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"Die gelbe Haut spannte sich straff über die Knochen, die Augenlider waren in die leeren Höhlen gesunken, die Lippen über die schwarz verfärbten Zähne nach oben gezogen. Eine schauerliche Totenmaske."

In den düsteren Kellerräumen einer heruntergekommenen Badeanstalt wird die mumifizierte Leiche eines Mannes gefunden. Detective Inspector Jessie Driver soll seine Identität klären. Doch ihre Ermittlungen werfen zunächst nur noch mehr Fragen auf, denn das düstere Gemäuer im Herzen von Soho birgt noch weitere dunkle Geheimnisse ...

 

haut_und_knochen  Originaltitel: The Unquiet Dead 
Autor: Gay Longworth
Übersetzer: Karl-Heinz Ebnet
Verlag: Knaur
Erschienen: 2006
ISBN: 978-3-426-63207-9
Seitenzahl: 460 Seiten
 

Die Grundidee der Handlung
Die mumifizierte Leiche eines Mannes gibt der Ermittlerin Jessie Driver Rätsel auf. Die Identität zu klären scheint nicht so leicht, wie sie anfangs glaubte. Durch ihre Recherchen sticht sie scheinbar in ein Wespennest und der Fall wird immer komplexer. Im Grunde liefert Gay Longworth hier einen reinen Polizeithriller mit einer emanzipierten raubeinigen Polizistin im Mittelpunkt. Mir hat jedoch weder der Plot noch dessen Umsetzung gefallen. Die Idee liest sich mühsam konstruiert, die Erklärungen um den Fall sind verwirrend – fast schon wirr – geschrieben, der Leser beginnt sich zu langweilen und das Element der Spannung fehlt fast vollständig.


Stil und Sprache
Die Autorin wählt die Erzählform aus ihrer Sicht, schafft es aber weder durch ihren Plot, noch durch ihre Art zu schreiben, auch nur die geringste Spannung aufzubauen. Ich konnte mich nur mühsam dazu aufraffen, dieses Buch zu Ende zu lesen, war zugegebenermaßen mehrmals versucht, es abzubrechen. Ich hatte beim Lesen von „Haut und Knochen“ das Gefühl, dass Gay Longworth jene Fakten, die sie im Buch unterbringen möchte, einfach aneinander reiht und mühevoll eine Story konstruiert, so dass das Buch zeitweise wie eine Aufzählung wirkt. Auch die gelegentlichen Versuche, witzig zu wirken, scheitern kläglich. Als erzählt wird, wie Detective Driver sich zum Schutz vor einer Infektion nach einem Überfall von Ratten von einem Leichenbestatter neben dem Seziertisch eine Tetanusinjektion in den Allerwertesten geben lässt, geht es meines Erachtens schon ins Groteske. Humorlos, bar jeglicher Spannung und ohne auch nur einen einzigen Höhepunkt plätschert dieses Buch auf dem Weg zur sehnsüchtig erwarteten letzten Seite dahin. Eine Qual für einen Krimifan, der vergeblich nach Fährten und roten Fäden sucht und ebenso enttäuschend für den Thrillerfan, der hochgradige Spannung zu entdecken sucht.


Figuren
Die Figuren sind so, wie der Rest des Buches auch: langweilig, flach, emotionslos. Weder erweckt eine Beschreibung Sympathie, noch Antipathie. Man liest über eine Person, nimmt deren Beschreibung zur Kenntnis. Ohne Gefühlsregungen. Ohne großes Interesse, ohne Neugier auf persönliche Hintergründe.

