Drucken
Kategorie: Abenteuer

Billy, Charlie und Black Tom sind unzertrennlich. Und das hat seinen Grund, denn im Londoner East End, das von Bettlern, echten Schlägertypen und Gaunern bevölkert ist, kann man nur schwerlich allein überleben! Zum Glück können die drei Freunde auf den Schutz eines gewissen Sherlock Holmes zählen, für den sie bisweilen als Straßenspione arbeiten …
Doch als Black Toms Freundin vor ihren Augen entführt wird, müssen unsere Helden schnell handeln und die zuvor bei ihrem Mentor gelernten Lektionen in die Tat umsetzen, um Betty zu retten. Dabei steht ihnen unterwartet ein vierter kleiner Strolch zur Seite. Platz für die „Vier von der Baker Street“, das jüngste Detektivteam der viktorianischen Epoche! 

 

 

Originaltitel: Les Quatre de Baker Street 1 - L'affaire du rideau bleu
Autor: Jean Blaise Djian, Olivier Legrand
Übersetzer: Tanja Krämling
Illustration: David Etien
Verlag: Splitter
Erschienen: September 2010
ISBN: 978-3-86869-173-3
Seitenzahl: 56 Seiten
Altersgruppe: ab 11-12 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)

Hier geht's zur Leseprobe


Die Grundidee der Handlung
Die Verlagsinhaltsangabe gibt schon einen sehr ausführlichen Überblick über das Geschehen von Band 1, so dass ich dem nicht mehr viel hinzufügen möchte. Wie man im Titelbild erkennen kann, handelt es sich bei dem „vierten Strolch“ um eine Katze, doch diese hält sich im Auftaktband noch bescheiden im Hintergrund und trägt nicht viel zum Handlungsverlauf bei, was sich aber sicherlich in den Folgebänden ändern wird.

Die rasante Verfolgungsjagd nach den Entführern von Toms Freundin Betty bietet Jung und Alt eine äußerst unterhaltsame, kurzweilige Lektüre, in der unsere drei gewitzten, unerschrockenen Lausebengel weder vor  bösen Halunken und Zuhältern noch zwielichtigen Spelunken und Freudenhäusern haltmachen. Ihre Charaktere sind sehr schön herausgearbeitet, schnell baut sich Nähe und Sympathie auf, so dass man ihr waghalsiges Abenteuer mitten durch die gefährlichsten Viertel Londons mit einem leisen Lächeln verfolgt, in der absoluten Gewissheit, sie würden es – egal was passiert – schon unbeschadet überstehen, denn die drei Spürnasen sind echte Straßenkinder, die sich immer zu helfen wissen, wenn es heißt, aus brenzligen Situationen einen Ausweg zu finden. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen – eine Tatsache, die die Warterei auf den nächsten Band, der für Februar 2011 angekündigt ist, weitaus angenehmer gestaltet, als wäre am Schluss ein Cliffhanger.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Eines muss ich gleich vorneweg loswerden: David Etiens Zeichnungen gehören handwerklich mit zum Schönsten, was mir bisher im frankobelgischen Stil begegnet ist. Eine beachtliche Leistung für einen Zeichner, dessen insgesamt viertes Album dieser Comic erst ist (nach der 3teiligen Serie Chito Grant). Egal ob Protagonisten oder Hintergründe, weitläufige Perspektiven oder Nahaufnahmen, alles ist äußerst akribisch, mit feinem Federstrich und einem untrüglichen Gespür für das Milieu wiedergegeben. Es sind schon fast zu viele kleine Details, die einen bannen und unmöglich mit einem Mal Lesen erfasst werden können. Da ist es nur selbstverständlich, dass auch Mimik und Augenausdruck der Figuren immer eindeutig ablesbar sind, genauso ihre Körperhaltung und Gesten. Und trotz einer großen Anzahl an Personen, hat hier jeder sein ganz individuelles Aussehen und Merkmal – alles Beweise für das außerordentliche Talent dieses jungen Zeichners.
Das absolut Erstaunlichste sind jedoch die ungewöhnlichen Perspektiven und Blickwinkel, mit denen Etien das Geschehen inszeniert und gleichzeitig dem Artwork seinen ureigensten Stempel aufdrückt. Mal richtet sich der Blick aus der Vogelperspektive, vom Dach oder einem Fenster nach unten, ein anderes Mal vom Kopfsteinpflaster und vom Fußboden hinauf, zwischen den Rädern eines Fuhrwerks hindurch oder über jemandes Schulter hinweg – bei Etien ist alles möglich und dadurch ein wenig anders als das sonst Übliche.
Auch wenn die drei Rabauken die Bekanntschaft mit Straßendirnen machen und es sie später sogar ins Innere eines Bordells verschlägt, bewahren die Szenen dennoch eine gewisse ‚Unschuld‘ in Wort und Bild, so dass der Comic ohne Bedenken von älteren Kindern ab zirka 11 Jahren gelesen werden kann.

