Smaller Default Larger

Als Beate Rehbein die mysteriöse E-Mail liest, glaubt sie zunächst an einen schlechten Scherz.
Doch weitere Botschaften folgen. In immer kürzeren Abständen. Schließlich öffnet die Journalistin einen Anhang, der ihr Furchtbares offenbart: sie wird Zeugin einer brutalen Hinrichtung. Um ihre Familie zu schützen lässt sie sich auf das makabere Spiel eines Serienmörders ein, der nur ein Ziel kennt: Rache für die Verlierer unserer globalisierten Welt.

 

  Autor: Chris Marten
Verlag: Gustav Lübbe Verlag
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-7857-2376-0
Seitenzahl: 733 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Beate Rehbeins Ehemann Rainer bekommt eine Einladung zum Klassentreffen. Unwichtig, denkt sie zuerst, doch dann werden einige der ehemaligen Klassenkameraden ihres Mannes auf spektakuläre Weise ermordet. Die Bedeutung der seltsamen E-Mails, die Beate zuvor bekommen hat, wird ihr langsam klar, als sie vom Mörder eine Filmsequenz geschickt bekommt, in der er eines seiner Opfer tötet. Er bedroht Beates Familie und verlangt von ihr, dass sie eine Serie über ihn schreibt und veröffentlicht. Aus Angst um ihre Familie willigt Beate ein. Sie weiß noch nicht, dass gleichzeitig auch Hauptkommissar Ludger Bethke, ein ehemaliger Klassenkamerad und zukünftiges Opfer, in diesem Fall zu ermitteln beginnt. Der Mörder und seine Opfer beginnen sich gegenseitig zu belauern und es entspinnt sich eine Mörderjagd mit einigen unerwarteten Wendungen.

Die Idee eines emotional labilen Mörders, der seinem besonderen Plan folgt, wurde von Beginn bis zum Schluss konsequent und sehr detailliert umgesetzt. 
 

Stil und Sprache
Die Geschichte wird in der dritten Person und meist aus der Sicht der betroffenen Person erzählt. Bevor das erste Kapitel beginnt, startet  der Roman mit einem Albtraum der Hauptperson Beate Rehbein. Dem folgen ein Auszug aus der E-Mail von Beate an Thomas Todzeck bezüglich eines Klassentreffens und ein kurzer Einblick in die Gedankenwelt des Mörders. Jedes Hauptkapitel (hier Caput genannt) beginnt mit einem Zitat oder Auszug aus einem Gedicht und gliedert sich in zahlreiche Unterkapitel, in denen als Überschrift der Ort, der Tag bzw. die Uhrzeit und das Datum angegeben sind.
Der Schreibstil wirkt ungleichmäßig und das fällt vor allem bei der Wortwahl und Satzstellung auf. Der Textcharakter wechselt oft unvermutet innerhalb eines Kapitels, eines Absatzes oder manchmal auch innerhalb eines Satzes von der gewohnten Thrillerschreibweise in einen leicht lyrischen und manchmal etwas pathetisch angehauchten Stil. Das irritiert und es dauert eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hat. Die vielen Perspektivenwechsel in den einzelnen Kapiteln bremsen die aufkommende Spannung vermutlich oft ungewollt, aber trotzdem sehr wirkungsvoll ab. Auch die zahlreichen Rückblenden und die Tatsache, dass der Mörder selbst von jedem seiner Opfer verlangt, aus seinem Leben zu berichten, wirken entschleunigend auf das Erzähltempo. Jede Situation in der Geschichte wird durch die Sicht der betroffenen Personen in Gesprächen, Gedanken und Selbstgesprächen detailgenau erzählt - dadurch erfährt der Leser sehr viel über die Vergangenheit, die Wünsche, Fehltritte und verpassten Chancen der Mordopfer. Gleichzeitig wirken die vielen Details aber wie ein Anker, der das Fortschreiten der Story und den Spannungsaufbau immer wieder abwürgt und ein flottes Voranschreiten der Geschichte behindert. Auszüge aus Zitaten und Gedichten von Schiller und anderen Dichtern und Autoren ziehen sich durch das gesamte Buch. Sie bilden die Einstimmung auf das jeweilige Kapitel, werden aber auch von den Protagonisten verwendet.

Ohne anfangs voneinander zu wissen, beschäftigen sich Ludger Bethke, Kommissar und vorgesehenes Opfer auf der "Liste", und Beate mit den Morden, was zwei unterschiedliche Sichtweisen auf die Ereignisse ergibt. In der Mitte des Buches schlägt die Handlung drei Haken, als Beate und Kommissar Bethke den Mörder zu kennen glauben und ihn in eine Falle locken wollen. Die, bis dahin dahindümpelnde, Spannung nützt die Chance sich zu entfalten. Leider wird sie sofort wieder eingebremst, als nach dem vermeintlichen Ende der Gefahr die Hauptperson Beate nach Afrika flüchtet. Auch einige kleine Ungereimtheiten summieren sich nach und nach und beginnen aufzufallen.


