Paris. Dort leben sie in den Tag hinein und nur durch kleine Betrügereien von Émile können sie sich knapp über Wasser halten. Sie ziehen von einer schäbigen Bleibe zur nächsten, übernachten bei Freunden und wissen oft früh nicht was sie abends Essen werden. Émile wird immer launischer, Juliette zieht sich immer mehr zurück und bekommt schließlich durch den Lebenswandel gesundheitliche Probleme. Es vergeht kein Tag mehr, an dem die jungen Leute nicht miteinander Streiten, und immer öfter wird Émile gewalttätig. Ihr Vater, Monsieur Grandvalet, gibt schließlich seine Arbeit auf und verlässt seine Frau, um seine Tochter in Paris zu suchen. Mit Hilfe eines Detektivs, Monsieur Émile, hofft er sie ausfindig zu machen. Doch mit jedem Tag schwindet seine Zuversicht. Immer wieder verliert er die Spur seiner Tochter. Als dann auch noch seine Frau stirbt scheint er an dem Verlust seiner Tochter zu zerbrechen. Er bekommt noch eine letzte Chance, denn Monsieur Émile hat erneut eine heiße Spur.


Stil und Sprache
Georges Simenon, der vor allem durch seine ‚Maigret’-Romane bekannt geworden ist, hat auch eine Reihe von sogenannten ‚Non-Maigrets’ geschrieben. Sie bestechen durch interessante Geschichten, die durch eine tiefgehende, atemberaubende Atmosphäre den Leser in ihren Bann ziehen. ‚Die Selbstmörder’ erinnert dabei etwas an eine moderne Version von Romeo und Julia: zwei junge Leute lieben sich, doch ihre Liebe steht unter keinem guten Stern. Er: ein Taugenichts ohne festen Job, sie: eine Tochter aus gutem Hause. Mit ihrer Flucht beginnt das Drama.
Simenon malt dem Leser ein perfektes Bild aus dem Paris der 20er, 30er Jahre, in dem es viel Leid und wenig Arbeit gibt. Mit Gelegenheitsjobs versuchen sich die Leute über Wasser zu halten. Oft muss in engen, kalten, muffigen Wohnungen gelebt werden, ohne wirkliche Perspektiven. In diesem Umfeld lässt Simenon seine Hauptfiguren agieren. Mit liebevollen Beschreibungen der Orte und Szenen schafft er es, diese düstere Stimmung an den Leser weiterzugeben. Er zeigt die Tristesse des Alltages, die die Hoffnung und auch die Liebe zu ersticken scheint. Das besondere an seinem Stil ist, das er ohne viele Worte zu gebrauchen schnell auf den Punkt kommt und dabei nicht nur die wesentliche Aussage, sondern eben auch die gerade vorherrschende Stimmung weitergibt. Das quirlige Paris, die kleinen verrauchten Kneipen, das Stimmengewirr auf den Straßen, aber eben auch die Hinterhöfe, die dunkle Enge der kleinen Wohnungen, der muffige Geruch, die kalte, klamme Bettdecke - der Leser ist stets mitten im Geschehen. Auch die verwendeten französischen Begriffe sind, wie die Namen, leicht verständlich und selbst erklärend.


Figuren
Juliette und Émile sind eigentlich ein ungleiches Paar. Er ist aufbrausend und unruhig, sie eher still und zurückhaltend. Doch irgendwie scheinen sich beide magisch anzuziehen. Vor allem die junge Juliette ist von ihrer ersten großen Liebe schwer beeindruckt. Man bekommt schnell den Eindruck, dass sie nicht weiß, was sie mit dem neuen Gefühl anfangen soll. Stellenweise wirkt das Ganze auch als Strafaktion gegen ihre Familie und im Speziellen gegen ihren Vater. Sie spielt quasi mit ihm ein Katz und Maus und findet gefallen an seiner Reaktion darauf.
Émile hingegen ist manisch besessen von dem Gedanken, Juliette ein schönes, glückliches Leben zu ermöglichen, und wird mit jedem Tag, an dem ihm dies nicht gelingt, frustrierter und unberechenbarer. Er beginnt mit kleinen Betrügereien und nimmt immer weniger Rücksicht auf sein Umfeld. Das Schlimme daran ist, dass auch Juliette sich immer mehr von ihm zu entfernen scheint. Das bringt ihn zusätzlich auf die Palme, er fühlt sich von ihr unverstanden und reagiert zunehmend gewalttätig.

Juliettes Vater gibt sein ganzes Leben und auch seine Frau auf, um der fast schon fixen Idee, seine Tochter zu finden, hinterher zu rennen. Auch er wird über die Zeit immer melancholischer, will aber einfach nicht aufgeben. Rundum sind die Figuren eher traurig und düster gezeichnet. Von Anfang an erwartet der Leser das Schlimmste.


Aufmachung des Buches
Diogenes-Typisch kommt das Hardcover im Taschenbuchformat komplett in Weiß daher. Das Cover ziert eine rosafarbene Rose vor schwarzem Hintergrund, die von der obligatorischen dünnen schwarzen Linie eingerahmt wird. Die sehr gute Verarbeitung sowie ein graues Lesebändchen machen die Serie zu einem Sammlerobjekt.


Fazit
Georges Simenon ist der Meister des durch Worte übermittelten Gefühls. In dunkler, trostloser Atmosphäre entscheidet sich das Schicksal zweier junger Leute. Sozialkritisch zeigt er mit dem Finger auf die Gesellschaft.


5 Sterne


Hinweise

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Backlist
Band 1: Die Verlobung des Monsieur Hire
Band 2: Tropenkoller
Band 3: Das Haus am Kanal
Band 4: Der Mann aus London

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