Ein verurteilter Psychiater und ein besessener Kommissar - ein erbittertes Psychoduell um Schuld und Rache
Ein kleines Mädchen stirbt, und der Hauptverdächtige wandert in den Knast – unschuldig? 15 Jahre später: Wieder verschwindet ein Kind, und der Albtraum beginnt von vorn – für die Ermittler und den Täter von damals.
Wie gefährtlich ist Gerechtigkeit?
Originaltitel: Das Wesen |
Die Grundidee der Handlung
Im April 2007 erhalten Kriminaloberkommissar Bernd Menkhoff und sein Kollege Alexander Seifert von der Aachener Mordkommission einen Hinweis auf die Entführung eines kleinen 2-jährigen Mädchens, Sarah Lindner. Sie scheint die Tochter des vor 15 Jahren wegen Kindesmordes verurteilten Psychiaters Dr. Joachim Lindner zu sein. Die beiden Kommissare waren damals bereits die leitenden Ermittler und stehen nun erneut vor dessen Wohnungstür. Sollte der Psychiater nun sein eigenes Kind entführt haben? Und welche Rolle spielt dessen damalige Lebensgefährtin Nicole Klement? Dies ist der Beginn einer fesselnd beschriebenen Suche nach der tatsächlichen Wahrheit, immer aus der Ich-Perspektive Alexander Seiferts. Der Autor wählt zwei Zeitperspektiven, lässt den Leser nochmals an den Ermittlungen des ersten Falls teilnehmen und zeigt parallel dazu die Fortschritte in der Gegenwart. Beide Perspektiven vermischen sich, bedingen einander. Als Menkhoffs eigene Tochter Luisa aus dem Kindergarten verschwindet, spitzt sich die Geschichte zu.
Stil und Sprache
Arno Strobel benutzt in seinem Psychothriller zwei Zeitstränge, einmal im Jahr 1994 die Überführung und anschließende Verurteilung Dr. Lindners, auf der anderen Seite die Gegenwart, das Jahr 2007 mit den erneuten Ermittlungen. Hierbei springt er in sehr kurz gehaltenen Kapiteln zu Anfang ständig hin und her, später bleibt er nur noch in der Gegenwart. Diese Zeitsprünge gelingen ihm ganz gut, man findet sich als Leser schnell hinein und durch die langsame Kenntnis der Geschehnisse im Jahre 1994, verändert sich die Sicht auf die Gegenwart und auch entgegengesetzt. Spannung erzeugt Arno Strobel immer am Ende der kurzen Kapitel, indem er noch nicht ausgearbeitete Gedanken oder Hinweise in den Raum stellt und diese dann erst im Weiteren wieder auflöst. Durch die Entführung Luisas erhält die Geschichte nochmals einen sehr persönlichen und erneut spannungserzeugenden Wendepunkt. Arno Strobel hat eine einfach gehaltene, am Alltag orientierte Sprache. Die Sätze sind kurz, ebenfalls die Kapitel. Er beschreibt aus der Ich-Perspektive des Kommissars Alexander Seiferts. Dem gegenüber steht das sehr komplexe, psychologisch tiefgehende Hauptthema des Buches, die Traumatisierung in der Kindheit und deren Aufarbeitung im Erwachsenenleben einerseits, andererseits das Abhängigkeitsverhältnis Patient – Psychotherapeut, die Verantwortung des Behandelnden und die Gedankengänge eines Kinderschänders und Mörders. Ein recht komplexes Thema für einen Thriller, der diesem aber streckenweise durchaus gerecht werden kann. Allerdings wirkt das Ende auf mich dann doch sehr konstruiert und auch nicht mehr ganz nachvollziehbar.
Figuren
Zunächst ist hier der Hauptermittelnde Bernd Menkhoff zu nennen, Kriminaloberkommissar, der zunächst in seiner besserwisserischen, überheblichen und auch eigenbrödlerischen Art eher unsympathisch beim Leser ankommt, dessen Figur sich aber im Laufe der Geschichte und vor allem zum Ende hin noch einmal verändert und in ein besseres Licht gerückt wird.
Alexander Seifert, der zweite ermittelnde Kommissar, aus dessen Perspektive die gesamte Geschichte erzählt wird, erscheint zunächst wenig greifbar. Er steht im Schatten des Bernd Menkhoff, scheint sich wenig zu einer eigenen Meinung durchringen zu können. Im ersten Ermittlungsfall ist er noch ganz neu dabei und mit wenig Selbstbewusstsein zweifelt er zwar an den Ermittlungserfolgen seines Kollegen, traut sich aber zu keiner Stellungnahme. 15 Jahre später sieht man eine Entwicklung, er wird selbst aktiver, setzt Menkhoff auch etwas entgegen.
Der Psychiater Dr. Joachim Lindner, von seinem Wesen her sehr überzogen und markant geschildert, hinterlässt beim Leser eher zwiespältige Gefühle. Einerseits wirkt er sehr abstoßend, überheblich, besserwisserisch, andererseits ist er ein sehr gut gewählter Gegenpart zu Menkhoff, sp dass deren sprachliche Duelle doch sehr witzig und überzeugend beim Leser ankommen. Die Entwicklung zum Ende hin nimmt dieser Figur aber dann etwas das Authentische, sie verliert ihre Greifbarkeit, was eigentlich sehr schade ist.
Nicole Klement, die vor 15 Jahren die Lebensgefährtin Dr. Lindners war und während dessen Haft eine Beziehung mit Menkhoff aufnimmt, steht am Ende als Opfer da. Sie wirkt in ihrer Rolle sehr blass. Sie wird als unnahbar, nicht fassbar, traurig und in sich zurückgezogen beschrieben, später auch extrem manipulierbar. Auch diese Figur, deren Glaubhaftigkeit, wird zum Ende hin durch Lindners Geständnisse weniger nachvollziehbar.
Aufmachung des Buches
Es handelt sich um ein handliches Taschenbuch mit einem gut gewählten Cover. Auf schwarzem Hintergrund ist der Titel „Das Wesen“ golden hervorgehoben. Eine Treppe führt aus dem Dunkeln nach oben.
Fazit
Arno Strobel legt hier einen Psychothriller vor mit einer sehr komplexen, faszinierenden Geschichte, die mich über weite Teile hin sehr gut unterhalten und gefesselt hat. Die Auflösung am Ende, die die bisherige Interpretation des gesamten Geschehens nochmals auf den Kopf stellt und dem Leser einiges an Umdenken abverlangt,veranlasst mich doch zu einem Sternabzug.
Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de