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„Und so begriff er, dass dieser erste Krieg, der schlimmste von allen, ewig währte. Dass er sich von Jahrhundert zu Jahrhundert wiederholte, ohne Kapitulation oder Waffenstillstand, bis nur noch Besiegte übrig waren.“

1830. Der junge Hugo kämpft in der Familie der Sambres um seine Unabhängigkeit. Stets bevormundet von seinem dominanten Vater, sieht er seine Chance kommen, als er in einer durch Heirat erworbenen Kupfermine auf eine geheimnisvolle Höhle voller menschlicher Überreste stößt. Die Erforschung dieser Stätte ist ihm wichtiger als das Erbe der Familie, ja wichtiger noch als seine junge Frau und seine frisch geborene Tochter. Die Auseinandersetzung mit seinem Vater treibt ihn nach Paris, wo er der Schauspielerin Iris begegnet und von ihren tiefroten Augen gefesselt wird. Ist dies der Beginn des Kriegs der Augen?

Mit dem düster-romantischen Historien-Drama Sambre hat Yslaire einen modernen Klassiker des europäischen Comics geschaffen. In diesem Zyklus erzählt er von den Geschicken der ersten Generation derer von Sambre.

 

 

Originaltitel: La Guerre des Sambres - Hugo & Iris 1
Autor: Yslaire
Übersetzer: Marcel Le Comte
Illustrationen: Jean Bastide, Vincent Mezil 
Verlag: Carlsen Comics
Erschienen: März 2010
ISBN: 978-3-551-78271-7
Seitenzahl: 56 Seiten
Altersgruppe: ab 14 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)

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Die Grundidee der Handlung
Welche Richtung die Vorgeschichte der Sambre-Chronik einschlagen wird, lässt sich bereits dem sechsseitigen Prolog entnehmen. Dort stößt im Jahre 1857 der Enkel von Hugo Sambre während einer schlaflosen Nacht auf dessen unvollendetes Werk „Der Krieg der Augen“. Gebannt richtet er seinen Blick durch die Lupe auf das Auge seines Großvaters – und dessen Geschichte mitsamt den ersten Hintergründen um den „Krieg der Augen“ beginnt sich abzuspulen…

Ganz in der Tradition des 1. Zyklus, lebt die Geschichte auch hier wieder von einer düster-melancholischen Atmosphäre, in deren Mittelpunkt der junge Hugo und seine schöne Frau Blanche stehen. Ihre Ehe wurde von den Vätern arrangiert, um beider Familien von Vorteil zu sein. Doch der etwas weltfremde, introvertierte Hugo, in dessen Kopf große Pläne heranreifen, denkt gar nicht daran, Blanches eingebrachte Mitgift – eine heruntergekommene Kupfermine - zum Wohle der hochverschuldeten Familie zu verkaufen, nachdem er dort auf eine Höhle mit mehr als sechstausend Jahre alten Malereien und menschlichen Überresten stieß. Den Zorn des Vaters missachtend, macht er sich vielmehr auf nach Paris, um Geldgeber für sein Grabungsprojekt zu finden. Dort hat er bei einer Theateraufführung eine schicksalhafte Begegnung mit der glutäugigen Iris… Vom Ehemann bitter verschmäht und im Stich gelassen, muss die schwangere Blanche indessen im Hause der Sambres ihre eigenen Kämpfe austragen, denn von Anfang an verhalten sich Hugos Mutter und die drei Schwägerinnen unverhohlen feindselig ihr gegenüber, gleichzeitig hat sie alle Hände voll zu tun, ihren zudringlichen Schwiegervater abzuwehren.

Sowohl Hugo als auch Blanche sind unverstandene, einsame Figuren, statt sich jedoch gegenseitig Halt und Unterstützung zu geben, leben sie zwei getrennte Leben. Beide weckten sie meine Sympathie und mein Mitgefühl und so bin ich gespannt, wie sich ihre Geschichte weiter entwickelt, genauso was es mit dem geheimnisvollen Höhlenfund auf sich hat.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Szenarist Yslaire griff diesmal nicht selbst zum Zeichenstift, vielmehr überließ er die grafische Umsetzung den jungen, ehrgeizigen Zeichnern Jean Bastide und Vincent Mezil – und die lieferten ein Ergebnis ab, das sich nicht nur sehen lassen kann, sondern an Qualität kaum zu übertreffen ist. Leider bleibt Yslaires ursprüngliche Idee einer monochromen Farbgebung mit gezielten dramaturgischen Rottupfern im neuen Zyklus auf der Strecke. Obwohl immer noch zurückhaltend in der Einfärbung, kommen einem die Bilder doch schon relativ bunt vor und sind auf den ersten Blick weit konventioneller und gefälliger als beim Meister selbst. Dennoch, durch die weicheren, harmonischeren Farbkontraste und Übergänge transportieren die Bilder noch mehr Atmosphäre und was die Detailgenauigkeit, Ausdrucksstärke oder Plastizität angeht, stehen sie Yslaires vorgelegtem hohem Maßstab in nichts nach. Das junge Zeichnerduo achtete auch sorgsam darauf, die zwei Sambreschen Anwesen auf dem Lande und in Paris innen wie außen bis ins kleinste Detail genauso wiederzugeben wie im 1. Zyklus. Besonders gut gefällt mir, wie in bestimmten Szenen die Augen der Protagonisten mit einer Lackfarbe so funkelnd und täuschend echt aus der Dunkelheit oder Düsternis hervorstechen, dass man als Leser den Drang verspürt, nach ihnen zu greifen. Schon allein dieser verblüffende Effekt machte für mich das Fehlen von Yslaires „Rottupfern“ wieder wett. Mit Nackt- und Erotikdarstellungen ist man in diesem Band sehr zurückhaltend. Im Vergleich zum 1. Zyklus sind sie kaum der Rede wert, so dass der Comic auch von jüngeren Jugendlichen gelesen werden kann.

Eine kleine Abweichung gibt es auch in der Textdarstellung, die aber in jedem Fall als positive Neuerung zu verbuchen ist: Zwischen den Szenenfolgen tauchen Texteinschübe in Erzählform auf, die in schöner, geschwungener Schrift nicht nur eine Bereicherung fürs Auge sind, sondern mit nützlichen Hintergrundinformationen sowohl die Handlung und die Protagonisten als auch die politischen Geschehnisse dem Leser transparenter machen. In der Sprechblasendarstellung gibt es hingegen keine Abweichung und kann als comictypisch bezeichnet werden.


Aufmachung des Comics
Bei dem Comic handelt es sich um eine schöne Hardcoverausführung mit festen, mattierten Umschlagdeckeln. Aufmachung und Format (Höhe in etwa A4, dafür ca. 1,5 cm breiter) lehnen sich an die seitherigen Sambre-Bände an, so dass allein durch das Äußere bei jedem Comicfan ein sofortiger Wiedererkennungseffekt da sein wird, außerdem passt die gesamte Serie im Bücherregal schön zusammen.
Das collagenhaft gestaltete vordere Cover mit Serien- und Titelnamen in dezentem, zweifarbigem Spotlackaufdruck gefällt mir sehr gut. Von Hugos Frau Blanche ist zwar nur die obere Gesichtshälfte zu sehen, dafür fühlt man sich als Betrachter von ihren wunderschönen, mandelförmigen Augen magisch angezogen. Die kleinen ovalen Porträts zeigen links Hugo und rechts daneben Iris mit glühendroten Pupillen. Die weinrote Rückseite dagegen ist ganz schlicht, lediglich eine Schlüsselpassage aus dem Buch (in Hellrot) und die Inhaltsangabe (in Weiß) hat man aufgedruckt.


Fazit
Wäre dies der Auftakt zu einer eigenständigen Comicserie, würde ich ganz klar 5 Sterne vergeben, denn ich wüsste nicht, was man hier noch überbieten könnte, so aber mache ich wegen des optischen Stilbruchs zu den bisherigen Sambre-Bänden einen klitzekleinen Abzug.


4 5 Sterne


Hinweise
Diesen Comic kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Sambre - 1. Zyklus:
Sammelband 1-4: Der Krieg der Augen

Sambre - 2. Zyklus:
Band 5: Verflucht sei die Frucht deines Leibes!

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