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Es beobachtet. Es lernt. Und es tötet.

Auf dem Bildschirm erschien das körnige Videobild eines Mannes. Er nickte müde in die Kamera. «Detective Sebeck. Darf ich mich vorstellen? Ich war Mathew Sobol, zu Lebzeiten Chef von CyberStorm Entertainment.» Sebeck beugte sich vor. «Wie ich sehe, sind Sie mit den Mordfällen Pavlos und Singh befasst. Um Ihnen unnötigen Aufwand zu ersparen, sage ich Ihnen: Ich habe beide getötet. Warum, werden Sie bald erfahren. Allerdings haben Sie ein Problem. Sie können mich nicht verhaften. Sie können mich nicht aufhalten. Denn ich bin tot.»

Seit langem wusste Mathew Sobol, Computergenie und einer der reichsten Männer des Silicon Valley, dass er sterbenskrank ist. Exakt in der Sekunde seines Todes nehmen rund um den Erdball Computerprogramme ihre Arbeit auf – zunächst unbemerkt, aber sehr bald schon wird deutlich, dass ein DAEMON unseren gesamten digitalisierten Planeten infiziert hat. Ein DAEMON, der herrscht, ein DAEMON, der tötet. Und in einer Welt, in der alle vernetzt sind, kann ihm keiner entkommen.

 

Daemon  Autor: Daniel Suarez
Verlag: rowohlt
Erschienen: 03/2010
ISBN: 978-3499252457
Seitenzahl: 656 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Es hört sich schon etwas merkwürdig an, dass ein totes Computergenie in der Lage sein soll, praktisch aus dem Jenseits heraus die Welt zu manipulieren, Menschen zu töten und alle anderen nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Um diesen Thriller zu genießen, muss man sich einlassen auf diese waghalsige Grundthese, die den Leser in eine Zukunft führt, die wir so sicher nicht erleben wollen. Inhaltlich bleibt dem Klappentext wenig hinzuzufügen, viele Menschen unterschiedlicher Couleur versuchen auf über 600 Seiten, den entfesselten DAEMON zu stoppen, dessen Name eine Abkürzung für ein Computerprogramm ist, das ständig im Hintergrund abläuft und zu festgelegten Zeitpunkten oder als Reaktion auf bestimmte Ereignisse spezielle Prozesse ausführt. Viel mehr passiert eigentlich gar nicht, und trotzdem ist Daniel Suarez ein spannender Thriller gelungen, der vom Identitätsdiebstahl bis zur feindlichen Übernahme ganzer Konzerne per Internet und Parallelwelten in Online-Rollenspielen so ziemlich alles abdeckt, was ein PC hergibt.


Stil und Sprache

Daniel Suarez ist Computerexperte und weiß, worüber er schreibt. Leider geht er davon aus, dass seine Leser ebenso viel über Computer, Netzwerke und Internetrollenspiele wissen wie er selbst. Bereits auf den ersten Seiten kommen so viele Fachbegriffe und technische Erklärungen vor, dass ich zunächst dachte, ich hätte mich in ein PC-Handbuch verirrt. Fast hätte ich das Buch wieder zur Seite gelegt, bis ich entdeckte, das man alle diese hochtechnischen Erklärungen gar nicht benötigt, um die Geschichte drumherum zu genießen. Aber auch abseits der technischen Details reizt die oft recht schräge Ausdrucksweise des Autors so manches Mal zum Grinsen und man fragt sich, wo er seine kruden Wortkombinationen hernimmt. „Sie hatten bereits im Krieg gegen den Terror und im Anti-Drogen-Krieg zusammengearbeitet und waren bereit, auch jedes weitere schurkische Substantiv zu bekämpfen. Ein ganzes Periodensystem von Institutionen war vertreten (…)“ (S. 156).
Von diesen Kleinigkeiten abgesehen, hat Daniel Suarez eine überaus spannende Geschichte um seine Grundidee herum gestrickt, erzählt aus verschiedenen Perspektiven und mit schnell wechselnden Schauplätzen, so dass man öfter mal die Personen neu sortieren muss, um nicht den Überblick zu verlieren. Immer wieder habe ich mich außerdem gefragt, was an seiner Story noch der Realität entspricht und an welcher Stelle der Leser in eine Science-Fiction-Welt geführt wird. Wenn die reale Welt zu einem riesigen Rollenspielszenario wird, gruselt es einen schon ein bisschen vor dem, was da in Zukunft noch auf uns zukommen könnte … oder vielleicht schon als DAEMON mitten unter uns ist.
Aber vor allem ist dies ein Thriller mit allem, was das Genre braucht: Ein fieser Killer ist da, sehr ausgedehnte, teilweise äußerst brutale Actionszenen, jede Menge Geheimdienste und Behörden, ein großer Showdown am Ende und ein klitzekleines bisschen Liebe darf auch nicht fehlen. Dass bei dem hohen Tempo, das Daniel Suarez anschlägt, die Atmosphäre zu kurz kommt, versteht sich von selbst, ist aber weniger schlimm als das zum großen Teil offene Ende, das den Leser ziemlich ratlos zurücklässt und auf die bald folgende Fortsetzung verweist.


