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Manchmal können Erinnerungen so grausam sein, dass man sie für immer vergessen will.

Es beginnt erneut. Sie verlassen mich wieder. Und du weißt, wie sehr ich es hasse, verlassen zu werden. Deinetwegen haben sie mir meine Schätze genommen, über die ich so fürsorglich gewacht habe. Ich habe es nicht vergessen, im Gegensatz zu dir. Deshalb ist es an der Zeit, dein Gedächtnis etwas aufzufrischen. Das Spiel ist noch nicht vorbei. Und diesmal werde ich vollenden, was ich an dir begonnen habe.

Dreizehn Jahre sind vergangen, seit Tom Kessler einem Kindermörder hilflos ausgeliefert war. Nun beginnt erneut ein Abstieg in die Hölle. 

 

 

Autor: Michael Hübner
Verlag: Goldmann
Erschienen: Mai 2011
ISBN: 978-3-442-47417-2
Seitenzahl: 441 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Tom Kessler gerät als 13jähriger in die Hände eines irren Mörders. Drei Stunden bleibt er in seiner Gewalt, bis ihn die Polizei schwerverletzt befreien kann. Drei Stunden, in denen sein Leben völlig aus den Fugen gerät. Dreizehn Jahre später: Tom ist Schriftsteller, verheiratet und Vater eines kleinen Sohnes. Immer noch durchlebt er Panikanfälle und seine Psychiaterin ist am Ende ihrer Weisheit. Da wird erneut ein bestialisch getötetes kleines Mädchen gefunden. Als ein an Tom adressierter Zettel bei der kleinen Leiche gefunden wird und er von der Polizei aufgesucht wird, um ihm die Nachricht zu überbringen, wird Tom von den Schrecken in seiner Vergangenheit eingeholt. Er fühlt sich bedroht und beobachtet. Seine kleine heile Welt bricht unaufhaltsam zusammen und plötzlich befindet er sich mitten im Geschehen eines perfiden Spiels, aus dem er sich nur selber retten kann.


Stil und Sprache
Die Erzählung beginnt mit einem kurzen Prolog, der in die Geschichte einführt und in dem der Leser erfährt, dass der Junge Tom Kessler eine entsetzliche Erfahrung gemacht hat. Sie entzündet die "Bombe unter dem Tisch" und versorgt damit die LeserInnen mit dem Wissen, dass sich etwas Furchtbares ankündigt. Was genau, bleibt vorerst angedeutet und so kommt gleich zu Beginn große Spannung auf, die sich das ganze Buch über konstant hält. Der Leser weiß nur so viel wie auch Tom und so erleben die LeserInnen alle Wendungen und Neuigkeiten gleichzeitig mit Tom.

Das Buch besteht aus vier Teilen und erzählt aus Toms Sicht und aus der Sicht des allwissenden Erzählers. Teil eins, "Zeit der Dunkelheit" stellt Tom Kessler und seine Familie näher vor und endet mit der vorläufigen Trennung von seiner Frau. Durch den Besuch der Polizei zu Beginn und Toms Reaktion darauf, beginnt die Geschichte eine eigene Dynamik zu entwickeln. Der Leser entdeckt, wie sich Tom nach und nach an die entsetzlichen Vorgänge in seine Kindheit erinnert und sich immer mehr in seinen Erinnerungen und der enormen Angst, die sein gesamtes Leben bisher beherrscht hat, verliert. Er fühlt sich zunehmend bedroht und wird durch seine unkontrollierten Wutausbrüche für seine Umgebung zur Bedrohung. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Verzweiflung im Angesicht eines unbekannten, aber fühlbar herannahenden Unheils hat der Autor hier sehr gut umgesetzt und die Atmosphäre einer allgegenwärtigen, mal feineren, mal direkten Bedrohung geschaffen, ohne auf übermäßig brutale und blutrünstige Sequenzen zurückgreifen zu müssen. Vielmehr greift er dabei auf Black Outs des Protagonisten zurück, die die verpasste Zeit im Dunkel zurücklassen und Raum für viele Vermutungen schaffen. Aus dem ersten Teil geht Tom als extrem panischer und verängstigter Mann hervor, der seine Schwäche nicht akzeptieren will aber dennoch nichts dagegen ausrichten kann.

