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Kategorie: 1800 – 1900 Romantik, Biedermeier, Gründerzeit usw

Ostpreußen 1875: Die junge Lore lebt nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem Großvater Nikolaus von Trettin. Lore hält diesen für verarmt und ahnt nicht, dass er sein Geld beiseite geschafft hat, um es ihr nach seinem Tod zu vererben – sehr zum Ärger seines Neffen, der nur einen Gedanken hat: Er muss die Rivalin aus dem Weg schaffen. Um sie zu retten, schmiedet Nikolaus einen tollkühnen Plan: Lore soll nach Amerika auswandern und so ihrem geldgierigen Verwandten entkommen. Doch auf ihrer Reise in die Neue Welt lauern viele Gefahren auf das junge Mädchen …  

 

 

Autor: Iny Lorentz
Verlag: Droemer/Knaur
Erschienen: 10/2009
ISBN: 978-3426504055
Seitenzahl: 540 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Die 15-jährige Lore Huppach, Enkelin des Freiherrn von Trettin auf Trettin aus Ostpreußen, ist die Hauptfigur. Das arme Mädchen wird von Unglücksfällen gebeutelt, von Intrigen getrieben, kämpft sich durch und erfreut sich an einem glücklichen Ende.

Wolfhard (Großvater) schmiedet Pläne wie ein kleiner Spitzbube, um seiner Enkelin Lore ein neues Leben in Amerika zu ermöglichen - ansonsten würde sie nach seinem Tod unter die Vormundschaft von Ottokar und seiner Brut geraten. Nur kann er nicht ahnen, was seine geliebte Enkelin auf ihrer Reise (die schon sehr bald ein abruptes Ende findet) erwartet. Er wird noch nicht einmal erfahren, dass das Dienstmädchen Elise, mit fast allem was er ihr für Lore mitgegeben hat, durchbrennt. Lore behält nur ihre Segeltuchtasche und den „wertvollen Mantel“, in dem mehr drin steckt als sein grobes Äußeres preisgibt, und wird auf dem Dampfer „Deutschland“ allein sitzen gelassen. Dort begegnet sie Graf Retzmann (Natis Großvater) und Nathalia (6 Jahre alt) und auf dessen Wusch nimmt sie sich dem elternlosen Mädchen als ihre Freundin an.
Während der katastrophalen Zustände auf der verunglückten „Deutschland“ erlebt Ruppert von Retzmann endlich den Triumph über den Grafen, als er durch einen inszenierten Unfall Nathalias Großvater das Leben nimmt. Da alle an Bord um ihr Leben kämpfen, scheint dies niemandem aufzufallen, jedoch geht Lore als Zeugin hervor und entscheidet sich, nicht ewig zu schweigen! Nathalia und sie sind für Ruppert nur ein weiteres Hindernis, das es zu beseitigen gilt, um an das Retzmann-Vermögen zu kommen. Und dieses braucht er unbedingt, um in seiner Branche aufzusteigen. Währenddessen entschließt sich Fridolin (Lores verarmter Onkel) Geld zu beschaffen und ihr hinterher zu reisen, um sie gegebenenfalls lebend vorzufinden, obwohl er nichts über ihren Verbleib weiß.

Ungewöhnlich finde ich, dass dies mein erster Roman vom Münchener Autorenpaar ist, der mal nicht im Mittelalter spielet, sondern zur Zeit von Otto von Bismarck.


Stil und Sprache
Lesestoff, aus dem gute Iny Lorentz-Romane entstehen: dramatische Ereignisse, Liebe, Geld, Macht und einige Todsünden sind auch mit dabei. Das Autorenduo* beschreibt die Charaktere sehr detailliert und bildhaft. In die Erzählung speist Iny Lorentz auf eine angenehme Art die Beschreibung der Umgebung ein, ohne dass diese auf mehrere Seiten ausschweift. Die Schauplätze werden gut dargestellt, doch bleiben die Ortswechsel auf der Strecke, da Städte nicht umfassend beschrieben werden.

Die Geschichte wird aus der Sicht des Autors erzählt, es wurde also keine Ich-Form angewandt und Perspektivenwechsel gibt es auch nicht. Der flüssige und gut lesbare Schreibstil hat mir keine Schwierigkeiten beim Einstieg in die Handlung bereitet, vielmehr schlägt dieser ein wie eine Bombe. Auf die Protagonisten regnet es nur so mit Beschimpfungen (wie Trampel oder Dienstbolzen) herab, und das unabhängig davon, welchem Stand sie angehören! Selbst ein Lorentz' Fan – wie ich einer bin – muss zugeben, dass es nicht gerade zu deren Stärke gehört tiefe Charakterzüge anzubieten, doch dieses Werk erreicht eine mir bisher ungeahnte Weite des Möglichen. Wer auch diesmal >aus Gewohnheit< nach romantischen Verwicklungen sucht, tut dies hier vergeblich. Lores Herzensangelegenheiten werden eher nüchtern betrachtet, sie verliebt sich zwar in einen Mann, doch bleibt ihr diese Liebe verwehrt.

