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Hallo, Herr Rambe, danke, dass Sie sich die Zeit für ein Interview nehmen. Sie sind ja eigentlich Rechtsanwalt, wie kam es dazu, dass Sie nun Romanautor wurden?

Ich habe schon immer gern geschrieben, schon seit der weiterführenden Schule und auch vorher. Irgendwie musste das belletristische Schreiben dann Platz machen für mein Studium, die Arbeit und dann auch für das Familienleben. Es ist kein Zufall, dass ich mich dazu entschieden habe, mich auf Vertragswesen und Wirtschaftsrecht zu spezialisieren, wo ich ein gewisses Ventil für meine Kreativität finden konnte. Aber der Traum vom Romanschreiben war immer da. Als wir, meine Familie und ich, dann in die Kleinstadt Strängnäs zogen, habe ich dann endlich die Zeit und Inspiration gefunden, wieder mit dem Schreiben anzufangen. Jetzt ist es ein wichtiger Teil meines Lebens.


Wie entstand die Idee zu Ihrem ersten Roman „Die Spur auf dem Steg“? Gab es ein reales Ereignis, auf dem Ihre Geschichte basiert?

Ich wurde sehr beeinflusst von Strängnäs und den Dingen, die dort vor sich gehen. Die Geschichte ist reine Fiktion, aber trotzdem fest eingebettet in die aktuelle Umgebung und mit einem realen politischen und historischen Hintergrund.


„Die Spur auf dem Steg“ hat eine sehr komplexe Handlung auf verschiedenen Zeitebenen und mit unheimlich vielen Personen. Wie erarbeitet man eine solche Geschichte? Und wie behält man den Überblick?

Ich schätze, so funktioniert mein Gehirn. Ich versuche immer, eine Geschichte aus verschiedenen Perspektiven zu schildern und in diesem Fall wollte ich dem Ort und seinen Einwohnern Leben einhauchen. Deshalb habe ich viel an den Charakteren und an der Beschreibung der Umgebung gearbeitet. Ich wollte einfach, dass es sich echt anfühlt. Ich möchte, dass der Leser an der Geschichte teilhat und sich mit ihr auseinandersetzt. Da sie viel von einem Puzzle hat, möchte ich, dass der Leser die Einzelteile zusammensetzt und Genugtuung empfindet, wenn er mehr weiß als die handelnden Personen. Einige Leser sind frustriert über das Unverständnis bei Polizei und Reportern. Das ist einkalkuliert. Natürlich gibt es einige Leser, die dieses Spiel lieben und andere, die es nur verwirrend oder lästig finden.
Der Überblick war größtenteils in meinem Kopf. Die Geschichte entstand Szene für Szene – nicht notwendigerweise in chronologischer Reihenfolge. Abgesehen davon habe ich natürlich Übersichten zu den Figuren gemacht, etwa wie sie zueinander stehen und wo die Konflikte sind (oder sein könnten).


Ihre Figuren wirken sehr lebendig und authentisch. Gab es lebende Vorbilder für einige von Ihnen?

Ich freue mich sehr, dass Sie das so sehen. Nein, eigentlich nicht. Zumindest gibt es kein spezielles Vorbild für eine erdachte Person. Aber ich beobachte gern Menschen und höre ihnen zu, ergründe ihre Motivationen, ihre Lebensverhältnisse und ihre Sicht der Dinge. Das ist für mich die Basis zum Erschaffen einer Figur, die es so wirklich geben könnte.


Ihr Buch gilt in Deutschland als Geheimtipp. Wie ist es für Sie, neben so bekannten Autoren wie Arne Dahl, Jo Nesbø oder Ǻke Edwardson bestehen zu müssen?

Ich bin sehr erfreut, dass das Interesse so groß ist. Die Autoren, die Sie erwähnen, tragen große Namen und ich kann nur hoffen, eines Tages ebenso versiert zu sein wie sie. Da ich ihre Bücher gern lese, ist es wirklich schön, wenn ihre Leser auch mein Buch mögen. Da ich erst mit dem Schreiben angefangen habe, ist das natürlich sowohl eine Belohnung als auch eine positive Herausforderung für mich.


Die Deutschen lieben skandinavische Krimis. Haben Sie eine Idee, warum das so ist? Was ist so besonders an schwedischen, norwegischen oder dänischen Morden?

Es ist immer schwierig, mit Sicherheit zu sagen, was Leser motiviert. Ich denke, wir haben Glück in Skandinavien, einige großartige Krimiautoren zu haben. Das inspiriert dann andere und so entsteht eine Tradition. Ich denke aber auch, dass es mit dem großen Kontrast zwischen idyllischen Orten und den tödlichen Verbrechen zu tun hat, die hier dargestellt werden. Natürlich hat es mich fasziniert, wie eine Kleinstadt wie Strängnäs durch ein Verbrechen berührt würde und wohin das dann führen könnte. Ich bin sicher, das gilt auch für Mankells Ystad, Läckbergs Fjällbacka oder Östlundhs und Jungstedts Gotland.


