Smaller Default Larger

Mein Name ist Benjamin Tartouche. Ich hatte einen Job, ein Haus, ein rundum gutes Leben. Aber das war einmal. Alles ist hin …
Denn ich bin tot! Nur noch ein fahler Geist, unsichtbar für alle Sterblichen. Ich wandle umher und suche den einen, dessen Leben ich retten soll. Mein Schicksal hängt am seidenen Faden. Denn wenn ich scheitere, ist es aus und vorbei … Dann geht es abwärts. In den Abgrund, aus dem noch nie jemand zurückkehrte. Ich stehe mitten im Fegefeuer …
… und ich habe Angst!

Chabutès Meisterwerk erzählt von der Liebe zum Leben. Der mysteriöse Thriller voller Tragik, Einsamkeit und Hoffnung wird von der Ehapa Comic Collection als abgeschlossene Story in einem Band (ALL IN ONE) präsentiert.

 

  Autor: Christophe Chabouté
Illustration: Christophe Chabouté
Verlag: Ehapa Comic Collection
Erschienen: 04/2010
ISBN: 978-3-7704-3351-3
Seitenzahl: 192 Seiten
Altersgruppe: ab 12 Jahren (Empfehlung des Rezensenten)


Die Grundidee der Handlung
Benjamin Tartouche hat den Absprung von den vielen Aushilfsjobs geschafft und scheint nun endlich etwas Glück zu haben – der Einstieg in die Selbstständigkeit, ein geerbtes Haus. Auch wenn er finanziell nicht gut gestellt ist, versucht er, alles richtig zu machen. Doch nachdem sein Haus abgebrannt ist, wird ihm übel mitgespielt: da ihn die Versicherung im Stich lässt, muss er ohne Geld und Unterkunft einen Monat auf einen Versicherungsgutachter warten, der sich zu allem Übel noch als korrupt herausstellt; im Landratsamt erhält er keine neuen Papiere, solange er sich nicht ausweisen kann; der Versicherungsmakler betrügt ihn nicht nur, sondern lässt ihn vorsätzlich vor die Hunde gehen. Und überfährt ihn eines nachts auch noch versehentlich … Doch so einfach ist nicht mal das Leben nach dem Tod. Bereits wegen kleiner Verfehlungen droht das ewige Fegefeuer – nur wenn es Benjamin gelingt, den einen Menschen zu finden, den er als sein Gewissen wieder auf die rechte Spur bringen soll, winkt ihm der Aufstieg in den Himmel. Aber wie soll man den Einen unter Millionen Menschen finden?

Insgesamt mag die Idee (ein Verstorbener wird zur Erde zurückgeschickt, um dort eine Mission zu absolvieren, um sein Seelenheil zu erlangen) nicht ganz neu sein, dennoch hat Charbouté seine Szenerie gut konstruiert. Mit der Figur von Benjamin wird man schnell warm und erwischt sich später sogar dabei, wie man mit ihm mitfiebert, seine Mission erfüllen zu können. Wirklich gut gefallen hat mir die Pointe der Geschichte, die ich hier aber natürlich nicht verraten werde. Mit einem realitätsnäheren Zeichenstil hätte die Graphic Novel noch deutlich dazu gewinnen können, andererseits passen sich die Arbeiten künstlerisch gut dem Inhalt an.


Beurteilung der Zeichnung / Textdarstellung
Zu Beginn telefoniert ein bis dahin noch nicht weiter vorgestellter junger Mann – wie sich später ergibt, ist es Benjamin – mit seinem Freund Phil. Man bekommt das lange Telefonat zwar nur einseitig mit, aber durch die Inhalte hat man einen guten Einblick in sein Leben und die jüngsten Veränderungen – ein neuer Job, ein neues Haus, neue Sorgen. Ein guter Einstieg in die Story.

Chaboutés Zeichenstil kommt wirklich gewöhnungsbedürftig, weil extravagant und etwas egozentrisch daher. Wer den glatten, „hochauflösenden“, manchmal schon modernen Computerspielen ähnlichen Zeichenstil vieler amerikanischer und europäischer Graphic-Novel-Künstler erwartet, der wird bei „Fegefeuer“ falsch sein, denn die Arbeiten Chaboutés haben einen stark künstlerisch-eigensinnigen Charakter, sind nicht in dem üblichen Sinne schön und werden kaum einen breiten Massengeschmack finden. Aber das wollen sie auch gar nicht, denn hinter der recht einfachen und eckigen Art, mit der sowohl die Gesichtszüge, als auch die aquarellartigen Farbverläufe in den Gesichtern daherkommt, verbirgt sich die künstlerische Aussage. Was auf den ersten Blick recht grob wirkt, offenbart beim näheren Hinsehen dennoch zumeist Konturgenauigkeit und reichhaltige Einzelheiten. Von Feingliedrig kann trotzdem keine Rede sein: Pflanzen beispielsweise haben eckige, scharf umrandete Blätter, aber praktisch keine innere Zeichnung, von den für gewisse Konturen sorgenden (zweifarbigen) Farbverläufen einmal abgesehen. Abgas- und Zigarettenwölkchen erinnern, genauso wie spritzendes Wasser, an zusammengeknülltes Papier, wie man es schon in manchem Manga zu sehen bekam. Bei allem Für und Wider werden sich an diesem Zeichenstil die Geister scheiden. Entweder man mag ihn, oder man lehnt ihn ab – oder man gibt ihm in Verbindung mit der Geschichte eine Chance.
Gut getroffen ist jedenfalls das verschlafene und gelangweilte Gesicht der Sekretärin des Versicherungsmaklers. Sehr passend ist auch der Charakter von Hr. Trusquin in seiner Darstellung widergespiegelt – er kommt auch optisch als der hinterlistige und skrupellose Intrigant daher, der er auch ist. Erschreckend, wie er sich im Lauf der Geschichte noch entwickelt. Besonders bei Trusquin fällt auf, wie eckig die Portraits ausfallen, die Ohren haben harte Kanten, die Augen sind oft sechseckig.

Mehr als auf einer feinen Grafik setzt dieser Comciband auf Atmosphäre. Die vorherrschenden Stimmungen – allen voran die Hoffnungslosigkeit – wird von der Art der Zeichnungen und den verwendeten Farben, in Verbindung mit dem aquarellhaften Look, aufgegriffen und gezielt unterstrichen. Dabei ist die Farbpalette stark begrenzt und nutzt neben Weiß- vor allem sämtliche Braun- bis hin zu Schwarztönen, von Hautfarben über gelbbraun bis zu dunklen Braunarten ist alles vertreten. Rottöne kommen ebenfalls nur stark gedeckt und mit braunem Touch vor, die Sättigung sämtlicher Farben ist den Situationen entsprechend mehr oder minder stark reduziert. Rückblenden sind lediglich monochrom mit einer leichten Sepiatönung dargestellt. Zudem nutzt der Zeichner gerne das Mittel der Silhouettierung, mit dem er ganze Panels füllt oder Bildteile erstellt.
Zurück auf die Erde geschickt, hebt sich Benjamin – komplett in schwarzweiß ohne Graustufen – von seiner Umgebung ab. Zunächst treibt er ein bisschen Schabernack, bekommt aber schnell die niederschmetternde Erkenntnis, wie schwer seine Aufgabe wirklich wird, denn rings um ihn herum schwirren die Verstorbenen mit ähnlichen Aufträgen nur so vor sich hin. Und so vermischen sich die Farblosen fröhlich mit den Lebenden, bei dem Versuch, ihre Missionen zu erfüllen.

An manchen Stellen kommt der Künstler seitenweise ohne Worte aus, ihm gelingt es, allein durch seine Arbeiten die bedrückende Stimmung zu transportieren, den Leser betroffen zu machen. Sehr verloren präsentiert sich das Jenseits als völlig schwarzer, unbegrenzter Raum, in dem sich zwar recht viele Verstorbene aufhalten, die aber nicht in der Lage zu sein scheinen, einander überhaupt wahrzunehmen. Absolut skurril fügt sich da der „Angestellte“ von „Zimmer 712“ ein, der Benjamin versucht, eine Vorstellung von den Abläufen nach dem Tod zu vermitteln.


Aufmachung des Comics
Der Comicband von Christophe Chabouté wird von Ehapa Comic Collection als All-in-one, also als abschließende Zusammenstellung mit der vollständigen Geschichte, vertrieben und steckt zwischen zwei harten Buchdeckeln gebunden in einem Din A4 großen Format. Hierbei ist die Wahl der Materialien, sowohl des Umschlagkartons als auch des Papiers im Innern, gut getroffen und hinterlässt einen hochwertigen Eindruck.
Eindrucksvoll ist die Gestaltung des Covers, welches mich direkt angesprochen hat – eine in weißem Dunst gehaltene und ansonsten schwarz hinterlegte Wendeltreppe, die in die Tiefe führt. Außer dem Namen des Autors als kleiner und der Titel als etwas größerer Schriftzug gibt es nur noch ein kleines Logo des Verlags. Im Gegensatz zur Rückseite – hier lässt sich ein Bild eindeutig als Aquarellzeichnung erkennen – lässt das Cover jedoch keine Rückschlüsse auf die Zeichenqualität zu, so dass Interessierte vor dem Kauf unbedingt erst vorher in dem Comic blättern sollten, um festzustellen, ob ihnen Chaboutés Stil liegt.

Der Umfang und die Verarbeitung des Comicwerks rechtfertigen den Preis für diese Graphic Novel, allerdings wären einige ergänzende Informationen zum Autor und Zeichner schön gewesen, denn diese fehlen gänzlich.


Fazit
„Fegefeuer“ ist eine Hommage an das Leben – einfühlsam, zuweilen niederschmetternd, wenn man Benjamin begleitet. Dabei ist dieses Werk nichts für Leser, die einen anspruchsvollen Zeichenstil bei ihren Comics voraussetzen, zu stark im Künstlerischen liegt die Art der Arbeiten und sind sowohl eigensinnig als auch extravagant. Die Gewichtung liegt eindeutig darauf, Atmosphäre zu schaffen, Gefühle zu vermitteln, und das gelingt Chabouté recht gut.


3 Sterne


Hinweise
Diesen Comic kaufen bei: amazon.de

Facebook-Seite

FB

Partnerprogramm

amazon

Mit einem Einkauf bei amazon über diesen Banner und die Links in unseren Rezensionen unterstützt du unsere Arbeit an der Leser-Welt. Vielen Dank dafür!

Für deinen Blog:

BlogLogo