Die Protagonistin Jessie Driver begann mich nach kurzer Zeit zu langweilen, nervte mit dem ewigen Zögern und Zaudern in ihrer Beziehung zu einem umjubelten Popstar. Die andauernde Betonung ihres scheinbar nicht unbeträchtlichen Whiskeykonsum, ihres Faibles für Motorräder, ihrer maskulinen Art sich zu kleiden und ihres burschikosen Umgangs mit Kollegen wirkt maßlos übertrieben. Die ewig durchklingende Frage: „Soll ich mich für DJ entscheiden oder nicht?“ beginnt spätestens nach der dritten Wiederholung lästig zu werden und ist maximal eines unreifen Teenies würdig. Um das Maß voll zu machen, wird auch ein großer Mutterkonflikt auf ihre Schultern geladen – mir kam des Öfteren der Gedanke „Gay Longworth  – lassen Sie es jetzt endlich gut sein!“

Die Nebenfiguren sind blass und unbeeindruckend beschrieben, verärgert hat mich, dass Gay kaum auf eine der Hauptfiguren, Ann Eugenie Valeria Rose Scott-Somers, eingeht. Sie spielt im Grunde eine wesentliche Rolle im Buch, die Autorin befasst sich aber zum Großteil erst zum Schluss, und auch hier nur sehr wenig, mit ihr. Was sie aber dann schreibt, ist ebenso konstruiert und unrealistisch wie das ganze Buch.

Gay Longworth kann sich scheinbar auch nicht entscheiden, welchen Charakter sie einer Person geben soll. Mal erscheint die neue Vorgesetzte als knallharte Ermittlerin, die gnadenlos und hart durchgreift, dann mimt sie wieder die verständnisvolle Person, kurze Zeit später vermittelt sie Skrupellosigkeit und Heimtücke, um dann wieder als die große Trösterin und Vermittlerin aufzutreten. Ein weiterer (!) Mutterkonflikt wird einem Kollegen von Jessie zugeschrieben, der ebenso von einem Extrem ins andere wechselt. Zuerst der kumpelhafte Kollege, der Garant für gute Zusammenarbeit, dann wieder ein Denunziant und Intrigant, schließlich ein zerknirschtes Häufchen Elend, dem Mitleid gebührt und letztendlich der ehrenwerte aufrechte Gutmensch. „Was nun, Gay?“ Ich kann über diese Charaktere nur den Kopf schütteln und gebe es auf, sie verstehen zu wollen.


Aufmachung des Buches
Die Aufmachung dieses Buches ist meiner Meinung nach das Beste daran. Die drei Knochen, eingefügt zwischen Autor und Titel, schimmernd in grünlichem Licht, zeugen vom Hauptthema des Thrillers: dem Fund einer mumifizierten Leiche. Das Taschenbuch ist mit 460 Seiten zwar keineswegs als dünn zu bezeichnen, hat jedoch eine angenehme Schriftgröße. Während der Recherchearbeit auftauchende Zeitungsartikel werden in abweichender Schriftart dargestellt und verdeutlichen so schön den Übergang von der Erzählung der Autorin zum Zitat aus den Seiten des jeweiligen Blattes.

Zu guter Letzt möchte ich auch noch den Klappentext als mangelhaft bzw. irreführend kritisieren. Es werden „noch weitere dunkle Geheimnisse in dem düsteren Gemäuer im Herzen von Soho“ versprochen, auf die ich jedoch auch nach der letzten Seite des Buches immer noch warte. Pushen für einen guten Verkaufserfolg? Getextet, ohne das Buch zu lesen? Was auch immer der Hintergrund ist – es handelt sich keinesfalls um ein „Spannungshighlight von einer wahren Meisterin des Thrillers“, wie es jener Klappentext verspricht.


Fazit
Gay Longworth schreibt in ihrer Danksagung: „Unsere Tochter wurde nach langen Mühen geboren, das Gleiche lässt sich für dieses Buch sagen“. Nun – genau diesen Eindruck vermittelt es dem Leser auch. Dieses Buch war für meine Person eine große Enttäuschung und ich kann es beim besten Willen nicht weiter empfehlen. Ich vergebe daher auch das Minimum in der Bewertung, einen Stern.


1 Stern


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