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Die eiskalte Strömung in mir reißt die letzten menschlichen Gefühle fort. Mein Lächeln ist nur Täuschung. Lucrezia, ich könnte deine Gefühle missbrauchen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Es regnet… Immer regnet es, wenn ich getötet habe. Aber der Regen wäscht nicht die Blutspuren von meinen Händen. Um sie wegzuspülen, müsste sich eine neue Sintflut ergießen.

 

  Autor: You Higuri
Illustrationen: You Higuri
Verlag: Carlsen Manga
Erschienen: September 2004
ISBN: 3-551-77374-2
Seitenzahl: 192 Seiten
Altersgruppe: ab 15 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Nach dem von Kämpfen und politischen Rankeschmieden beherrschten düsteren 3. Band, erwartet uns diesmal eine nicht weniger spannende Geschichte ganz anderer Art: Zwischen den drei Hauptfiguren Cesare, dessen Schwester Lucrezia und Cesares Freund Chiaro bahnen sich äußerst diffizile Beziehungsverflechtungen an, die den Leser nicht nur in diesem, sondern bestimmt auch noch in den Folgebänden in Atem halten werden. Zuerst erkennt Lucrezia, dass sie für Cesare weit mehr empfindet als es unter Geschwistern ziemlich wäre. Obwohl sie sich beschämt und schmutzig fühlt, kann sie sich ihrer Liebe nicht erwehren. Cesare wiederum überrumpelt Chiaro während einer Neumondnacht mit einem Kuss. Von Chiaro später darauf angesprochen, leugnet er es in der Gewissheit, sein Freund würde ihm nicht dieselben Gefühle entgegenbringen. Als ob dies nicht schon genug Chaos wäre, setzt You Higuri noch eins drauf. Nach einigen Turbulenzen mit Lucrezias Ehemann, dem Grafen von Pesaro, verhilft Chiaro Lucrezia zur Flucht in ein Kloster. Es ist nicht zu übersehen, wie bezaubert Chiaro von Cesares Schwester ist, obwohl ihm klar ist, wem Lucrezias Herz in Wirklichkeit gehört.
Die in der vertrackten Dreieckskonstellation gefangenen, mit wenig Hoffnung beschiedenen Liebessehnsüchte der Protagonisten beschwören den Ärger förmlich herauf, dabei habe ich die schwelende Rivalität zwischen Cesares treuem Vasallen Volpe und Chiaro beim Buhlen um Cesares Gunst noch gar nicht erwähnt. Außerdem gibt es da noch Cesares Schwägerin Sancha, welche sich in den Kopf gesetzt hat, Cesare um jeden Preis herumzukriegen. Die im vorigen Band begonnenen und von Cesare gelenkten politischen Intrigen um die Vormachtstellung der Kirche – also der Borgia – in Italien werden ebenfalls fortgeführt. Dabei erweisen sich vor allem seine Geschwister Juan, Lucrezia und Jofre als gefügige „Schachfiguren“ sehr nützlich. Da dieser Handlungsstrang eine eher untergeordnete Rolle spielt, ist es aber auch nicht immer leicht, Cesares Kalkül im Detail noch folgen zu können.