Figuren
Beate Rehbein vermittelt den Eindruck einer unsicheren Frau, die sich nicht entscheiden kann, was sie will. Sie wird als eine erfolgreiche Reporterin und Autorin beschrieben, sieht sich selbst aber als hauptberufliche Ehefrau und Mutter. Da sie durch ihren Job sehr viel reist und sich für ihre Schreibarbeit völlige Priorität herausnimmt, verlangt sie von ihrem Mann und den Kindern absolute Rücksicht auf ihre Wünsche und Befindlichkeiten. Sie verschweigt ihrem Mann, dass sie von einem Mörder bedroht wird, und ersehnt sich Rat und Hilfe von einem Freund in Afrika, dem sie völlig vertraut. In der Konfrontation mit dem Mörder schwankt sie zwischen Panik, dem Wunsch, ihren Vertrauten in Afrika um Rat zu fragen, und ihre Familie in Sicherheit zu wissen - zumindest vermittelt die Geschichte diese Reihenfolge der Prioritäten. Sie ist eine Frau, mit der ich mich persönlich nicht identifizieren konnte.Rainer Rehbein spielt, ebenso wie die beiden Zwillinge von Beate, eine untergeordnete Rolle in der Familie der Rehbeins sowie in der Geschichte und wirkt eher als Statist bzw. Dekoration.
Ludger Bethke, ehemaliger Schulkollege von Rainer, von Beruf Kommissar, ist ebenfalls ein angepeiltes Opfer des Mörders. Da die Namen der kürzlich getöteten Menschen der Liste für das Klassentreffen gleichen, dämmert ihm ein Zusammenhang und er beginnt zu ermitteln. Zwar hat er beruflich viel um die Ohren, aber er schafft es irgendwie genügend Zeit für seine Nachforschungen abzuzwacken. Im Alleingang macht er sich daran den Fall aufzuklären und denkt nicht daran, mit seinen Kollegen zusammenarbeiten. Auch als er kurz nach der Ermordung eines der Opfer am Tatort eintrifft, ist er nicht bereit, die Sache publik zu machen, sondern will mit dem gelösten Fall seiner gestockten Karriere weiterhelfen. Es wurmt ihn, dass er bei den Beförderungen immer übergangen worden ist, sieht aber den Grund dafür nicht in seiner einzelgängerischen und jähzornigen Art, sondern als Schuld der anderen. Ludger Bethke leidet unter seiner gespaltenen Persönlichkeit, die er in der Schule als Lulu ausgelebt hat und nun mehr schlecht als recht unter "Verschluss" hält.
Auf Thomas Todzeck, Spitzname "Die Karteileiche", wurde von seinen Mitschülern immer herumgehackt. Er sieht sich als der Verlierer der Gesellschaft. Der Mörder glaubt, durch seine spektakulär inszenierten Morde eine gedankliche Veränderung in der Gesellschaft zu erreichen und benützt dazu Rätsel, Schillergedichte und die Figur der Hydra als "Maskottchen". Er ist der Meinung, dass sich alles nur um den Zufall dreht und erwählt Beate Rehbein als sein Sprachrohr, die er nach seinen Wüschen zu manipulieren versucht.   

Da - bis auf Rainer und die beiden Kinder von Beate -  jede der Nebenpersonen bzw. Mordopfer seine spezielle Geschichte erzählt, würde es den Rahmen der Rezension sprengen über sie zu berichten. Nahezu alle Personen sind detailliert beschrieben und ihre Beweggründe und Gedanken in den Roman eingeflochten. Leider agieren die Charaktere manchmal irrational und deshalb nicht immer ganz nachvollziehbar.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag versehen. In den dunklen Schutzumschlag wurde das Wort „Hydra“ als glänzende grüne Schlangenschuppen fühlbar eingeprägt. Der Rückseitentext ist sehr ansprechend und macht neugierig auf die Geschichte.
Jedes Kapitel beginnt auf dem rechten Blatt, ist mit "Caput" statt Kapitel bezeichnet und wird mit einem Zitat eingeleitet. Die Überschriften der Unterkapitel enthalten Tag, Datum, Uhrzeit und Ort des Geschehens und heben sich, da sie in Blockschrift geschrieben sind, deutlich vom Text ab.  


Fazit
Bei dieser Geschichte zählt der ganz persönliche Geschmack. Alle LeserInnen, die eine bedächtige, sehr detaillierte Handlung schätzen und die in alle Gedanken und Beweggründe jedes einzelnen Charakters eingeweiht sein möchten, werden von diesem Buch begeistert sein. Actiongewohnte LeserInnen, die sich einen straff konstruierten, spannungsgeladenen Thriller mit durchsetzungskräftigen Charakteren wünschen, werden dem Roman vermutlich nicht viel abgewinnen können.


3 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo