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Hätte Kafka getwittert, würde seine berühmte Erzählung Die Verwandlung so beginnen:

"Ein neuer Tag. Muss raus zum Verkaufen." (vor ungefähr 5 Stunden via Web)

"Oje, da sind ein paar weiße Punkte auf meinem Bauch ..." (vor ungefähr 4 Stunden via TweetDeck)

"Hab mich offenbar in einen großen Käfer verwandelt. Ist das einem von euch schon mal passiert? NetDoktor.de ist keine Hilfe." (vor ungefähr 3 Stunden via Facebook)

In jeweils mehreren 140-Zeichen-Tweets erzählt "twitteratur" bedeutende Werke der Literaturgeschichte neu - von Beowulf bis Frankenstein, von Homer bis Oscar Wilde und von Kafka bis Stephenie Meyer.

"Jetzt gibt es Literatur in Twitteroptik. Da bin ich begeistert mit dabei!" (Dieter Nuhr, deutscher Top-Twitterer)

 

twitteratur 

Autor: Alexander Aciman und Emmett Rensin
Übersetzer: Helmut Dierlamm, Anne Emmert, Ursula Held, Isbeth Ranke, Wolfram Ströle und Violeta Topalova
Verlag: sanssouci
Erschienen: März 2011
ISBN: 978-3-8363-0282-1
Seitenzahl: 208 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Aciman und Rensin haben es sich zum Ziel gemacht, in diesem kleinen Büchlein 71 Klassiker der Antike, der älteren und der jüngeren Vergangenheit und der Moderne in Kurzform zu Papier zu bringen. Wer sich mit dem Twittern auskennt, kann sofort in die Lektüre abtauchen, Neueinsteigern jedoch helfen die anschließenden Kapitel, in denen die Grundbegriffe der Kürzel beim Chatten und Twittern geklärt werden. Bereits hier gibt es erste Angriffe auf die Lachmuskeln wie z.B. die Erklärung von "Servus, ihr Dumpfbacken", was folgendermaßen übersetzt wird: "Lebt wohl, ihr holden Gefährten" (S. 198).

Danach kann dann getrost mit der Lektüre der Romane begonnen werden. Die Handlungen werden dabei in mehreren 140-Zeichen-Tweets dargestellt. Erstaunlich ist, dass sich die Bandbreite dabei von Stephenie Meyer, Homer, Charles Dickens, Oscar Wilde und Vergil über Jane Austen, J.D. Salinger, Dan Brown, Shakespeare und Hemingway bis hin zu J.K. Rowling, George Orwell, Leo Tolstoi, Fjodor Dostojewsky und Mark Twain erstreckt. Somit dürfte jeder Leser wohl mindestens einen Roman finden, den er bereits selbst gelesen hat oder dessen Handlung er zumindest kennt. Denn die Kenntnis des Inhaltes ist eine wichtige Voraussetzung, um die Tweets zu verstehen, wie z.B. bei Hamlet von Shakespeare, in dem Hamlet twittert: "Ophelia hat eben einen auf Virginia Woolf gemacht. Begräbnis ist im Gange." (Seite. 43). Dass Ophelia tot ist, dürfte klar sein, aber dass sie sich ertränkt hat, wissen nur Leser, die Hamlet kennen oder das Leben von Virginia Woolf.

Meistens werden die Tweets von der Hauptperson geschickt und beschreiben die Ereignisse aus ihrer Sicht. Dabei fließen unweigerlich moderne Begriffe ein. Als Beispiel sei Harry Potter genannt, der allgemein bekannt sein dürfte: Es gelingt den Autoren auf bemerkenswerte (und Augen zwinkernde) Weise, alle sieben Bücher auf drei Seiten zusammenzufassen und großartig zu starten: "Hi! Sitze im Schrank unter der Treppe! Tante und Onkel haben mich mal wieder hier eingesperrt. Mann, ist das Leben hart." und weiter geht es später mit "OMG Hogwarts OMG habe zwei Freunde OMG Zauberei OMG Slytherins sind Nazis OMG böser Zauberer hat es auf mich abgesehen." (Seite 30 - Übersetzung von OMG = Oh my God/Oh mein Gott).

Ein besonderer Gag sind Bezüge auf vorhergehende Romane, wie es beispielsweise bei der Ilias und der darauffolgenden Odyssee der Fall ist, die beide von Homer verfasst wurden und bei denen auf Kosten von Achilles und seinem Cousin einige Scherze gemacht werden.


Aufmachung des Buches
Auf der Front des Hardcover-Büchleins, das ein wenig kleiner als ein Taschenbuch ist, befindet sich ein kleiner blauer Vogel, der allgemein als das Maskottchen für Twittern genommen wird und der sitzt und Zettelchen mit den Namen einiger Autoren in Flügeln hält. Der Titel ist sehr gut zu lesen, genauso wie der Untertitel "Weltliteratur in 140 Zeichen", der den Inhalt ein wenig falsch widergibt, da es mehrere Tweets sind. Die Rückseite enthält die Inhaltsangabe, bei der die Tweets von Kafkas Held in weiße Sprechblasen eingebunden wurden, um sie leichter erkennbar zu machen und vom Rest des Textes abzusetzen.

Die Tweets in dem Buch werden durch einen fett gedruckten Titel eingeleitet und schließlich durch hellere Linien in mehrere Tweets aufgeteilt, so dass neue Szenen oder das Verstreichen von Zeit "sehbar" wird.


Fazit
Die amüsante Art der beiden Autoren, große Werke der Weltliteratur zusammenzufassen, unterhält prächtig, solange der Leser die Handlung der Geschichten bereits kennt. Ansonsten könnte Verwirrung um sich greifen aufgrund der Insiderwitze und Andeutungen.


4 Sterne


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