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Die junge Finnin Hilja Ilveskero ist Leibwächterin. Ihre derzeitige Auftraggeberin tätigt Immobiliengeschäfte in Moskau und wird Hilja von Tag zu Tag unsympathischer. Nach einem heftigen Streit kündigt Hilja fristlos – und wird wenig später brutal zusammengeschlagen. Als sie wieder zu sich kommt, erfährt sie, dass ihre Auftraggeberin ermordet wurde und sie selbst unter Mordverdacht steht. Sie taucht unter und stellt bald fest, dass sie beschattet wird …

 

 

Originaltitel: Henkivartija
Autor: Leena Lehtolainen
Übersetzer: Gabriele Schrey-Vasara
Verlag: Kindler - Rowohlt Verlag GmbH
Erschienen: Januar 2011
ISBN: 978-3-463-40601-5
Seitenzahl: 378 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Nach dem Mord an ihrer Auftraggeberin, der Immobilienmaklerin Anita, versucht die finnische Leibwächterin Hilja mit geschickter Tarnung ihren Verfolgern zu entkommen. Um auszuschließen, nicht selbst den Mord an Anita begangen zu haben, stellt sie eigene Nachforschungen an. Hilja verdächtigt Anitas Ex-Liebhaber Paskewitsch, einen skrupellosen Immobilienhai mit einflussreichen Beziehungen bis in alleroberste russische Regierungskreise. Als der unsichtbare Verfolger plötzlich Gestalt annimmt und Hilja näher kommt als ihr lieb ist, beginnt zwischen den beiden ein brisantes Katz und Maus-Spiel, bis eine zufällig gefallene Information für Hilja erneut alles auf den Kopf stellt.


Stil und Sprache
Das Buch lässt sich stilistisch zweiteilen. Nach dem Mord an ihrer Auftraggeberin ist Hilja erst einmal mit Untertauchen beschäftigt, denn zum einen hat sie den Verdacht verfolgt zu werden, zum anderen zählt sie selbst zu den Tatverdächtigen. Während sie von einem Versteck ins nächste flüchtet und für die Außenwelt unsichtbar bleibt, ist sie mit sich und ihren vielschichtigen Gedanken allein. Das hört sich jetzt nicht sonderlich spektakulär an, doch Hilja schleppt kiloweise Ballast aus der Vergangenheit mit sich rum, den sie in ihrer Einsamkeit Stück für Stück aufarbeitet. In der Ich-Form mit einer schönen, bildhaften Sprache geschrieben, ersteht ein unheimlich lebendiges Abbild sowohl von Hiljas Charakter und ihren Ängsten, als auch dem unmittelbaren Geschehen. Nahtlos fließen die Segmente aus Vergangenheit und Gegenwart ineinander zu einem einzigen packenden Guss.

Im zweiten Teil kommt echte Aktivität in die Handlung. Hilja wird die Leibwächterin einer Parlamentsabgeordneten der Grünen und beginnt nebenher auf eigene Faust zu ermitteln. Die Gefahr begegnet ihr in Gestalt von David Stahl. Obwohl Hilja der festen Überzeugung ist, Stahl sei von Paskewitsch auf sie angesetzt, den sie wiederum im Zusammenhang mit dem Mord an Anita sieht, kann sie David nicht widerstehen. Zwischen den zwei Kontrahenten beginnt ein knisterndes Katz und Maus-Spiel auf beruflicher, emotionaler und sexueller Ebene. Davon wird nicht nur Hilja völlig gefangen genommen. Und dann kommt der Tag, an dem Hilja zufällig von ihrer neuen Arbeitgeberin Helena erfährt, wer David in Wirklichkeit ist. Hintergrund für den Roman bilden diverse grenzübergreifende, illegale Aktivitäten im Immobilien- und Energiemarkt zwischen Finnland und Russland, von denen ich mir zumindest einen Funken Wahrheitsgehalt vorstellen könnte.

