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Die Waisen Eliot und Fiona Post leben bei ihrer Großmutter ein schrecklich unspektakuläres Leben. Die Zwillinge werden zu Hause unterrichtet, und ihre größte Sorge ist es, gegen eine der >>106 großmütterlichen Regeln<< zu verstoßen! Doch am Tag vor ihrem fünfzehnten Geburtstag erfahren Eliot und Fiona mehr über ihre Herkunft, als ihnen lieb ist. Ihre Eltern leben! Doch ihre Verbindung war von allen Mächten des Universums verboten. Denn während ihre Mutter eine unsterbliche Göttin des Himmels ist, stellt sich ihr Vater als ein gefallener Engel aus der Hölle heraus. Mit der besonderen Abstammung der Zwillinge gehen einzigartige Kräfte einher, und die wollen nicht nur die höllischen Verwandten ihres Vaters für sich nutzen, auch die himmlische Familie ihrer Mutter will die Kontrolle über sie erlangen. Plötzlich ist es wichtiger als je zuvor, dass die Zwillinge zusammenhalten - denn wenn sie die falschen Entscheidungen treffen, werden sie die Ordnung der Welt erschüttern!

 

Gemini  Originaltitel: Mortal Coils
Autor: Eric Nylund
Übersetzer: Maike Claußnitzer
Verlag: Penhaligon
Erschienen: April 2010 
ISBN: 978-3-7645-3049-5
Seitenzahl: 764 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Der Klappentext gibt bereits zu viele Informationen preis - Informationen, die im Buch erst nach mehreren hundert Seiten enthüllt werden.
Der Plot enthält einige Elemente, die deutlich an Harry Potter erinnern: Kinder mit besonderen Fähigkeiten und einer außergewöhnlichen Herkunft werden - völlig isoliert von allem, was ihre Besonderheit zu Tage treten lassen könnte - erzogen. Doch eines Tages kommt die große Wende und ein völlig anderes Leben, voll fantastischer Begebenheiten, beginnt. Doch Gemini geht ganz andere Wege, wenngleich die eine oder andere Gemeinsamkeit sich nicht verleugnen lässt.

Fiona und Eliot werden als Folge einer himmlisch - höllischen Liebe geboren. Doch wessen Fähigkeiten haben sie geerbt, welches Erbe sollen sie antreten? Hineingeboren in einen Zwist, stehen sie zwischen den Fronten. Jede Partei erhebt Anspruch und möchte ihre Macht und ihre Kräfte korumpieren. Um eine Antwort zu finden, werden ihnen drei Heldenprüfungen von der einen Seite und drei Versuchungen von der anderen höllischen Seite auferlegt. Sind die sorgsam von der Welt abgeschnittenen Kinder diesen gewaltigen Herausforderungen gewachsen?

Nylund schreibt von einem ganz besonderen Szenario, eines, das vor Möglichkeiten und Ideen nur so strotzt. Es gelingt ihm jedoch nur bedingt, aus all diesen Möglichkeiten etwas zu erschaffen, was dem Szenario wirklich gerecht wird. Immer wieder verliert sein Plot an Tempo und der Spannungsbogen erreicht nie wirkliche Höhepunkte, obwohl es mehrfach zu spektakulären Kämpfen kommt. Dafür sind seine Charaktere brilliant gezeichnet und mit der Akribie, die einem Dokumentationsentwickler von Microsoft zu Eigen sein muss, ausgearbeitet. 


Stil und Sprache
Nylunds Schreibstil lässt sich recht anschaulich beschreiben. Ihn zeichnet fast alles aus, was auch die Werke von Joanne K. Rowling auszeichnete: die Wortwahl ist einfach, schlicht und für jedermann gut lesbar, doch gibt es einen prägnanten Unterschied. Nylund verwendet eine Vielzahl an Fachbegriffen aus allen Bereichen, von der Medizin über die Botanik bis hin zu völlig abstrakten Bereichen, die das, was die Zwillinge ausmacht, erst greifbar und fühlbar machen. Diese Begriffe werden jedoch immer sofort erklärt - entweder im Verlauf des Textes oder anhand von Fußnoten. Die gibt es im Buch übrigens reichlich, was nicht gerade jedermanns Lesegeschmack trifft. Doch gerade diese Fußnoten sind es, die Gemini zu einem sehr glaubhaften, sehr fühlbaren Leseerlebnis machen. Hier wird munter auf Bücher und Lexika als Quellennachweis verwiesen. Werke wie "Pater Sildas Pius, Mythica Improba" oder "Victor Golden, Goldens Handbuch der außergewöhnlichen Bücher" verwiesen. Das Ganze ist so geschickt mit real existenten Fakten und der bekannten Mythen- und Sagenwelt verwobenen, dass man sich hin und wieder dabei ertappt, die eine oder andere Information als real und potentiell existierend zu betrachten. Dies trifft ab und an sogar zu, man weiß jedoch nie wann dem so ist, es sei denn man beginnt selbst zu recherchieren, um die Grenze zwischen Fiktion und Wirklichkeit zu erkennen. Dies ist Nylund wahrlich meisterhaft gelungen; die Grenzen zwischen der realen Welt und einer der unbegrenzten Möglichkeiten verschwimmen noch mehr als in Harry Potter. 

