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Pierre Mac Orlans “An Bord der Morgenstern” ist eine ungewöhnliche Piratengeschichte, denn sie zelebriert die Magie des Abenteuers ohne die Freibeuter zu romantisieren. Dem Zeichner Riff Reb's ist es mit seinen Zeichnungen gelungen, nicht nur das Grauen, sondern auch die tragikomischen Seiten zu neuem Leben zu erwecken.

 

An_Bord_der_Morgenstern  Originaltitel: A BORD DE L'ETOILE MATUTINE
Autor: Riff Reb's frei nach der Vorlage von Pierre Mac Orlan
Übersetzer: Ulrich Pröfrock
Illustration: Riff Reb's
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: 11/2010
ISBN: 978-3-551-79108-5
Seitenzahl: 120 Seiten
Altersgruppe: ab 12 Jahre (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Erzählt wird aus Sicht eines – namentlich nicht benannten – Protagonisten, der in hohem Alter auf sein Leben zurückschaut: als 14-jähriger Waise kommt es zu seinem ersten Mord. Er muss fliehen und trifft in einem Dorf auf den Schiffsarzt und Piraten Mac Graw, der sich seiner annimmt und ihn mit an Bord der Morgenstern nimmt. Unter Kapitän George Merry segelt er mehrere Jahre als Freibeuter, erlebt Abenteuer, entert Schiffe und suchen nach dem Schatz von Kapitän Flint. Freiheit, Grausamkeit und Tod sind genauso ihre Begleiter wie Armut und Enttäuschungen. Und immer droht ihnen der Galgen, sollten sie gefasst werden …

Riff Reb's Interpretation von Mac Orlans Roman „An Bord der Morgenstern“ führt in das Leben als Pirat zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Abseits von der romantisierten Seite der Freibeuterei, die man seit Jahrzehnten aus Film und Fernsehen kennt, zeigt diese Graphic Novel auch die düsteren, grausamen Aspekte der Seeräuberei. Dabei ist sie spannend und liest sich flüssig, während stellenweise auch mit einem Augenzwinkern erzählt wird.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Riff Reb's präsentiert schon auf den ersten Seiten sein hervorragendes Können. Mit dünnen, feinen Konturen zaubert er unglaublich detaillierte und atmosphärische Bilder aufs Papier. Ihm gelingt dabei gekonnt die Tiefenstaffelung, und von im fernen Hintergrund aus dem Hafen laufenden Schiffen bis zu den im Vordergrund eingesetzten Figuren, Bauwerken und Landschaften arbeitet er feinste Einzelheiten heraus. Ob nun unter einem festen Dach, in einer Stadt oder an Bord des Schiffes: mit grafisch einwandfrei ausgeführten Arbeiten sorgt Reb's jederzeit für das passende Umfeld - und dies so gut, dass man sich gar nicht an den Bildern satt sehen kann. Die Takelage und das Mastwerk, der Aufbau des Schiffes bis hin zur sich spiegelnden Oberfläche der nassen Planken sind exakt skizziert. Nur bei den Landschaftsszenen um Porto Bello fallen manche Grafiken etwas trister aus, dennoch reichen sie jederzeit aus, um die Gegend darzustellen. Diese Rücknahme der Genauigkeit gilt nicht für alle Bilder, manche der Landschaftszeichnungen sind dafür sehr aufwendig.
Zu beeindrucken weiß die Wildheit der stürmischen See, wenn hohe Wellen die Morgenstern wie auf Seite 25 oder Seite 69 zum Spielball machen, und man bekommt eine Ahnung davon, wie hart damals das Leben als einfacher Seemann gewesen sein muss.

Sehr schön sind auch die Figuren, die Reb's lebendig werden lässt. Ob nun hartgesottene Seemänner, Kinder oder leichte Mädchen, sie alle zeichnet er treffend und realistisch, ohne sich zu sehr an Klischees entlangzuhangeln. Dabei ist die Feinheit seiner Illustrationen immer wieder erstaunlich. Natürlich lassen die Details nach, je tiefer die Personen im Bild angeordnet sind, aber dennoch sind sie auch dann immer noch recht aufwendig erstellt. Rücken sie aber in den Mittel- oder Vordergrund, sind sie filigran bis in die tiefen Furchen der wettergegerbten, teils narbigen Gesichter umgesetzt. Überzeugen können auch die Emotionen, die an den Figuren abzulesen sind, so die Freude Mac Graws, als seine Hündin geworfen hat – und das Entsetzen, als er von der restlichen Crew gezwungen wird, die Welpen zu ersäufen.
Auch den Kleidungen – sowohl passend zum frühen 18. Jahrhundert, als auch zu den Leuten zur See – und Waffen hat sich der Zeichner so liebevoll wie authentisch gewidmet. Während Käpt'n Merry nicht nur den obligatorischen Dreizack, eine Offiziersjacke, Lederstiefel und Degen trägt, sind nicht wenige seiner Crew ärmlich gekleidet, oft sogar barfuß. So zeugt die Bekleidung auch von ihrem Stand.

Die Zeichnungen sind grundsätzlich monochrom und fast immer – wie im Duplex-Druckverfahren – mit  nur einer Farbe getönt. Einige wenige Bilder sind zwar ebenfalls monochrom, aber nur teilweise – entsprechend der Color-Key-Technik – eingefärbt, wobei aber eine Farbrichtung (z.B. Rottöne) beibehalten wird. Die Kapitel sind sauber getrennt, aber allein schon durch die Änderung des Farbtons erkennt man die Wechsel. Schattenbereiche gehen bis ins tiefe Schwarz, in den Übergängen werden durch Schraffierungen die Stärke der Schatten bestimmt. Die Panels sind – zum historischen Hintergrund passend – klassisch durch weiße Stege getrennt. Diese werden in einer Szene schwarz, als Meister über seine Erlebnisse erzählt. Im 10. Kapitel bleiben die Stege auch bei einer Erzählung weiß, dafür sind die Grafiken ausschließlich in Grautönen gehalten, die gewellten Panelränder setzen sich gegen die normalen Bildkästchen ab.


Aufmachung des Comics
Der Comic befindet sich zwischen festen Umschlagdeckeln und zeigt sich hervorragend verarbeitet. Besonders die Gestaltung des Covers hat direkt meine Aufmerksamkeit erregt. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass die Schaumkronen der hohen Wellen das Aussehen vieler Totenschädel haben, während im Hintergrund die „Morgenstern“ in Richtung des Horizontes fährt – das Thema „Piraterie“ ist konsequent und raffiniert umgesetzt. Die Geschichte startet nach einem Vorwort von Riff Reb's, im Anhang finden sich auf sechs Seiten Arbeitsskizzen und Informationen zum Zeichner und zu Mac Orlan.


Fazit
Riff Reb's hat in seiner Graphic Novel den Roman „An Bord der Morgenstern“ von Pierre Mac Orlan frei interpretiert. Atmosphärisch dicht, spannend und ohne die Taten zu beschönigen, erzählt er vom Leben eines Piraten zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Sein Zeichenstil ist filigran und exakt, ein Genuss fürs Auge. Eine heiße Empfehlung!


5 Sterne


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