Der dritte Band mit den beliebten Kolumnen des weltberühmten Romanschriftstellers: In 69 kleinen Geschichten, Phantasien und Reflexionen gibt sich Lobo Antunes wieder ganz privat, spricht von Kindheits- und Lebenserinnerungen, von Krankheit und Tod, von der Literatur und seiner Sicht auf die Welt. Er denkt über Sherlock Holmes und Virginia Woolf nach, über die Verbindung von Geld und Seele, die Harmonie der Welt, die portugiesische Landschaft, schreibt über die Liebe und die Beziehung zu seinen Lesern.
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Originaltitel: Terceiro Livro de Crónicas |
Die Idee, Stil und Sprache
Antonio Lobo Antunes gewährt uns auch in seinem dritten Buch der Chroniken einen privaten Einblick in sein von Melancholie und Verbundenheit geprägtes Leben. Voller Ironie und einer elegischen Sehnsucht reflektiert er die Heroen seiner Kindheit, wie die Klavierlehrerin, in die er sich als Achtjähriger unsterblich verliebte, oder seine Großmutter, an die er sich immer wieder gerne erinnert und ihn liebevoll „mein Sohn“ nannte. Aber er illustriert auch die dekadente Mittelschicht Portugals während der Salazar-Diktatur und den immer noch im Geiste allgegenwärtigen Einsatz im Kolonialkrieg in Angola. Lobo Antunes als Soldat in einem brutalen Krieg, der ihn bis heute verfolgt. Das Trauma des Todes lässt ihn nicht mehr los. Sei es der Tod von Familienmitgliedern, eines Fremden oder sein eigener, den er mehr fürchtet als alles andere. Furcht davor, nicht mehr alles sagen können, was er zu sagen hat. Er spüre körperlich den Raum, der ihm bleibe und wisse, wie begrenzt er sei. „Nur noch eine Minute, Herr Henker“ (S.74), sagte Marie Antoinette auf dem Schafott stehend. Genau darum bittet Lobo Antunes, um ein paar kleine Minuten. Ein paar kleine Minuten, um die Bücher schreiben zu können, die noch in ihm stecken, die an die Oberfläche drängen und zu Papier gebracht werden wollen.
Ebenso gewährt er einen Einblick in sein Leben als Schriftsteller. Lobo Antunes sieht sich nicht als Autor seiner Werke, sondern nur als Mittler zwischen den Welten. Er sei nur die Hand, die die Worte niederschreibt, die ihm ein Engel, ein Über-Ich, ins Ohr flüstert. Schreiben ist für ihn transzendental.
Die Chroniken formuliert er mit leichtem Witz und beißender Schärfe, aber auch voller Gefühl, wie in „Herz des Tages“, in der er von seiner Freundschaft zu Eugénio de Andrade berichtet. Einem Freund, der immer voller Kraft und erhobenen Hauptes durchs Leben ging und der nun durch den Schicksalsschlag einer schweren Krankheit zu einem menschlichen Wrack wurde. Lobo Antunes beschreibt darin seine eigene Feigheit vor dem Tod, seiner Feigheit, den Freund zu besuchen und ihn im Zerfall zu sehen. Es ist eine traurige Geschichte, in der der Autor stimmgewaltig und behutsam die Endlichkeit des Lebens veranschaulicht.
Aufmachung des Buches
Diese über 69 kurzen erzählerischen Texte sind in der Übersetzung von Maralde Meyer-Minnemann als broschiertes Taschenbuch erschienen. Auf dem Cover ist, wie bei den beiden Chroniken zuvor ,Antonio Lobo Antunes nur als Halbporträt zu sehen. Die Übersetzerin Meyer-Minnemann hat zum besseren Verständnis das Buch um ein Glossar mit den vom Autor genannten Namen und Begriffen ergänzt.
Auch wenn die Kapitel nur drei bis vier Seiten umfassen, sind sie nicht weniger anspruchsvoll, ganz im Gegenteil, durch den engen Raum herrscht in den wenigen Zeilen eine enorme Intensität.
Fazit
Die mannigfaltig evozierten autobiografischen Reminiszenzen, sein sprachlicher Witz, sein Sarkasmus und seine kindliche Naivität offenbaren sein Vermögen, kleine Begebenheiten in großartige Prosa zu transformieren. Wer seine Romane gelesen hat, weiß, Lobo Antunes ist ein sehr eigenwilliger Schriftsteller von ungeheurer Wortgewalt, seine Kolumnen gewähren dem Leser einen tiefen Einblick in die verschlungenen Pfade seiner Gedankenwelt.
Hinweise
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