Monster. Dämon. Scheusal. Die Menschen halten mich für den Teufel. Aber was wissen sie schon über den Höllenkönig? Was wissen sie über Gut und Böse?
Die Menschen ... Kleine und schwächliche Wesen, die in Furcht leben. Dumme Kreaturen, blind und beschränkt. Die Menschen haben keine Ahnung ...
Ich heiße ARAWN. Ich bin der Herrscher der verbrannten Erde. Der König der Hölle. Der Herrscher der Toten. Die Menschen fürchten mich. Ich kenne kein Erbarmen. Ich verachte die Schwäche. Ich bin der Gott des Zorns. Der Gott der Rache ...
Doch das ist nicht immer so gewesen. Einst war ich ein Mensch, geboren aus dem Leib einer Mutter ...
Autor: Ronan Le Breton |
Die Grundidee der Handlung
ARAWN ist der Herrscher der Hölle – er kennt kein Erbarmen, wird verzehrt von Hass. Owen, den er zu ewiger Qual verdammt hat, zwingt ihn, zurückzublicken, in die Zeit, als ARAWN noch ein Mensch war. In die Zeit, mit der alles begann.
Die stolze Kriegerin Siamh schenkt ihrem Mann Dag Zwillinge. Als sie vom reisenden Bran überfallen und gezwungen wird, sich ihm hinzugeben, gelingt es ihr zwar, ihn zu töten, doch auch von ihm empfängt sie zwei Söhne. Einer davon ist ARAWN, den sie nach keltischem Brauch verstößt, weil er geschlechtslos ist. Eine dunkle Prophezeiung schwebt über den vier Brüdern. In ihrem Bemühen, sie zu verhindern, zieht Siamh ihre drei Söhne groß – der ausgestoßene ARAWN wird von Wölfen aufgezogen – und schickt die Herangewachsenen in ihre Mannbarkeitsprüfungen. Doch lässt sich das Schicksal abwenden?
Ronan Le Breton hat eine düstere Szenerie um den Herrscher der Hölle gestrickt, eine Saga voller Mythologie und Legende, aber auch Grausamkeit und Finsternis. Die Geschichte – soweit sie sich denn schon abzuzeichnen vermag – ist unterhaltsam, aber nichts für Zaghafte. Was anderes hätte man von dem König der Toten aber auch nicht erwartet ...
Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Die Umsetzung von Bretons Story wurde von Sébastien Grenier vorgenommen, auf den ich hier das erste mal gestoßen bin. Seine Tuschezeichnungen haben besonders bei Landschaften oder Räumlichkeiten einen mal leichter, mal stärker ausgeprägten groben Charakter, obwohl sie auf viele Details, besonders in den Vordergründen, eingehen. Die Bildhintergründe oder Tiefen der Umgebungen sind hingegen eher angedeutet denn aufwendig inszeniert, was jedoch zum Konzept und Inhalt passt. Nicht nur die winterliche Landschaft trägt aquarellistische Züge, so z.B. beim letzten Bild der 9. Seite, das zwar die attraktive Siamh deutlich zeigt, den nahen Wald und die dahinter liegenden Berge aber eher erahnen lassen. Schemenhaft, mehr aus Farben als aus Formen, aber mit einem magischen Zauber erhebt sich der Heilige Wald um Kern, der seine Mannbarkeitsprüfung abzulegen hat. Auch wenn die Umgebung noch so einfach gestaltet ist, hat sie doch ihren ganz eigenen Reiz und passt zu der Welt, in der Helden gegen Fabelwesen kämpfen.
Doch Grenier kann auch anders – der Thronsaal und der reich verzierte Eingang zu ARAWNs Halle ist in feinen Nuancen herausgearbeitet und setzen sich aus dämonischen Elementen des Todes und Leids, vermischt mit Anmut, zusammen. Auch die Säulen, welche die Halle tragen, sind wundervoll umgesetzt. Dabei ist die von ihm geschaffene Welt fast immer eigenständig, nur einmal habe ich gestutzt: Eine Zeichnung, in der ARAWN Deirdre an ihrem steinernen Totenbett betrauert, weckt in der Art der Darstellung eine sehr starke Assoziation an eine Szene aus der Verfilmung „Der Herr der Ringe“ von Peter Jackson, in der Arwen am Grab von Aragorn trauert.