Und eine Frage in diesem Zusammenhang noch, die mich schon lange interessiert: Warum sind skandinavische Ermittler so oft depressiv, süchtig oder sonst irgendwie verkorkst?

Haha, gute Frage. Ich kann da nur raten. Das skandinavische Gemüt (falls es so etwas gibt) tendiert ein bisschen ins Depressive. Die Winter sind lang und dunkel und in manchen Belangen ist das Leben schwieriger als in anderen Teilen der Welt. In Schweden, das ich naturgemäß am besten kenne, basiert die persönliche Freiheit darauf, Teil eines Ganzen zu sein. Der Staat ist dazu da, das Wohlergehen aller zu garantieren. Große Abweichungen werden faktisch nicht toleriert (auch wenn ich denke, dass die meisten Schweden sich selbst für ausgesprochen tolerant und aufgeschlossen halten). Damit kommt nicht jeder zurecht. Depressionen und Sucht sind daher nicht unüblich.

Aber natürlich ist es, wie Sie auch sagen, ein literarischer Trend. Wie macht man seine Hauptfigur interessant genug? Ich schätze, die Antwort ist, dass der perfekte Held einer ist, der selbst nicht perfekt ist. Allerdings denke ich auch, dass das auf die Dauer ein bisschen langweilig wird.


Als skandinavischer Krimiautor hat man gewisse Erwartungen zu erfüllen und mindestens genauso gut wie Stieg Larsson oder Henning Mankell zu sein. Wie gehen Sie damit um, dass man zum Beispiel Autoren aus dem englischsprachigen Raum äußerst mittelmäßige Romane abkauft, deren schlampige Konstruktion oder unglaubwürdige Figuren man Ihnen als Schwede niemals verzeihen würde?

Nun, ich kann nur so gut schreiben wie ich kann. Wie oben schon erwähnt, ist es heutzutage in vieler Hinsicht ein Privileg, ein skandinavischer Autor zu sein. Wenn dann hohe Erwartungen damit verknüpft sind, kann ich mich nur bemühen, diese zu erfüllen. Ich schätze jeder Schriftsteller hat sein eigenes Temperament, welches in unterschiedlicher Weise zu seinen Lesern passt. Ich werde bei meinem Stil bleiben und hoffe, das ist interessant genug. Im Allgemeinen denke ich aber, dass der Erfolg eines Autors mehr mit seiner Arbeit und ihm selbst zu tun hat als mit seiner Nationalität.


Sie leben zur Zeit in Nairobi. Wie wirken sich diese völlig anderen Lebensumstände auf Ihre Arbeit aus? Können Sie eventuell für weitere Bücher etwas „mitnehmen“?

Es ist eine großartige Gelegenheit für mich, hier zu sein. Es ermöglicht mir, mich ganz dem Schreiben zu widmen und gibt mir eine neue Sicht auf das Leben und die Welt. Kenia ist ein aufregendes Land und es ist unmöglich, davon nicht inspiriert zu werden. Im Moment spiele ich gerade mit dem Plot für meinen dritten Roman der Strängnäs-Serie, der die Handlung hier nach Nairobi bringt. Ich denke, das könnte wirklich funktionieren, denn manche Dinge, die hier passieren, sind der lebende Beweis, dass die Realität die Fiktion um Längen schlägt.


Was lesen Sie selbst gern? Haben Sie Lieblingsautoren oder Vorbilder?

Ich lese viele verschiedene Genres. Natürlich Thriller und Kriminalromane, aber auch Science Fiction oder Dokumentationen. Und manchmal große Literatur. Ich liebe die Bücher von Henning Mankell und Håkan Nesser. Andere Autoren, die ich mag, sind zum Beispiel Carlos Ruiz Zafón, John Varley und Chimamanda Ngozi Adichie. Außerdem lache ich gern bei den Büchern von Aarto Paasilinna.


Wann werden wir in Deutschland Neues von Fredrik Gransjö (Schön zu wissen, dass er weder Alkoholiker noch depressiv ist!) lesen können?

Die unabhängige Fortsetzung heißt „Skuggans spel“ (deutsch: Schattenspiel) und wird in Schweden im Juni dieses Jahres erscheinen. Für Deutschland ist noch nichts entschieden, aber ich hoffe, es wird irgendwann im nächsten Jahr soweit sein.


Herzlichen Dank für dieses Interview!

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