Allerdings gelingt es Nylund nicht, die Spannung schrittweise aufzubauen. Zunächst beginnt er sehr gemächlich, so dass auf den ersten 300 Seiten kaum etwas passiert. Dann beginnt die erste Prüfung und für die Dauer dieser Prüfung zieht das Erzähltempo an, um anschließend wieder in den gemächlichen Stil zurückzufallen. Es geschieht eine Weile nichts nennenswertes, bis dann die nächste Prüfung stattfindet, welche deutlich spektakulärer und gefährlicher ist als die erste. In diesem Stil geht es weiter, um schließlich in einem großen Showdown zu münden. Doch danach kommt wieder der lahme Trott vom Anfang und auf den letzten 50 Seiten geschieht wieder nichts wirklich Interessantes. Der Ausblick auf den zweiten Band und die Geschehnisse, die den Leser dort erwarten, hinterlassen sehr zwiespältige Gefühle. Es bleibt zu hoffen, dass Nylund mit dem zweiten Band von Gemini eigenständig bleibt und nicht zu einem billigen Potter-Plagiat verkommt. Denn dann hat er sein gesamtes Potential wirklich nutzlos verschwendet.


Figuren
Eliot und Fiona Post sind zwei völlig typische Teenager, mit allen Problemen und Ängsten, die Jugendliche in diesem Alter so haben. Diese sind sehr ausführlich umschrieben und dargestellt. Sie beide wachsen bei ihrer Großmutter und ihrer Urgroßmutter auf. Ihre Eltern sind tot, doch nie erzählt man ihnen etwas über sie. Jedes Gespräch, das in diese Richtung tendiert, wird von ihrer Großmutter gnadenlos abgeblockt und im Keim erstickt. Ihr Leben verläuft ohne jede Besonderheit, ohne irgendwelche Dinge, auf die sie sich freuen könnten. Die 106 Regeln, die ihren Tagesablauf und ihr komplettes Dasein streng reglementieren, lassen nichts zu was normale Kinder in ihrem Alter so haben. Sie kennen weder Fernseher noch Radio, Musik und jede Art von elektronischen Medien sind ihnen untersagt. Alles, was sie wissen und kennen, haben sie aus Unmengen von Büchern, doch auch hier sind ihnen bestimmte Bücher verboten.
Am Tage ihres fünfzehnten Geburtstages beginnt diese Fassade monotoner Tristesse - mit dem Gefühl eingesperrt zu sein -, Risse zu bekommen. Ihre Familie erfährt von ihrer Existenz. Sofort ist klar, dass man ihr Vorhandensein nicht verleugnen kann. Die beiden Parteien - unsterbliche Götter und gefallene Engel - sind in ihrer Darstellung jedoch irgendwie nicht so gelungen. Sie unterscheiden sich zu wenig; die Unsterblichen ähneln in ihrem Verhalten viel zu sehr den Höllischen. Sie sind ebenso intrigant und egoistisch wie diese und besitzen keinerlei Werte, die sie von ihnen abheben. Hier hätte meiner Meinung nach viel deutlicher differenziert werden müssen. Nylund schmeißt beide in den selben Topf, beide Parteien sind ohne mit der Wimper zu zucken bereit, jedes beliebige Leben zu opfern, das ihren eigenen Zielen im Wege steht. "Toll, keine schwarz-weiss-Malerei", werden hier viele sagen, aber wenn man ganz klar das Bild zweier konkurrierender Parteien zeichnet, die das Mächtegleichgewicht von Gut und Böse verkörpern sollen, dann hat man eigentlich kaum eine andere Wahl. Die Höllischen sind zwar im Gegensatz zu den unsterblichen Göttern in den Totenreichen zu Hause und geben sich dort dem Peinigen und Foltern hin, doch auch die Göttlichen töten und morden ohne jede Moral. Eingebettet in eine temporeichere Handlung könnte es dennoch funktionieren. In der vorliegenden Form ist es einerseits faszinierend, andererseits etwas ermüdend. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen und es entsteht etwas, das irgendwie dazwischen liegt. Dies ist jedoch nicht so recht greifbar und erschließt sich auch dem Leser nur unzureichend. Trotz allem werden beide Parteien jeweils aus ihrer eigenen Perspektive beleuchtet und sehr ausführlich beschrieben.


Aufmachung des Buches
Die Umschlaggestaltung von Gemini ist rundum gelungen. Wenn man das Buch sieht, verspürt man als Büchernarr sofort den Wunsch es in die Hand zu nehmen und darin zu blättern. Der Schutzumschlag ist in einem dunkeln Saftgrün gehalten, die goldenen Linien, welche den Apfel in der Mitte umrahmen, wurden mit Goldfolie aufgewalzt. Entfernt man den Schutzumschlag, hält man ein recht schlichtes, grünes, in Leinen gebundenes Buch mit goldenem Lesebändchen in Händen, welches keine besonderen Merkmale aufweist. Die Schriftgröße und das Seitenlayout sind angenehm und gut lesbar. Bilder, ein Glossar oder ein Namensverzeichnis gibt es nicht.


Fazit
Ein gutes Buch, das von einer Kürzung deutlich profitiert hätte. Man merkt Nylund an, aus welchem Backround er kommt. Er arbeitet sehr sorgfältig und konstruiert eine gute, komplexe Geschichte. Es gelingt ihm aber nicht, die Aura von Geheimnissen und mysteriösen Vorkommnissen aufzubauen, von denen ein solches Buch lebt. Stattdessen wirkt es an vielen Stellen deutlich zu langatmig und langsam. Dennoch ist es auf jeden Fall einen Blick wert, denn die Figuren sind sehr greifbar beschrieben und als Leser darf man an all ihren Emotionen und Abenteuern intensiv teilhaben.


3,5 Sterne


Hinweise
Rezension von Thomas Lang
Herzlichen Dank an den Penhaligon-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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