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Nichts als schöner Schein – das denken sich wohl die Leute, wenn sie > la Superliftata < in der Calle begegnen. Brunetti aber merkt, dass sich hinter den starren Zügen von Franca Marinello Geheimnisse verbergen. Nicht anders als hinter den feinen Fassaden von Venedig: Den Machenschaften der Müllmafia auf der Spur, entdeckt Brunetti die Kehrseite der Serenissima.

 

  Autor: Donna Leon
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2010
ISBN: 978-3-257-06745-3
Seitenzahl: 345 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Commissario Guido Brunetti wird zu seinem Chef, Vice Questore Patta zitiert. Dort wartet ein Carabiniere auf ihn, der mit einer ungewöhnlichen Bitte seine Hilfe wünscht. Das Ungewöhnliche daran, er sucht einen Mann, kann aber weder sagen warum, noch wie dieser aussieht oder gar heißt. Brunetti, erfahren genug und vom System gezeichnet, versucht den Carabiniere aus der Reserve zu locken und sein Vertrauen zu gewinnen. Er ist sich nicht sicher, ob sein Gegenüber es ernst mit ihm meint und dem Carabiniere Guarino geht es offensichtlich genauso. Auch er weiß nicht, ob er Brunetti bei dieser prekären Sache wirklich vertrauen kann. Im Gespräch kommen sich beide näher und Stück für Stück enthüllt der Gast sein Geheimnis. Doch ein Rest an Vorsicht bleibt und so macht sich Brunetti auf die Suche nach einem Phantom. Doch es ist nicht die einzige kuriose Anfrage, die Guido an diesem Tag bekommt. Sein Schwiegervater bittet ihn, einen seiner Freunde und möglichen Geschäftspartner zu durchleuchten. Dabei stößt er auf ‚Superliftata’, die Frau des Bekannten oder auch die Frau ohne Gesicht. Obwohl sie erst 30 Jahre ist, sehen ihre gestrafften Gesichtszüge wie die einer alten Frau aus. Unabhängig von ihrem Aussehen findet Guido sie sympathisch, stellt sich doch im Gespräch heraus, dass sie ähnlich wie der Commissario ein Faible für klassische Literatur hat. Mit Hilfe seiner Kollegen, vor allem aber der attraktive Elettra, Pattas Sekretärin, findet er die Identität des Gesuchten heraus. Als kurz darauf der Carabiniere ermordet aufgefunden wird, mischt sich Brunetti offiziell in den Fall ein und kann den Mörder stellen. Allerdings nicht ohne eine gehörige Überraschung zu erleben.


Stil und Sprache
Donna Leon schreibt auf einfache aber eindringliche Weise. Die Sätze sind leicht zu verstehen und sie schafft es gekonnt, das Italienische mit dem Deutschen zu verknüpfen, ohne an Authentizität zu verlieren. ‚Schöner Schein’ ist aber trotzdem noch einmal etwas Besonderes. Die Autorin bindet diesmal eine starke philosophische Komponente mit ein. Sie lässt ihren Helden Brunetti auf eine Frau treffen, die auf seiner geistigen Wellenlänge steht und vor allem literarisch dieselben Vorlieben teilt. Dabei setzt sie die beiden in Dialoge über die Inhalte klassischer Werke und deren Bedeutung und verbindet diese Aussagen mit dem Inhalt ihres Krimis. Die Gedanken, Überlegungen und Gefühle Brunettis kommen dabei viel intensiver als sonst beim Leser an. Diese gefühlsmäßige Bindung sorgt vor allem Richtung Schluss der Geschichte für eine gehörige Spannungssteigerung. Gewürzt wird das Ganze natürlich wie immer mit einer gehörigen Portion venezianischem Flair, welches sie mit detailreichen und liebevollen Beschreibungen von Szenen und Orten erzeugt. Auffallend dabei ist immer ihre enorme Ortskenntnis, so dass der treue Brunetti-Fan ebenso in Venedig zu Hause ist wie an seinem Heimatort. Ich denke, dies macht dann auch eine solche Serie aus, mit der Zeit fühlt sich der Leser als Teil der Geschichte, man könnte beim Lesen meinen, man befindet sich im direkten Umfeld des Geschehens, so vertraut wird einem die Szenerie. Wenn man den neuesten Roman ‚Schöner Schein’ mit seinem Vorgänger ‚Das Mädchen seiner Träume’ vergleicht, so scheint Donna Leon eine 180-Grad-Wendung vorgenommen zu haben. Nicht nur die Hauptgeschichte, sondern auch die kleinen Nebenschauplätze sind diesmal stimmig und scheinen sich am Ende zu einem großen Ganzen zu verweben. Die ist besonders der Spannung positiv anzurechnen, die leider beim letzten Mal unbefriedigend war.


Figuren
Auch hier bringt die Autorin Abwechslung ins Spiel. Neben den üblichen Akteuren wie Brunettis Chef, dem Vice Questore Patta, der wie immer viel Show macht, aber im entscheidenden Moment die Verantwortung abgibt, ist natürlich auch Elettra, Pattas Sekretärin, wieder mit von der Partie. Ich denke ja, dass Guido Brunetti ohne seine Elettra nur die Hälfte der Fälle aufklären würde. Sie nimmt die Rolle der im Hintergrund recherchierenden Person ein. Die spielt sie aber mit einer Eleganz und Selbstsicherheit, dass der Leser nur staunen kann. Sie ist in Wirklichkeit die, die alles lenkt und beherrscht. Der Commissario selbst darf diesmal in quasi geheimem Auftrag ermitteln. Sozusagen organübergreifend bittet ein Carabiniere um seine Hilfe. Wer, wenn nicht Brunetti kann schließlich einen scheinbar Unbekannten, ein Phantom, in Venedig aufspüren. Privat läuft ihm dabei ‚Superliftata’ oder auch die Frau ohne Gesicht über den Weg. In der Öffentlichkeit erweckt die Frau den Eindruck, mit ihrem Leben nicht zurecht zu kommen. Gerade mal 30 Jahre jung, sieht sie bereits aus wie eine 50-jährige mehrfach geliftete und gestraffte Frau. Jemand, der zwar viel Geld besitzt aber ansonsten völlig unzufrieden mit sich selbst und besonders mit seinem Körper ist. Aber der Schein trügt. Die Oberfläche zeigt oft etwas anderes als in der Tiefe zu finden ist. Brunetti wird diese Frau sympatisch, als er merkt, dass sie seine Passion für klassische Literatur teilt und ihm in Diskussionen ebenbürtig ist. Ihr Aussehen wird dabei zur Nebensache. Doch auch später birgt sie für ihn ein weiteres Geheimnis, das ihn ziemlich aus der Bahn wirft. Alles in allem erwartet den Leser ein schöner Mix an bunten Charakteren, wo nötig, nicht zu flach sondern schön facettenreich. Gerade dieses alte Borniertheit dieser seit Jahrzehnten vom Adel beherrschten Stadt setzt Donna Leon immer wieder sehr gut in den Gegenspielern ihres Commissarios um. Dabei vergisst sie aber nicht, den Figuren auch entsprechende Schwächen einzubauen. Schwarz/Weiß ist für die Autorin kein Begriff, sie denkt selbst in Graustufen und setzt dies bei Haupt- und Nebenfiguren gekonnt ein.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch aus dem Diogenes Verlag zeigt, als schöne und passende Einstimmung auf den Krimi, auf dem Cover innerhalb eines dünnen schwarzen Rahmens die Nachtaufnahme von typischen schön beleuchteten venezianischen Fassaden am Canal. Auf der Umschlagrückseite befindet sich neben dem Portrait von Donna Leon eine Vita der Autorin sowie die Kurzzusammenfassung des Buches.


Fazit
Für mich der beste Brunetti aller Zeiten. Spannend, mitreißend, gewürzt mit Gefühl und Philosophie. Und dann natürlich noch das besondere Flair Venedigs. Ein Muss für Krimifans.


5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
Fall 1: Venezianisches Finale
Fall 2: Endstation Venedig
Fall 3: Venezianische Scharade
Fall 4: Vendetta
Fall 5: Aqua Alta
Fall 6: Sanft entschlafen
Fall 7: Nobilta
Fall 8: In Sachen Signora Brunetti
Fall 9: Feine Freunde
Fall 10: Das Gesetz der Lagune
Fall 11: Die dunkle Stunde der Serenissima
Fall 12: Verschwiegene Kanäle
Fall 13: Beweise, das es Böse ist
Fall 14: Blutige Steine
Fall 15: Wie durch ein dunkles Glas
Fall 16: Lasset die Kinder zu mir kommen
Fall 17: Das Mädchen seiner Träume

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