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Drei Generationen unter einem Dach: Student Max, die Buchhändlerin Petra, Ingenieur Harald und Willy Knobel, hochbetagt. Trautes Heim, Glück allein? Zwischen Maxiwindeln und mörderischer Eisenstange spielt diese bitterböse Kriminalkomödie. Ingrid Noll erzählt von einer Familie, die das Altern anpackt auf unkonventionelle Art.

 

Autor: Ingrid Noll
Verlag: Diogenes
Erschienen: 24. August 2010
ISBN: 978-3257067606
Seitenzahl: 336 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Eine ganz normale, alltägliche Familie in Deutschland; die Mutter betreibt einen kleinen Buchladen, der Vater ist Bauingenieur, die Tochter ist schon ausgezogen und der Sohn studiert. Und dann gibt es noch den 90 Jahre alten Großvater, der ganz alleine in seinem Häuschen lebt. Als Opa eines Tages ausrutscht und sich den Oberschenkel bricht, soll er nach der Operation auf Kur. Leider ist im Kurheim kein Platz mehr frei und so drängen seine Schwiegertochter und sein Enkel darauf, den Alten im eigenen Haus einen Platz zu schaffen. Da Opa ohnehin von der Narkose zweitweise wirr ist und auch physisch nicht in guter Verfassung, geht man davon aus, dass er ohnehin nicht lange bleiben wird …


Stil und Sprache
Ingrid Noll. Dieser Name steht für ausgeklügelten Geschichten und unterhaltsame, spritzige Kurzweile. Aber vor allem steht ihr Name für tiefschwarzen, aber sehr subtilen Humor. Wie alle ihre Geschichten ist auch diese aus der Vogelperspektive erzählt und erlaubt so dem Leser den besten Platz als Zuschauer. Ebenso wie in alle ihren anderen Büchern steht hier der ganz normale Alltag im Vordergrund und um diese Alltäglichkeit spinnt Noll ihre stets so banalen, aber ebenso ausgefuchsten Erzählungen.

Von Anfang an flüssig und leicht zu lesen, lernt der Leser ziemlich schnell alle Darsteller kennen. Er begleitet diese auf ihrem täglichen Weg und schnell erscheinen das kleine Häuschen des Großvaters und auch das Haus der Familie Knobel vor dem geistigen Auge. Noll schafft dies nicht mit literarisch hochwertiger Sprache, sondern mit immensem Feingefühl und einer großen Portion Empathie, so dass man stets das Gefühl bekommt, den einen oder anderen von irgendwoher zu kennen. Noll zeigt keine Scheu im Umgang mit dem Alter und auch der daraus resultierenden Probleme wie Demenz oder Inkontinenz. Ohne gewisse Grenzen zu überschreiten, baut sie diese Handicaps geschickt und humorvoll in ihre Erzählung mit ein, läuft  aber nie Gefahr, beleidigend oder gar demütigend zu werden.

Die Geschichte wird zwar nicht gerade rasant erzählt und es fehlt diesem Roman das spritzig-leichte Tempo, wie man es aus Nolls besten Büchern (“Die Apothekerin“ oder „Der Hahn ist tot“) kennt, sie ist aber dennoch amüsant und zaubert dem Leser schon das eine oder andere Lächeln auf die Lippen. Bei Noll wird stets „wie zufällig“ gestorben und meistens können die Beteiligten gar nichts dafür (eben einfach Pech) und wie gewohnt passieren diese „Malheurs“ auf so geschickte Weise, dass die Täter nie erwischt werden.


Figuren
Eine Familie, wie man sie zu Tausenden in Deutschland oder auch Österreich findet. Menschen kämpfen mit ihren ganz normalen alltäglichen Problemen und auch diese Familie, die Familie Knobel, könnten die eigenen Nachbarn sein. Figuren, die leben, Figuren, die glaubwürdig und authentisch sind, Figuren direkt aus dem Leben gegriffen; das sind die Charaktere Ingrid Nolls. Petra und Harald, ein Ehepaar, das bald silberne Hochzeit feiert, haben ihre kleinen Sorgen. Petra im privaten Bereich und Harald in der Firma. Tochter Mizzi, eine Lesbe (das darf Opa natürlich nicht wissen), ist schon von zu Hause ausgezogen und Max studiert noch – mehr schlecht als recht – aber er ist der einzige, der sich um Opa Willy kümmert (auch wenn er sich dafür erlaubt, ab und an einen Geldschein extra aus Opas Tresor zu nehmen). Opa Willy überlässt man nun Mizzis Zimmer (da er ansonsten droht, das Testament zu ändern) und zwei Mal am Tag kommt eine Pflegerin, um ihn zu waschen, das Bett zu machen und ihn zu windeln. Alle ganz normale Menschen. Aber es gibt dann auch noch Falko und Pit Bull, die nicht so normal, sondern bitterböse sind.

Die wunderbare Zeichnung der Charaktere ist eines von Ingrid Nolls Markenzeichen. Die Menschen haben gute und schlechte Seiten und wenn dann ein braver, guter Bürger Gedanken hegt, dass man dem Alten die Zeit seiner Qualen etwas verkürzen kann, so tut man doch eigentlich ein gutes Werk, denn gestorben wäre er ja ohnehin. Natürlich machen sich da Harald und Petra (jeder für sich) große Gewissensbisse, aber man muss schließlich auch an die Familie denken. Pech nur, wenn dann nicht alles ganz so klappt wie geplant. Und da ist der Zusammenhalt gefragt, wo in der Not der eine dem anderen hilft.


Aufmachung des Buches
Es handelt sich um ein schönes, gebundenes Hardcover im typischen „Diogenes-Design“. Auf der Vorderseite des Schutzumschlages findet man neben Titel und Autor noch einen Ausschnitt des Bildes „La diseuse de bonne aventure“ von Georges de la Tour (einen anderen Ausschnitt des Bildes findet man am Umschlag des Buches „Die Apothekerin“ von Ingrid Noll).


Fazit
Mit Sicherheit nicht das beste Buch von Ingrid Noll, aber auf jeden Fall lesenswert. Die gut 300 Seiten sind ziemlich schnell gelesen und nach Beendigung des Romans bedauert man, dass die Geschichte nicht noch weitergeht. Für Noll-Fans ein absolutes Muss, wenngleich es mit den besten Werken der Autorin bei Weitem nicht mithalten kann. Trotzdem ein sehr unterhaltsames und kurzweiliges Buch, das dennoch um ein Vielfaches besser ist als so manch anderes Werk, das in der Flut an Büchern heute veröffentlicht wird. Gemessen am Können der Autorin gebühren dem Werk aber nur 4 Sterne.


4 Sterne


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