Das Blut des Gerechten
München 1919: Paul wächst als Halbwaise im Haus seines reichen Onkels auf. Im Anwesen des Barons herrscht eine beklemmende Stimmung, beinahe täglich wird Paul von seinem Cousin Jürgen schikaniert. Als sich die beiden gleichzeitig in die wohlhabende Jüdin Alice verlieben, kommt es zu einem erbitterten Kampf. Jahre später stehen sie sich erneut gegenüber. Jürgen hat Karriere bei den Nationalsozialisten gemacht und verfügt über gefährlich viel Macht. Er will alle vernichten, die Paul am Herzen liegen – für Alice eine tödliche Bedrohung. Um sie zu retten, muss Paul das Unmögliche wagen …
Autor: Juan Gómez-Jurado |
Die Grundidee der Handlung
Wie sich schon aus dem Klappentext ergibt, handelt es sich bei „Das Zeichen des Verräters“ nicht um einen reinrassigen Thriller, wer einen irren Serienkiller und einen charismatischen Ermittler erwartet, wird enttäuscht werden. Vielmehr wird die Geschichte von Paul Reiner erzählt, wie er zunächst bei Verwandten aufwächst, sich später durchs Leben zur Zeit der großen Wirtschaftskrise schlägt, immer wieder auf Alice, seine große Liebe, trifft und sein ganzes Leben lang versucht, hinter das große Geheimnis um den Tod seines Vaters zu kommen. Dabei erlebt er immer wieder schlimme Dinge, muss sich wehren und um sein Leben kämpfen, so dass durchaus Thrillerelemente auftauchen in diesem Buch, die aber nicht bestimmend sind.
Stil und Sprache
Juan Gómez-Jurado wird gern als der „spanische Ken Follett“ bezeichnet und dieser Vergleich trifft es meiner Meinung nach ganz gut. Genau wie Ken Follett hat Gómez-Jurado einen flüssig zu lesenden, angenehmen Schreibstil, der den Leser schnell in die Geschichte hineinzieht und ihn nicht wieder loslässt, bis das Buch zu Ende gelesen ist. Mit einem mal flotteren, mal gemächlicheren Tempo setzt er Akzente, wo es wichtig ist, und fasst zusammen, wo Unbedeutendes langweilen würde. So gibt es immer wieder – teils große – Zeitsprünge, so dass man das Leben Paul Reiners in den entscheidenden Momenten begleiten kann. Seine Aufnahme und Mitgliedschaft bei den Freimaurern zum Beispiel wird relativ ausführlich immer dann in den Vordergrund gestellt, wenn sie gerade handlungsfördernd ist, ansonsten tritt dieser Aspekt etwas in den Hintergrund.
Der Logik folgend wird diese Lebensgeschichte überwiegend aus Pauls Perspektive in der dritten Person erzählt, einzelne Kapitel schildern aber auch Jürgens Sicht der Dinge. Wenn man dadurch sieht, wie die beiden ungleichen Charaktere immer wieder unaufhaltsam aufeinander zurasen, wird eine enorme Spannung aufgebaut, die erst ganz am Ende nachlässt, wenn eine wirklich hammerharte, stellenweise sehr brutale Auflösung diese Geschichte zu Ende bringt.
Figuren
Paul ist zu Beginn des Romans ein schüchterner Junge, lebt mit seiner Mutter im reichen Haushalt seines Onkels und versucht tagtäglich, seinem Cousin Jürgen aus dem Weg zu gehen. Seinen Vater hat er nie wirklich gekannt, ahnt aber, dass mit der Geschichte um ihn und seinen Tod irgendetwas nicht stimmen kann. So setzt er alles daran, die Wahrheit herauszufinden, und macht sich später sogar bis nach Afrika auf, um Hinweise zu finden. Und genau hier stecken die kleinen Ungereimtheiten: Einerseits ist Paul hochintelligent und clever genug, in der Wirtschaftskrise ohne jegliche Geldmittel zu überleben und sich sogar einen gewissen Wohlstand zu erarbeiten, andererseits zeigt er eine Naivität, die manchmal grenzenlos ist, etwa wenn es um seine große Liebe Alice geht. Hier zeigen sich dann die kleinen Schwächen Juan Gómez-Jurados, nämlich seinen Figuren ein authentisches, lebensnahes und vor allem vollständiges Gesicht zu geben. Einige Facetten spart er einfach aus und so wirken seine Charaktere unfertig und nicht zu Ende gedacht. So konnte ich beispielsweise bis zum Schluss nicht nachvollziehen, was Jürgen in seinem unbändigen Hass auf Paul antreibt. Er wird dargestellt als durch und durch böser, hinterhältiger und gewalttätiger Mensch, dessen einziges Ziel es ist, Paul das Leben zur Hölle zu machen. Warum er das eigentlich tut, wird nicht mit einem Wort erwähnt. Oder Pauls Mutter: Sie ist zu Beginn das verhuschte Mäuschen, die arme Verwandte im Haus der Familie. Nie lehnt sie sich auf oder versucht auch nur, ihre Situation zu verbessern. Dann auf einmal hat sie den Mut, sich Jürgen in einer lebensbedrohlichen Szene zu widersetzen, ohne dass klar wird, wie dieser innere Wandel zustande kommt. Hier ist eindeutig noch einiges an Sorgfalt aufzuwenden, um etwas „rundere“ Figuren zu erschaffen und die an sich guten Ideen des Autors in einen angemessenen Rahmen zu setzen.
Aufmachung des Buches
Das Taschenbuch zeigt auf der Vorderseite eine gegen das Sonnenlicht aufgenommene Ansicht eines steinernen Engels von unten, der sich als Silhouette vor dem von einer Seite dunkler werdenden Himmel abhebt. Ein Stück Stacheldraht ragt von der Seite oben ins Bild hinein. In der unteren Bildhälfte, die ebenso wie die Rückseite dunkel gehalten ist, sind Autor und Titel grau bzw. weiß gedruckt. Innen gibt es einen Prolog, der im Jahre 1940 spielt, danach beginnt die Handlung 1919. Ein kurzer Epilog springt dann wieder ins Jahr 1940. Das Buch ist außerdem noch in vier Teile gegliedert, jeder davon beginnt mit einem kurzen Text, der ein Ritual der Freimaurer beschreibt. Alles in allem eine sehr passende Aufmachung.
Fazit
Nicht so sehr ein Thriller, vielmehr eine spannende Familiengeschichte, die zwar mit Thrillerelementen aufwarten kann, aber insgesamt mehr Wert auf die Darstellung der geschichtlichen Aspekte und der persönlichen Betroffenheit der Hauptfigur legt. Ein interessanter Hintergrund für eine klug aufgebaute Geschichte, die nicht immer hundertprozentig realistisch, aber auf jeden Fall unterhaltsam ist.
Hinweise
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