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FURIOUS LOVE ist eine wilde, verrückte Geschichte um Liebe, Lust und Leidenschaften im Japan der Edo-Zeit. In den Hauptrollen: der weltberühmte Künstler Hokusai, seine Tochter O-Ei und sein Epigone Sutehachi – der den großen Meister des Holzschnitts nicht nur künstlerisch überflügeln möchte, sondern auch den amourösen Verlockungen des Lebens nur allzu gerne erliegt…

LADY SNOWBLOOD-Zeichner Kazuo Kamimura entwirft in dieser fiktiven Geschichte nicht nur ein fröhlich-unkeusches Sittenbild eines Künstlermilieus vergangener Zeiten – ihm gelingt zugleich auch das Kunststück, immer wieder Ausschnitte einzubinden, ohne dass die dramatische Erzählung an Fahrt verliert.

Der Abschlussband des dreiteiligen Gekiga-Klassikers!

 

 

Originaltitel: Kyojin Kankei Vol. 3 
Autor: Kazuo Kamimura
Übersetzer: Jürgen Seebeck
Illustration: Kazuo Kamimura
Verlag: Carlsen Manga
Erschienen: September 2010
ISBN: 978-3-551-79163-4
Seitenzahl: 360 Seiten
Altersgruppe: ab 16 Jahren


Die Grundidee der Handlung
Im dritten und letzten Teil von ‚Furious Love‘ bricht Kazuo Kamimura erneut mit allem davor Gewesenen. Er greift zwar wieder die lose zusammenhängende, episodische Erzählform des 1. Bandes auf, doch diesmal fehlt es ihr an Aussagekraft, der Humor ist bar jeder scharfzüngiger Ironie, ich empfand ihn nur noch platt und niveaulos, aber am meisten vermisste ich die Glaubwürdigkeit des Ganzen. Nach dem Lesen war ich regelrecht fassungslos. Wüsste ich es nicht besser, würde ich behaupten, hier wäre ein Wahnsinniger am Werk gewesen. Man sagt nicht umsonst, Genie und Wahnsinn liegen dicht beieinander. Leider wird uns hier letzteres in übelster Form präsentiert. Im Nachwort schreibt Kazuo Kamimura über Hokusai, den Urvater des Manga: „Er ist der einzige bedeutende Mann, mit dem ich mich verbunden fühle.“ ‚Furious Love‘ soll offensichtlich eine Verbeugung vor seinem „großen Freund“ sein, doch das, was der Mangaka hier abliefert, ist dem ferner denn je.

Ein paar Beispiele für Kamimuras Entgleisung: Gleich im ersten Kapitel bringt Sutehachi 27 Tage nach O-Shichis Enthauptung ihren Schädel daher. Abgesehen davon, dass sich der Totenkopf zum Schluss (selbstverständlich) als Irrtum herausstellt, wie hätte der Echte denn in so kurzer Zeit verwest sein sollen? Nicht minder absurd kam mir die Abtreibungsszene bei nächtlichem Mondschein auf einem Boot ab Seite 322 vor oder die auf einen Wandschirm gezeichneten Vögel, die urplötzlich davonfliegen (Seite 350). In einem anderen Kapitel werden wir zu allem Überfluss mit den Stuhlgangproblemen von Hokusais Verleger konfrontiert, dargebracht in widerlichster Fäkalsprache. Und es kommt sogar noch besser: Meister Enma, der König der Unterwelt (Teufel) hat Probleme mit seinem besten Stück und schickt nun einen Vertreter zu Sutehachi, damit dessen erotische Zeichnungen seinem Problem auf die Sprünge helfen mögen – Oje, kann ich da nur sagen!


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Im Gegensatz zum schwachen Inhalt bleibt die Qualität von Kamimuras Zeichnungen in diesem 3. Band glücklicherweise konstant hoch. Er besticht mit einem höchst abwechslungsreichen Stil, angefangen bei einer eleganten, feingeschwungen Strichführung, oft bei Erotik- oder Tragikszenen angewandt, über eine gnadenlos realistische, historisch authentische Optik, die er genauso meisterlich beherrscht, bis hin zu einem zurückgenommenen karikierten Strich. Letzterer kommt immer dann besonders gut zur Geltung, wenn er namenlose Statisten darstellt. Mit nur wenigen Strichen erhält jeder von ihnen ein individuelles Aussehen und einen noch treffenderen eigenen Charakterzug verpasst – von groß bis klein und jung bis alt. Die Grafiken sind zwar kontrastreich, aber insgesamt recht düster gehalten, Schwarz und dunkle Grautöne überwiegen, was von den großflächigen Rasterunterlegungen herrührt.