Mit einigen gut gewählten, einleitenden Worten startet die Geschichte in der Hölle, dem Herrschaftsbereich von ARAWN. Harte, bedrohlich-spitze Linienführungen und Symbole des Todes – Gerippe und Schädel – vermischen sich in der Unterwelt mit der spritzenden Lava, die ans Innere eines Vulkans gemahnt. Dem entspricht auch die Farbwahl: unfreundlich, düster, ohne jedoch wirklich dunkle Züge zu haben. Der Herrscher der Finsternis ist in eine martialisch gestaltete Rüstung gekleidet, die ihm ein grausames und unbezwingbares Äußeres verleiht.
In dem Rückblick, der auf die Eingangsszene folgt, wird die junge Kriegerin Siamh in ihrem hautengen, schon fast an einen Latexanzug erinnernden Dress eingeführt, der nicht nur ihren muskulösen Körper, sondern auch schonungslos sämtliche Rundungen enthüllt, obwohl sie bekleidet ist. Doch lange muss der Leser nicht warten, um auch auf den nackten oder nur sehr spärlich bekleideten Körper Blicke erhaschen zu können, von dem ein Glanz ausgeht, als sei sie eingeölt. Die Illustrationen rund um die stolze Kriegerin haben eine erotische, eine sinnliche, aber auch eine einfühlsame Note. Immer wieder lockt die weißhaarige Schönheit die Blicke mit Bekleidungen, die nur so viel wie nötig verbergen, auf sich – eine typische, aber dadurch nicht weniger reizvolle Comicheldin. Dag und die ungleichen Brüder, keltische Krieger, sind mehr oder minder stark tätowierte Muskelpakete, oft knapp bekleidet und mit schweren Streitäxten, Sicheln, Bogen oder mächtigen Schwertern bewaffnet. Helden wie aus einer anderen Zeit, die an Figuren wie z.B. Conan erinnern, sich aber Eigenständigkeit behalten. In einigen Bildern glühen die Augen der Figuren auf unheimliche Art – die von Math blau, ARAWN gelb, Siamh violett.
Die Kampfszenen, die in Le Bretons Geschichte nicht selten sind, werden mit dynamischen, grausamen und sehr blutigen Bildern geschildert, sind wild und brutal und berichten von einer Welt der Vorhersehung, der Monster und des Kampfes ums Überleben. Ein geradezu widerliches Monster ist der Sukkub, der zu ARAWNs Prüfung wird – scheinbar einem Alptraum entsprungen, vom Zeichner kunstfertig inszeniert, ein fast schon schaurig-schöner Anblick.
Erzählt ARAWN in seiner Rolle als König der Hölle, sind die eckigen Sprechblasen schwarz, aus der weiße Schrift hervorsticht. Liegen die Dialoge in der Vergangenheit oder sprechen andere Charaktere, wird mit schwarzer Großschrift auf Weiß gedruckt. An dem Wechsel ins Schwarze lässt sich ARAWNs Veränderung gut nachvollziehen.
Ob Greniers Stil etwas für einen ist, entscheidet man am Besten mit Hilfe der vom Verlag hinterlegten Leseprobe.
Aufmachung des Comics
Der Verlagsart entsprechend, ist auch der Auftakt zur ARAWN-Saga im für Splitter typischen, über A4 großen Format gehalten, das im Bücherregal unterzubringen schonmal schwierig sein kann. Der Comic ist zwischen Buchdeckeln aus festem Karton gebunden und hinterlässt – innen wie außen – ein hochwertig verarbeitetes Bild. Die Vorsatzpapiere vorne und hinten sind mit dem gleichen Motiv bedruckt und zeigen den jugendlichen ARAWN, der mit einem Rudel Wölfe einen Hirsch erlegt hat. Auf Zusatzmaterial, selbst auf Informationen zu Autor und Zeichner wurde – bis auf kleine Fotos – verzichtet.
Sofort angesprochen hat mich die gelungene Gestaltung der Vorderseite des Comicbandes: ARAWN als Herrscher der Finsternis sitzt auf seinem mit Gebeinen und Schädeln verzierten Thron, martialisch gerüstet, auf ein mächtiges Schwert gestützt, und blickt dem Leser düster und gleichzeitig herausfordernd entgegen. Über ihm prangt ein gekettetes Höllenwesen an der Wand und unterstützt den schaurigen Charakter der Zeichnung.
Fazit
ARAWN ist die Geschichte des Herrschers der Hölle, Gottes des Zorns und Hasses – und der Geschichte davor, als er noch ein Mensch war. Ein Szenario der Mythen und Legenden, bestimmt von Grausamkeit, Kampf und Vorherbestimmung – nichts für Zartbesaitete. Die Bilder von Grenier sprechen für sich, sind eine Mischung aus mal rohem, mal feinem Stil – vielleicht nicht jedermanns Geschmack, passen aber zu der Atmosphäre.
Hinweise
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