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Ruhrort, 1861: Dunkle Seiten im Land von Stahl und Kohle
Lina hat es geschafft: Ihr kleiner Modesalon ist in aller Munde. Wie viele Bewohner des Städtchens hat sie die Aufbruchsstimmung der letzten Jahre genutzt und sich nach ihrer Hochzeit mit Commissar Robert Borghoff selbständig gemacht. Ihre Welt wird erschüttert, als Anna Jansen erstochen wird. Wer hatte einen Grund, ihrer besten Näherin nach dem Leben zu trachten? Doch das ist erst der Anfang. Ein weiterer Mord geschieht. Und während ganz Ruhrort den traditionellen Maiball begeht, werden die Villen reicher Bürger geplündert. Nicht nur der Polizei fällt auf: Die Taten waren gut geplant, zeugen von genauer Kenntnis der Örtlichkeiten und Besitztümer. Und: Sie betreffen ausschließlich Linas Kunden. Misstrauen schlägt ihr entgegen. Gestern noch eine angesehene Bürgerin Ruhrorts, muss Lina nun ihre Ehre verteidigen. Dabei steht nicht nur ihr Ruf auf dem Spiel ...

 

Das_dunkle_Netz_der_Luegen  Autor: Silvia Kaffke
Verlag: Wunderlich
Erschienen: 17. Sept. 2010
ISBN: 978-3805208895
Seitenzahl: 496 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die Autorin Silvia Kaffke lebt in Duisburg-Ruhrort und hat schon mehrere Kriminalromane geschrieben. „Das rote Licht des Mondes“ jedoch war ihr erster historischer Krimi und mit „Das dunkle Netz der Lügen“ lässt sie ebenso wie im ersten Band den Polizeiobermeister Robert Borghoff und seine Frau ermitteln.
Die Autorin muss eine besondere Bindung zu ihrem Heimatort haben, denn als Schauplatz der Szenerie hat sie Ruhrort Mitte des 19. Jahrhunderts gewählt. Diesen Stadtteil von Duisburg und dessen Entwicklung hat sie so nochmals zum Leben erweckt. Die in den 1850er Jahren errichtete Hütte „Phoenix“ bot damals Arbeitsplätze für viele Männer, die dem harten Job im Schichtbetrieb nachgingen. Die sehr anstrengende und nicht ungefährliche Arbeit in diesem Werk wird in diesem Buch ebenso als Kulisse mit einbezogen wie die heute nicht mehr existierende Altstadt Ruhrorts. Detailliert und greifbar schildert die Autorin das Leben und Treiben Ruhrorts zur damaligen Zeit.


Stil und Sprache
Mit geradliniger und klarer Sprache zieht die Autorin den Leser schon mit den ersten Zeilen ins Geschehen. Atmosphärisch dicht und etwas düster zeigt sich der harte Alltag der Gründerzeit, in der Silvia Kaffke ihre Geschichte erwachen lässt. Die Industriealisierung ist in vollem Gange und nach der Krise ist auch der Aufschwung wieder zu spüren. Sehr subtil vermittelt die Autorin das Geschehen; die Verbrechen, die Morde, ja, auch über die beklemmende Atmosphäre, in der sich manch Figuren befinden, und in das oft karge Leben selbst bekommt man einen sehr realistischen und authentischen Einblick.
Silvia Kaffke hat die Gabe, nicht eine banale Geschichte zu erzählen, sondern dem Leser großes Kino in 3D zu bieten. Der tägliche Kampf ums Überleben der Armen wird ebenso plastisch geschildert wie die harte und gefahrenvolle Arbeit im Stahlwerk, der 11-Stunden-Tag der Näherinnen oder die Schufterei der Bediensteten. Das Buch ist zwar ein Kriminalroman, aber die Verbrechen dominieren die Szenerie nicht uneingeschränkt. Geschickt mit eingeflochten sind Diebstähle ebenso wie Einbruch und brutale Morde. Nie jedoch bekommt man das Gefühl von übertriebener Effekthascherei, sondern einen sehr realistischen Einblick menschlicher Abgründe und Brutalität.

