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In klassischen Mythen und Legenden erfährt der Leser selten etwas über die Vorgeschichte der beschriebenen Handlung. In vollem Glanz betritt der Held die Bühne - wie er zu dem wurde, was er ist, scheint nebensächlich. Das “Nibelungenlied“ ist da keine Ausnahme: Die Protagonisten vollbringen ihre heroischen Taten, ohne dass über ihre Motivation allzu viele Worte verloren werden.
In vier Romanen, die in „Nibelungengold“ erstmals gesammelt vorliegen, widmet sich Kai Meyer Hagen von Tronje, dem Horthüter Alberich und der schönen Kriemhild. Wie kam es zu jener nicht wieder gut zu machenden Schuld, die Hagen an den Siebenschläfer kettet? Was bindet Alberich an den Hort der Nibelungen, den er mit so großer Treue bewacht? Woher rührt Kriemhilds Überzeugung, dass ihr ein großes, aber tragisches Schicksal bestimmt ist?

 

  Autor: Kai Meyer
Verlag: Lübbe
Erschienen: 12.06.2007
ISBN: 978-3-404-15701-3
Seitenzahl: 667 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Wer die Nibelungensage kennt, wird auch die Hauptcharaktere aus diesem Buch kennen. Kai Meyer erzählt in diesem Buch die Vorgeschichte von Hagen von Tronje, dem Horthüter Alberich und der schönen Kriemhild. Dazu sei im Voraus gesagt, dass diese Geschichten allesamt erfunden sind, also nichts mit der eigentlichen, überlieferten Nibelungensage zu tun haben. Da in diesem Buch praktisch vier Bücher vereint sind, werde ich zu jedem einzeln eine Beschreibung geben, auch wenn Hagen von Tronje in den Folgebüchern mit eingebunden ist und dort Nebenrollen einnimmt.

1. Der Rabengott
In „Der Rabengott“ wird die Geschichte von Hagen von Tronje erzählt. Dort erfährt man, wie er in seiner Kindheit den Fluch des Siebenschläfers auf sich geladen hat. Parallel dazu wird erzählt, wie er als erwachsener Mann sein Augenlicht vorübergehend verliert. Blind wie er am Anfang noch ist - und auf dem linken Auge auch bleiben wird - muss er sich auf ein Mädchen verlassen, das sich Nimmermehr nennt. Besonders aufgefallen ist mir hierbei das überraschende und doch passende Ende.

2. Das Drachenlied
In „Das Drachenlied“ hat Siegfried gerade den Lindwurm erschlagen und in dessen Blut gebadet. Vorher aber hat er schon den Horthüter Alberich besiegt und ihm aufgetragen, den Schatz der Nibelungen zu beschützen bis er ihn abholt. Zusätzlich nahm er Alberich noch seine Tarnkappe ab. Dadurch fühlt Alberich sich nicht mehr in der Lage seinen Pflichten nachzukommen. Er lässt sich deshalb von seinen Freunden Mütterchen Mitternacht und Löwenzahn ermutigen, selbst im Blut des Drachen zu baden. Also brechen sie zu einer Reise zu dem Drachen auf, auf der sie einer neuen Gefährtin und auch Hagen von Tronje begegnen.

3. Der Zwergenkönig
In „Der Zwergenkönig“ geht es wieder um Alberich. Diese Geschichte spielt zwei Jahre nach den Ereignissen aus „Das Drachenlied“.
Alberich und seine Gefährten sind von der Reise zu dem Drachen heimgekehrt und verteidigen seitdem gemeinsam den Hort. Bis zu dem Tag, als Alberich Kriegstrommeln hört und von einem Zwerg angegriffen wird. Diese aktuelle Bedrohung verknüpft Kai Meyer geschickt mit der Geschichte der Zwergenkriegerin Grimma, die nach einem Angriff der Nordlinge ausgeschickt wird um die alte Zwergenstraße und das Nordland auszukundschaften. Dabei erfährt man auch wie Alberich in den Besitz der Tarnkappe kommt, und wieso er der letzte Zwerg in dem Berg ist.

4. Die Hexenkönigin
In „Die Hexenkönigin“ wird die Geschichte der jungen Kriemhild erzählt.
Die Pest wütet und immer mehr Menschen sterben. Doch aufgrund einer Prophezeiung glaubt Kriemhild, dass sie zu einer berühmt berüchtigten Hexe reisen muss um das Burgunderreich retten zu können. Diese Reise führt sie allerdings genau durch das von der Pest heimgesuchte Land. Unterwegs lernt sie den fahrenden Sänger Jakobus kennen, der glaubt, dass ihn die Götter selbst verfolgen, weil er Wodan bestohlen hat. Auf dieser Reise begegnet uns auch Hagen von Tronje wieder.


Stil und Sprache
Kai Meyer schafft es, den Leser mitten in das Geschehen seiner Bücher zu ziehen. Es ist fast so, als wäre man selbst dabei. Und da es sich bei diesem Buch um Vorgeschichten handelt, muss man auch nicht die Nibelungensage kennen.
Wo sich Kai Meyer bei Hagen von Tronje und Kriemhild auf die Charaktere konzentriert, geht es bei den Geschichten von Alberich eher um die Gruppe von Gefährten, was teilweise schon ziemlich stark an „Der Herr der Ringe“ oder „Der Hobbit“ erinnert. Nicht die einzige Ähnlichkeit zu J.R.R. Tolkiens Meisterwerken. Im Buch „Der Zwergenkönig“ findet man folgenden Satz: „Trommeln! Trommeln in der Tiefe!“. Die „Herr der Ringe“-Fans werden diesen Satz wohl noch in Erinnerung haben.

Das Erzähltempo in dem Buch schwankt von Geschichte zu Geschichte, aber ist immer angemessen.
Die Handlung wird aus der Sicht der Charaktere erzählt, wobei es nicht immer der Hauptcharakter sein muss. So wird bei Alberichs Geschichte mal aus seiner Sicht, dann wieder aus der Sicht von einem seiner Begleiter erzählt. Diese Sichtwechsel werden so eingesetzt, dass man immer am Ort des Geschehens ist, während bei den anderen Gefährten gerade nichts passiert.
Als einzigen negativen Punkt muss ich allerdings das Ende von „Die Hexenkönigin“ nennen. Dort passiert sehr viel und man muss manche Dinge mehrmals lesen, um sie wirklich zu verstehen, da auch nicht alles wirklich logisch ist.


Figuren
Ich werde hier nur auf die drei Hauptcharaktere eingehen, da es sonst den Rahmen sprengen würde, aber Grundsätzlich sind alle Figuren gut ausgearbeitet und haben alle ihre Beweggründe für ihre Taten, so dass man sich nie fragt: „Wieso tut der das denn jetzt?“ Außerdem fällt positiv auf, dass die Helden sehr weit von den bekannten Klischees entfernt sind. So kämpfen sie nicht aus reiner Nächstenliebe, sondern z.B. in Alberichs Fall um die Rettung des Hortes.

Hagen von Tronje:
In seiner Kindheit ist er noch ein normaler Junge mit Flausen im Kopf. Das ändert sich erst, als er sich bei einem verbotenen Ausflug zum Rhein den Fluch des Siebenschläfers auflädt. Von da an folgt ein Unglück auf das nächste und er wird zu dem Krieger, um den es in dem anderen Erzählstrang geht. Dort ist er bei einer Schlacht an den Augen verletzt worden, wobei er auf einem Auge später wieder sehen kann und das andere Blind bleibt. Als er aber schon denkt, dass er nun sterben muss, erscheint ein Mädchen bei ihm, das mit ihm eine Reise zu einem Ort am Rhein antritt. Hagen ahnt nicht, was ihn dort erwarten wird…

Sein Charakter ist schwer zu beschreiben. Auf der einen Seite kann man sich gut in seine Lage versetzen, auf der anderen tötet er aber auch Unschuldige ohne mit der Wimper zu zucken. Am Ende bleibt aber das Bild von einem Mann mit einem schweren Schicksal, dessen einziger Ausweg der Tot wäre, aber diesen Gefallen, will er dem Siebenschläfer nicht tun.

Alberich der Horthüter:
Er ist ein unfreundlicher Zwerg und für seine Wutausbrüche bekannt. Mit seiner ruppigen Art möchte er aber nur seine wahren Gefühle überspielen. In Wirklichkeit ist er froh, dass er so gute Gefährten gefunden hat. Aber wie er selbst sagt, würde er sich eher selbst mit der Axt spalten, als es seinen Gefährten zu sagen. Mit diesem Charakter konnte ich mich in diesem Buch am meisten anfreunden. Er ist zwar ein mürrischer Kerl, aber im Grunde seines Herzens doch auch ganz nett. Solche Menschen kennt wohl jeder von uns.

Kriemhild:
Sie ist noch ein junges Mädchen, 16 Jahre alt, und als kratzbürstig zu beschreiben; sie streitet sich ständig mit ihrem Begleiter Jakobus, obwohl sie ihn eigentlich gerne mag. Da sich ihr Charakter im Laufe der Geschichte am meisten verändert, ist es ziemlich schwer, sie genauer zu beschreiben.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist für ein Taschenbuch schön gestaltet, auf dem Cover sieht man ein Bild aus dem Mittelalter und den Titel. Ansonsten ist es von der Aufmachung her halt nur ein Taschenbuch. Schön wäre gewesen, wenn noch eine Karte abgedruckt wäre, damit man die Handlung besser verfolgen könnte.


Fazit
Ein sehr schönes Buch, das sich jeder, der mittelalterliche Bücher gemischt mit Fantasy-Elementen mag, einmal durchlesen sollte. Pluspunkte sammelt das Buch für die tolle Handlung, die guten Charaktere und durch Anlehnungen an den Herrn der Ringe.
Negativ fällt da nur die fehlende Karte, die meiner Meinung nach manchmal etwas knappen Nebencharaktere und vor allen Dingen das ziemlich unlogische Auftauchen von Etzel dem Hunnenprinzen auf.

Alles in allem ist es aber doch ein fantastisches Buch, mit minimalen Abzügen. Deshalb gibt es von mir eine 4,5.


4 5 Sterne


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