Einen Ausflug aus der trostlosen Realität stellt Sutehachis phantastische Begegnung mit der Unterwelt im Doppelkapitel ‚Einmal Hölle und zurück‘ dar. Der Abgesandte der Unterwelt (Hölle) ist ein kleines, glatzköpfiges verhutzeltes Männlein mit Segelohren und einer Hakennase, die schon fast an einen Rüssel erinnert. Er hält einen langen Stab in der Hand und ist in einen schlichten Kimono gehüllt. Doch er ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die Unterwelt selbst, der Sutehachi in Begleitung des Gnoms einen kurzen Besuch abstatten darf. Dort angekommen, wird er als erstes von Can-Can tanzenden Männern im Tigerslip willkommen geheißen. Kurz danach steht er dem Gott der Unterwelt gegenüber. Dieser stellt sich als haariger, lüsterner Hüne heraus, der sich gerade mit zwei nackten Frauen vergnügt. Gegen seine riesige Gestalt wirken alle anderen wie Puppen. Und weiter geht’s, vorbei an Bildern mit Orgien aus Gewalt und Sex sowie jede Menge leidgeplagter Seelen, bis der Gnom Sutehachi in eine Halle mit brennenden Kerzen führt, eng aneinandergereiht auf Regalbrettern. Jede Kerze steht stellvertretend für ein Menschenleben, erlischt diese, hat des Menschen letztes Stündlein geschlagen. Thematisch passt das gesamte Unterwelt-Kapitel zwar überhaupt nicht ins Konzept der Serie, doch davon mal abgesehen, empfand ich die gesamte Illustrierung ganz gut und einfallsreich umgesetzt.

Die Panels begegnen einem auch diesmal wieder in unterschiedlichster Größe, von ganz klein bis doppelseitig. Gerade bei den kleinen Bildern schätze ich es sehr, dass diese nie überladen sind, weder mit Gezeichnetem, noch mit Text, oder dass die Ausdruckskraft der dargestellten Protagonisten nichts einbüßt. Kamimura schafft es beispielsweise, Kinder auf der Straße nicht größer als 1 cm zu zeichnen, dennoch drücken diese winzigen, vor Leben strotzenden Energiebündel alles aus, was für Handlung und Stimmung notwendig ist. Ja, und die großen ein- und doppelseitigen Panels sind sowieso absolute Eye-Catcher, von denen man sich kaum trennen mag. Oft ahmen sie historische Holzschnittmotive nach und bezaubern mit Anmut und Poesie.

In der Textdarstellung erleben wir nichts Neues, alles verhält sich genauso wie schon im 1. und 2. Band der Miniserie. Große Sprechblasen mit viel Text wechseln mit textlosen Seiten ab, so dass auch hier wieder ein ausgewogenes, lesefreundliches Bild-Text-Verhältnis herrscht.


Aufmachung des Manga
Der 3. Band ist in der gleichen Aufmachung (Klappenbroschur) verlegt wie seine beiden Vorgänger. Genauso reiht sich die Covergestaltung nahtlos in die Reihe ein. Das Titelbild zeigt diesmal Hokusais Tochter O-Ei. Sie ist eine tragische Figur und hat in der Story mehr als einmal Grund zum Weinen.
Im Anhang befindet sich ein zweiseitiges Nachwort des Autors, betitelt mit „Mein großer Freund Katsushika Hokusai“, in dem er eine ganz persönliche Huldigung an den großen japanischen Künstler ausspricht, danach folgen auf 3 Seiten Anmerkungen zum Inhalt (Glossar), ein in den 1970er Jahren aufgenommenes Schwarz-Weiß-Foto des verstorbenen Mangaka und zuletzt eine Skizzenseite zum Manga.


Fazit
Nur aufgrund des hochqualitativen, vielschichtigen Zeichenstils vergebe ich für den Abschlussband von ‚Furious Love‘ 2,5 Sterne, denn inhaltlich ist er ein absolutes ‚No Go‘. Unglaublich, wie tief Kazuo Kamimura die bisher recht gelungene historische Miniserie um sein Idol, den weltberühmten Holzschnitt-Künstler Katsushika Hokusai, mit dem letzten Teil runterzieht. Sehr schade!


2 5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
- Band 1
- Band 2

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