Ich kann You Higuri zu dieser überraschenden Wendung in der Handlung – weg von anstrengenden politischen Disputs und blutigen Schlachtfeldern hin zu Liebe, Lust und Leidenschaften, getragen von einer romantischen, melancholischen Stimmung – nur beglückwünschen. Der Band liest sich extrem süffig und endet verheißungsvoll für das weitere Geschehen.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Cesare nimmt seit Kindheitstagen für Lucrezia die Beschützer- und Heldenrolle ein. Die Rückblende im ersten Kapitel, wo sich die kleine Lucrezia ohne einen Anflug von Furcht mit wehenden Haaren, glückstrahlendem Gesicht, weit ausgebreiteten Armen und aufbauschenden Röcken vom ersten Stock herunterstürzt in der Gewissheit, Cesare würde sie auffangen, ist Inbegriff der vertrauensvollen Liebe und übergroßen Verehrung, die sie ihrem Bruder nach wie vor entgegenbringt. Selbst als erwachsene, verheiratete Frau wirft sich Lucrezia bei jeder Begegnung immer noch im Laufschritt mit weit ausgebreiteten Armen und wehenden Haaren an Cesares Brust und schließt dabei schmachtend die Augen. Kein Wunder, dass ihr argwöhnender Ehemann, der Graf von Pesaro, die Gerüchte unters Volk streut, hier handele es sich um Inzest. Cesare kommt die blinde Liebe seiner Schwester gerade recht, sie macht Lucrezia für seine Pläne umso gefügiger.
Aber auch sonst sieht man in diesem Band häufig wehende lange Haare und Gewänder, durch die Gegend wirbelnde Blätter und Federn, ausgebreitete Vogelschwingen am Horizont, als ob permanent ein starker Wind bläst  – Ausdrucksmittel für die stürmischen Leidenschaften, die die Protagonisten umtreiben, was den Bildern eine romantische Melodramatik einhaucht.

Sehr schön gelingt der Mangaka, den charakterlichen Gegensatz zwischen der frommen, willensschwachen Lucrezia und der frechen, aufmüpfig-trotzigen Sancha in ihren Bildern aufzuzeigen: Sancha mit tief sitzendem, eng geschnürten Mieder, das den üppigen Brustansatz und ihre sinnlichen Kurven kaum zu verbergen mag, und unbändiger schwarzer Lockenpracht, schreckt – ganz und gar undamenhaft – nicht einmal davor zurück, auf einen Baum zu klettern und mit hochgeschürzten Röcken ihre Knie zu zeigen, wenn es darum geht, ihre Ziele durchzusetzen, Lucrezia hingegen zeigt nach außen immer ein tadelloses, sittsames Bild, was aber im Widerpart zu ihren ‚schmutzigen‘ Gedanken und Gefühlen im Inneren steht. An der Stelle möchte ich noch erwähnen, dass in diesem Band gerade bei den Damen, aber auch bei dem herausgeputzten Juan Borgia wieder viel Sorgfalt bei der Darstellung der Kleidung verwendet wurde. Stickereien, Bordüren, Pelzbesätze, Schmuck etc. sind so detailliert wiedergegeben, dass es eine wahre Pracht ist.

Die Charaktere oft in Großaufnahme, filigrane, helle Bilder, variantenreiche, überlappende und ineinanderfließende Panels und noch allerlei andere optische Finessen sind ebenfalls ein Augenschmaus. Bei You Higuri braucht man diesbezüglich wirklich nicht mehr viel zu schreiben, sie hält die Serie mit ihren Zeichnungen konstant auf allerhöchstem Niveau. Die Textdarstellungen sind ebenfalls wie in den Vorbänden.


Aufmachung des Comics
Die Aufmachung von Band 4 reiht sich nahtlos in die bisherige Serie ein, deshalb verzichte ich an der Stelle auf eine ausführliche Beschreibung. Zum besseren Verständnis der Handlung sind in diesem Band zusätzlich nach You Higuris Schlussworten eine historische Karte Italiens zu Ende des 15. Jahrhunderts und der Stammbaum der Borgias abgedruckt.
Die schöne romantische, pastellfarbene Coverillustration zeigt diesmal Cesare und Lucrezia. Alle Bände der Serie haben durch die ähnlichen Covermotive einen hohen Wiedererkennungswert und wirken auf den potentiellen Käufer sehr ansprechend.


Fazit
Ein erster Höhepunkt der Serie, ich kann die Fortsetzung kaum abwarten! Die Handlung wird immer komplexer, verwickelter und erzeugt einen Wahnsinnssog, dazu You Higuris unsagbar schöner, filigraner Zeichenstil, was will man mehr?


5 Sterne


Hinweise
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Backlist:
- Band 1
- Band 2
- Band 3

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