Die stimmige und stringente Handlung verfolgt der Leser aus Sicht des Dritten. Mehrere Handlungsstränge erlauben ihm außerdem mehr zu wissen als die Figuren, was die Spannung stets steigert und man so das Buch kaum mehr aus der Hand legen möchte. Nicht auf eine verzwickt und schwierig zu lösende kriminalistische Story mit großartigem „Aha-Effekt“ am Ende ist das Augenmerk gerichtet, sondern viel mehr auf den psychologischen Antrieb und auch deren sehr sublime Analyse.


Figuren
Zweifelsohne wäre bei der Fülle an Figuren ein Personenverzeichnis sehr hilfreich gewesen, sind doch viele Figuren miteinander verwandt oder verschwägert.
Lina und Robert Borghoff sind die Protagonisten in einer relativ großen Anzahl an Darstellern. Keine strahlenden, blendenden Schönheiten mit wallendem Haar und sinnlichen Lippen, kein adonishafter und muskelbepackter Held und keine Lebensretter aus höchster Not sind hier zu finden, sondern Menschen, wie man ihnen überall begegnet. Nicht nur die Protagonisten sind facettenreich dargestellten, sondern alle vorkommenden Figuren – und das sind derer nicht wenige – sind mit viel Liebe zum Detail gezeichnet. Vielschichtige Charaktere mit allen Stärken und Schwächen des menschlichen Daseins werden hier lebendig. Mitfühlende, hilfsbereite und gerecht denkende Menschen, denen auch Fehler unterlaufen, sind in dieser Geschichte ebenso angesiedelt wie brutale, rücksichtslose und egoistische Psychopathen oder tumbes, engstirniges Pack. Man begleitet die Figuren in die verschiedensten Schichten der sozialen Ränge und erhält so einen wunderbaren, aber oft auch beklemmend und nachdenklich machenden Blick in die „gute alte Zeit“.


Aufmachung des Buches
Ein sehr schön gebundenes Buch mit einem - leider sehr selten – passenden Umschlagmotiv. Gerade bei historischen Romanen hat man den Eindruck, dass von den Verlagen sehr wenig bis gar nicht auf eine passende Covergestaltung geachtet wird. Da kann es schon passieren, dass am Buch, dessen Geschichte im 19. Jahrhundert spielt, ein Motiv aus der Renaissance zu sehen ist. In diesem Fall jedoch vermittelt das Cover, welches in dunklen, satten Farben gehalten ist, genau das, was den Leser auch im Buch erwartet! Das melancholisch düstere Stadtmotiv, auf dem im Hintergrund noch wage eine Fabrik zu erkennen ist, spiegelt das Geschehen hervorragend wider. Als besonderes „Zuckerl“ findet man einen Stadtplan, in dem die Häuser der im Buch vorkommenden Personen gekennzeichnet sind.

Das Buch ist in 15 Kapitel eingeteilt und am Schluss findet sich noch eine Danksagung der Autorin. Schade nur, dass ein Personenregister fehlt, dies wäre – wie schon erwähnt -  für den Leser sehr hilfreich gewesen. Ein kleines Manko – und dies wohl nur für einen Büchersammler erwähnenswert – ist, dass zwar das Layout des zweiten Bandes sehr schön dem des ersten Bandes angeglichen wurde, beim ersten Roman der Umschlag jedoch seidenmatt und beim zweiten hochglänzend gedruckt wurde.


Fazit
Wenn ein Butterbrot zum Luxus wird, ein kleiner Schnitt lebensgefährlich sein kann und die Verbrecherjagd noch ohne technische Hilfsmittel auskommen muss – heute unvorstellbar! Dieses Buch ist nicht einfach ein banaler Krimi, sondern beinhaltet eine fein gezeichnete Milieustudie, die Seinesgleichen sucht. Durch Mord und Einbruch bleibt der Spannungsbogen stets straff und so kann es sich die Autorin leisten, dem Leser auch einen sehr empathischen Einblick in das harte Leben der damaligen Zeit zu vermitteln.
Wer einen gehobenen Erzählungsstil liebt und Wert auf gut ausgeleuchtete Figuren legt, wird von diesem Roman sicher begeistert sein!
Eine absolute Empfehlung!


5 Sterne


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