Das Autorenpaar vermag wortwörtlich das Böse im Menschen auf Papier zu bannen. Sie schaffen es, ihre Geschichten ins richtige Licht zu rücken und beschreiben dabei genauestens, wie so viele Menschen sich gegenseitig - mit ihrer Boshaftigkeit - das Leben schwer machen. Da wäre z.B. der Geistliche, einer der vielen Speichellecker von „Ottokar dem mächtigen Gutsherrn von Trettin“ - allesamt von Geld- und Machtgier beherrscht. In Lorentz' Romanen bekommt die Religion eine wichtige Rolle zugeteilt und kommt im Allgemeinen regelmäßig vor. Die Kirche bedeutet – für die im Roman vorkommenden Charaktere – oftmals einen verheerenden Wendepunkt für ihr auch so schon armseliges Leben. 


Figuren
Die Vielfalt der facettenreichen Figuren nimmt einfach kein Ende, angefangen mit hilfsbereiten Menschen wie Doktor Mütze, über Thomas Simmern (den künftigen Vormund von Nathalia) bis hin zu bösartigen Kreaturen wie Ruppert und seinem Gesinde, der ein führendes Mitglied in einer internationalen Verbrecherorganisation ist, die sich neben Erpressung im großen Stil auf Waffenschmuggel spezialisiert hat. Einer der anderen Übeltäter im Roman ist Ottokar von Trettin, er fackelt - quasi aus Versehen - das Haus seiner Base (Lores Mutter) ab, doch haben er und seine bösartige Frau Malvine keinen Grund, auch nur eine einzige Träne zu vergießen - die beiden machen sich wie eh und je nur Sorgen um ihre eigene Haut.
Lore ist eigentlich eine unscheinbare Figur im Buch, sie kommt trotz ihrer Rolle als Hauptfigur recht passiv rüber, man könnte sagen, dass ihr aktives Umfeld die Entscheidungen für sie trifft. Doch wächst sie über sich hinaus und wird sehr schnell Erwachsen. Als das Schicksal sie mit Unglück überhäuft, sieht sie in ihren Freunden einen Lichtschein am Horizont, der für sie auch das schöne im Leben bereit hält, sie vorantreibt und sie trotz allem für die Zukunft derer, die sie lieb gewonnen hat, kämpfen lässt. Von Verzweiflung gepeinigt, bekommt Lore immer wieder, ohne ihr Zutun, einen neuen Lebensinhalt. Gleich zu Anfang wird die Kleine nur so mit Unglück überschüttet, die Frage; „Kann man wirklich so von Pech verfolgt werden?“, stellte ich mir sehr häufig während des Lesens.
Lores Handlugen konnte ich nicht immer nachvollziehen, da sie so sprunghaft ist - mal ist sie noch das naive adlige Mädchen, dann wieder die mutige Beschützerin. Außerdem ist da ja noch die Komtess Nathalia - mit ihren altklugen Kommentaren - eine lustige Göre, die trotz allem eine kleine, perfekte Lady spielen kann!


Aufmachung des Buches
Diesen Roman schmückt ein schönes Cover, das ein gemaltes Bildnis einer jungen Frau zeigt. Über diese kräftigen Farben wurde der Titel in goldener Schrift eingestanzt.

Hinten im Buch ist die Auflistung der einzelnen Charaktere bzw. Personen, die auch noch nach den verschiedenen Schauplätzen geordnet ist, abgedruckt. Das gefällt mir, so verliert man nicht den Anschluss und vor allem die Übersicht über alle Nebenfiguren und deren besondere Rollen im Leben der jungen Hauptfigur Lore. Im Nachwort wird auf die Geschichtsdaten hingewiesen - was 1875 passierte -,  das Thema wurde ins Buch übernommen und der Rest der Fantasie überlassen. Die Katastrophe bezüglich des NDL-Schnelldampfers „Deutschland“ ist also nicht frei erfunden, sondern basiert auf einer wahren Begebenheit.

Der Roman ist in 8 Teile mit Titel und darüber hinaus noch in viele nummerierte Kapitel gegliedert:
1. Das Unglück
2. Die Flucht
3. Tod in der Themsemündung
4. Die Entführung
5. In London
6. Ruppert
7. Bremen
8. Wieder zu Hause


Fazit
Ich war jedes Mal enttäuscht, wenn ich den Roman wieder aus der Hand legen musste. Die Fahrt im Zug, die ich täglich auf dem Weg zur Arbeit zurücklege, verflog geschwind, sobald ich diese Geschichte las! Ich empfand diesen historischen Roman als entspannend und unterhaltsam -  rundum reicht meine Begeisterung aus, um auf eine Fortsetzung mit denen in diesem Buch mitspielenden Charakteren zu hoffen.


4 Sterne


Hinweise
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Hinter dem Autorennamen Iny Lorentz steht das Autorenduo und Ehepaar Elmar und Iny Lorentz.