Der zweite Teil "Zeit der Rückkehr" beginnt mit der Hypnosebehandlung die Tom zu einer früheren Erinnerung und zur Heilung verhelfen soll. Sie leitet eine Rückblende zu dem Tag ein, als für Tom die Welt zusammengebrochen ist. Hier wird die Geschichte auch überwiegend aus Toms Warte erzählt. Die Überzeugung des Lesers, die sich im ersten Teil gefestigt hat, dass sich Tom unbedingt erinnern muss, um sein Leben in den Griff zu bekommen, hält auch hier die Spannung sehr hoch. Als dann klar wird, dass die Hypnosebehandlung nicht ganz so reibungslos abläuft, bekommt der Roman eine neue, interessante Wendung. In der Rückblende rutscht Tom vollständig in die Vergangenheit und erlebt einen Teil des Martyriums aus seiner Jugend noch einmal durch. Ab diesem Zeitpunkt passiert ihm dieses unbeabsichtigte "in die Vergangenheit Hineinstolpern" immer öfters. Hier tritt Toms Freund Fanta auch vermehrt in Erscheinung und die Situation spitzt sich zu, als er Tom hilft, vor der Polizei zu flüchten. Fanta ist der perfekte Gegenpol zu Tom und seine Gegenwart drosselt die Rasanz, mit der die Geschichte dem Ende zurast sehr effektiv. Besonders wichtig ist Fantas Rolle in Teil drei, "Zeit des Erwachens" wo er Tom (und dem Leser) vieles erklärt, das wichtig für die Plausibilität der Geschichte ist und man dadurch die Wendungen und Richtungen der Story gut nachvollziehen kann. Hier findet auch die überraschende Wendung statt, die der Geschichte eine ganz neue Richtung gibt. Der vierten Teil "Zeit des Lichts" rundet die Geschichte gut ab und beantwortet noch eventuelle Fragen. Der Epilog beschließt die Geschichte ebenso wie die Danksagung am Schluss.

Die Geschichte ist durchgehend spannend geschrieben, durchdacht konstruiert und die überraschende Wendung gegen Ende ist gekonnt in Szene gesetzt. Viele Kleinigkeiten machen die Story lebensnah und so kann man sich gut in die Situation hineinversetzen und mit dem Protagonisten mitfühlen. Daß Toms Verhalten und Sprache nicht immer altersgemäß sind, fällt beim Lesen jedoch erst nach dem großen Wendepunkt der Geschichte auf. Der Autor hat es hervorragend geschafft, eine bedrohlich düstere Stimmung zu weben, ohne auf übermäßige Brutalität oder reißerische Action zurückgreifen zu müssen. Thrillerfans und alle anderen LeserInnen, die spannende Geschichten lieben, werden bestimmt viel Spaß mit diesem hervorragend gelungenen Debütroman des Newcomerautors Michael Hübner haben. 


Figuren
Tom Kessler ist durch sein traumatisches Erlebnis in der Kindheit zu einem verängstigten und zurückgezogenen Menschen geworden, der versucht seine Panik-Attacken in den Griff zu bekommen um ein normales Leben führen zu können. Die Vorgänge aus der Vergangenheit diktieren ihm sein gesamtes Verhalten und sorgen für die Richtung, die sein weiteres Leben nimmt. Tom ist glaubhaft und sehr real dargestellt.
Toms Frau Karin und der gemeinsame Sohn Michael sind hauptsächlich dazu da, um Tom näher vorzustellen, etwas, für das auch die Psychiaterin zuständig ist.

Stefan Tauber, Spitzname Fanta, Toms engster und einziger Freund hat noch eine andere, wichtige Rolle in Toms Leben, die aber erst in den letzten beiden Teilen klar wird. Er bildet die "Bremse" in dem rasanten Thriller und durch ihn werden viele Fragen beantwortet und Situationen erklärt. Die Figuren sind gut ausgearbeitet und ihre Motive sind nachvollziehbar und glaubwürdig. Tom als Hauptperson wird durch die Umstände in seine Rolle gedrängt, sodass ihm gar nichts anderes übrig bleibt als zu handeln. Er wirkt ehrlich und dreidimensional, sodass man sich gut in ihn hineinversetzen kann. Die Nebenfiguren sind ihrem "Auftritt" gemäß charakterisiert und werden gut eingeführt.  


Aufmachung des Buches
Das Cover des Taschenbuches lässt eindeutig die Genrerichtung erkennen. Der Buchtitel ist interessant und macht ebenso neugierig aufs Hineinblättern und Lesen wie der Rückseitentext. Alle Kapitel sind mit Datum und Uhrzeit, teilweise auch mit einem Ort überschrieben und zählen somit unbemerkt einen imaginären Countdown ab, was der Handlung zusätzlich Spannung verleiht. Dem Prolog folgen vier unterschiedlich lange Buchteile, die den Zusammenbruch von Tom Kessler dokumentieren, so hat es zumindest anfangs den Anschein. Die überraschende Wendung gegen Ende des Buches ist sehr gut getimet und überaus originell konstruiert. Der Epilog beschließt den Roman und der Danksagung des Autors folgen noch zwei Buchankündigungen des Goldmannverlages.  


Fazit
Der gelungene Thriller ist absolut empfehlenswert und eine hervorragende Leistung, besonders für einen Debütroman. Alle LeserInnen, die eine gut konstruierte, durchgehend spannende Geschichte mit überraschenden Wendungen und einem sehr interessanten Protagonisten lieben, werden viel Spaß mit "Stigma" haben.


4 5 Sterne


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