Bei der Kolorierung verwendet Etien überwiegend gedeckte, warme Erdfarben, es gibt jedoch auch Szenen, wo er z.B. Smaragdgrün für die Dächer und den Himmel während der Abenddämmerung einsetzt oder im Bordell provozierendes, anrüchig wirkendes Violett, Pink und Mintgrün. Leider gibt es zwischen der Online-Leseprobe und den bedruckten Seiten Abweichungen in den Farbkontrasten und der Leuchtkraft. Im Comic fallen die ohnehin schon gedeckten Farben insgesamt dunkler, stumpfer und weniger kontrastreich aus, weshalb es denkbar wäre, dass diese Schwächen nicht auf Etien, sondern den Druck zurückzuführen sind. Bei taghellen bzw. sich im Freien abspielenden Szenen fallen die Unterschiede kaum ins Gewicht, doch bei harmonischen Ton-in-Ton Bildstrecken, die sich in dunklen oder schwach beleuchteten Räumen abspielen, vermischt sich alles zu einem kräftig-dumpfen Einheitsfarbenbrei, was sowohl die an sich tadellosen Zeichnungen als auch meine Lesefreude etwas schwächten.

Die Panels sind auf den weißen Seiten mit einigen Millimetern Abstand angeordnet, sie variieren in Größe und Zuschnitt und passen sich dem Geschehen wunderbar an. Für Bildausschnitte sind sie klein oder länglich schmal gehalten, bei weitläufigeren Perspektiven können sie auch ein Drittel oder gar die Hälfte der Seite einnehmen. Da die Handlung primär mit tempo- und actionreichen sowie atmosphärischen Bildern inszeniert ist, gibt es nicht allzu viel zum Lesen, dabei begegnen einem Sprechblasen- und Erzähltextdarstellungen in der gewohnten, comictypischen Form, ebenso die Geräuschzeichen. Diese sind farbig und können teilweise ganz schön groß ausfallen, was ich aber niemals störend oder aufdringlich empfand.


Aufmachung des Comics
Wie für Splitter typisch, handelt es sich auch bei diesem Comic um eine solide gebundene Aufmachung mit hochglänzenden Umschlagdeckeln im Über-A4-Format. Die beigefarbenen Vor- und Nachsatzblätter sind mit einer Skizze aus dem Comic in blassem Weinrot bedruckt. Ein Vorwort hat der Comic auch zu bieten, dieses stammt von keinem geringeren als Regis Loisel. Er ist ein alter Weggefährte von Autor Jean-Blaise Djian. Leider kann ich kein abschließendes Urteil über die Druckqualität abgeben, denn Mängel in Farb- und Kontrastintensität bei der Kolorierung könnten – wie schon erwähnt – von einem minderwertigen Druck herrühren.

Auf dem schön gestalteten, ansprechenden Titelbild sind die vier Helden aus der Geschichte zu sehen. Das Motiv ist gut gewählt und aufschlussreich. Die Rückseite hat einen braunen Untergrund, von dem sich in der oberen Hälfte die Inhaltsangabe in den Farben Weiß und Gelb vorteilhaft abhebt. Im unteren Teil kann man schattenhaft in einem dunkleren Braun die Umrisse der Vier erkennen, wie sie im Laufschritt über Londons Dächer sprinten.


Fazit
Gelungener Auftakt zu einer abenteuerlichen, insgesamt vierteiligen Historienreihe um drei Straßenkinder und eine Katze, die es bei ihrer Schnüfflertätigkeit in die verruchtesten und gefährlichsten Ecken Londons verschlägt. Ein garantiert vergnüglicher Lesespass für Jung und Alt, gebettet in hochwertige, wunderschöne Zeichnungen. Lediglich Schwächen in der Kolorierung trüben ein wenig den positiven Gesamteindruck.


4 Sterne


Hinweise
Diesen Comic kaufen bei: amazon.de