Zur Auflockerung der aufgeladenen Stimmung fließt sprachlich ein guter Schuss (Selbst-)Ironie ein, der mich immer wieder schmunzeln ließ, genauso lässt uns die Autorin an der schönen, beinahe unberührten Natur Finnlands teilhaben. Hilja ist eine gute Beobachterin, weiß im Wald essbare von giftigen Pilzen zu unterscheiden, kennt die Vögel beim Namen und hegt seit Kindheit eine außergewöhnliche Liebe zu Luchsen, die einen tief berührt. Da dies mein erster finnischer Roman war, bereiteten mir die ungewohnt klingenden Namen anfangs gewisse Probleme, indem sie sich mir nur schwer einprägen wollten. Doch auch wenn ich im ersten Moment manchmal nicht wusste, von wem gerade die Rede ist, war dies kein allzu großes Handikap, ich konnte der Handlung insgesamt gut folgen und alle Personen beim Weiterlesen zuordnen. Lobend erwähnt seien noch die mittellangen Kapitel von ca. 15 Seiten, die auch häppchenweises Lesen erlauben, wenn die Zeit für Lesemarathons fehlt.


Figuren
Dieser Roman lebt ganz klar von seiner Erzählerin Hilja; alle anderen Figuren degradiert sie mit ihrer Dominanz zu mehr oder weniger bedeutenden Nebendarstellern. Hilja wird als imposante Erscheinung dargestellt, die es mit jedem Mann aufnehmen kann: ca. 1,80 cm groß, äußerst tough, besitzt im Judo den schwarzen Gürtel, war beim finnischen Militär und ihre Leibwächterausbildung absolvierte sie in New York bei einem der besten seines Fachs. Sie ist eine typische Einzelgängerin; die wenigen Personen, die ihr wichtig sind und waren, leben entweder weit weg, weilen nicht mehr unter den Lebenden oder sind für sie unerreichbar. Alles, was Hiljas Person ausmacht, ihr vielschichtiger Charakter, ihr beruflicher Werdegang und die Art wie sie agiert, formte sich aus Ereignissen der Vergangenheit. Stück für Stück offenbart sie sich und macht die Zusammenhänge dem Leser klar, der sie wiederum – in Konsequenz ihrer offenen, selbstkritischen Ehrlichkeit – mit viel Anteilnahme begleitet.

Der Wichtigste aus dem Kreis der Nebenpersonen ist David Stahl. Der Leser weiß über seine wahre Identität durch die Ich-Erzählweise genauso wenig wie Hilja. Aufgrund seines bedeckten Verhaltens und dem Verzicht der Autorin auf Schwarz-Weiß-Malerei lässt sich unmöglich Stellung beziehen, welchem Lager er angehört. Er übt auf Hilja eine große Faszination und körperliche Anziehungskraft aus; in seiner Nähe wirft sie sämtliche Vorsichtsmaßnahmen über Bord und lässt sich mehr gehen als ihr lieb ist. Doch genau dieser gefährliche Hochseilakt der sonst so besonnenen Hilja ist es, der dem Buch einen besonderen „Kick“ verpasst.
Die weiteren Nebenfiguren erlangen nicht genügend Format bzw. Wichtigkeit, um sie eigens vorzustellen. Ihnen wird in der Handlung genau so viel Platz und Charakterisierung eingeräumt wie erforderlich, so dass man als Leser nichts vermisst.


Aufmachung des Buches
Hier handelt es sich um eine besonders schön verarbeitete Hardcover Ausgabe mit Lesebändchen. Die dünnen, festen Buchdeckel in mintgrün sehen mit ihrer feinen Riffelung und dem seidenen Glanz einem Leineneinband täuschend ähnlich. Als besonderer Gag wurden die der Handlung vorangehenden Seiten genauso schräg bedruckt wie die weißen Schriftzüge auf dem Cover des mattierten Schutzumschlages. Dessen Gestaltung kann man mit dem Licht-/Schattenmotiv auf der Vorderseite durchaus genretypisch bezeichnen. Die Rückseite ist geteilt in eine obere schwarze und eine untere mintgrüne Hälfte. Die Inhaltsangabe in schwarzer Schrift verteilt sich auf dem mintgrünen Teil.


Fazit
War die finnische Autorin bisher für ihre Krimis um Kommissarin Maria Kallio bekannt, wechselt sie nun ins Thriller-Fach. Dabei verzichtet Leena Lehtolainen auf effektheischende Grausamkeiten und Blutbäder, stattdessen nimmt sie den Leser vor dem Hintergrund unsauberer wirtschaftlicher Transaktionen zwischen Finnland und Russland mit subtilem Nervenkitzel, einer überraschend vielschichtigen, sympathischen Titelheldin, tollen Wendungen und einem Schuss Erotik und Liebe gefangen.


4 5 Sterne


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