Figuren

Es gibt eine unüberschaubare Fülle von Figuren in diesem Roman, einige von diesen haben eher Hauptrollen, andere liegen nur als Leichen irgendwo herum oder dienen als Kanonenfutter für ferngesteuerte Killerautos. Ein richtiger Held ist irgendwie nicht dabei, am ehesten als Protagonisten bezeichnen könnte man wohl Detective Pete Sebeck, der als Polizist die ersten beiden Morde aufklären soll, bis er vom FBI abgelöst wird, und Jon Ross, Computerconsultant und Experte für Internet-Rollenspiele, der zunächst als Verdächtiger vernommen wird und später den Kampf gegen den DAEMON aufnimmt. Hintergrundinformationen gibt es über beide eher wenige und besonders Jon Ross’ wahre Identität bleibt bis zum Schluss ein Geheimnis. Hier wäre ein bisschen weniger Technikverliebtheit und dafür mehr Liebe zu den Figuren sicher schön gewesen.

Auch die übrigen Akteure bleiben eher konturlos und blass, das geht teilweise so weit, dass Dialoge drehbuchartig abgekürzt und gar nicht mehr von Menschen geführt werden, sondern nur noch die Institutionen genannt werden, die sie vertreten. Da heißt es dann nur FBI, CIA oder NSA und verstärkt den (sicher gewünschten) Effekt, dass man auch als Leser die wahren Motive dieser Behörden nicht erkennen kann. Dieser etwas lieblose Umgang mit den Figuren kommt ja in vielen Romanen dieses Genres vor und ich frage mich dann immer wieder, ob mir das gefällt oder nicht. Hier hat es mich zumindest nicht sehr gestört, macht doch die furiose Story eine Menge wett!


Aufmachung des Buches
Das großformatige Taschenbuch ist in Klappenbroschur und sehr auffällig mit einem hochglänzenden Cover gestaltet. Dieses zeigt vor einem schwarzen Hintergrund eine Art kupferfarbene Röhre, die vom Betrachter wegführt und deren Wände mit Einsen und Nullen beschriftet sind. Auch Titel und Klappentext sind in verschiedenen Kupfertönen gestaltet. Der Roman selbst ist in drei Teile gegliedert, zwischen deren Handlungssträngen jeweils acht bzw. sechs Monate liegen. Die insgesamt 45 Kapitel haben teilweise als Eingangssequenz eine ticker-ähnliche Nachrichtenmeldung in anderer Schriftart.


Fazit

Ein außergewöhnlicher Thriller mit Science-Fiction-Elementen und viel Action, spannend geschrieben und mit ein paar originellen Ideen. Kleinere Schwächen fallen nicht so sehr ins Gewicht, wenn man sich auf das Hauptthema des Romans einlassen kann: der zunehmende und ziemlich erschreckende Einfluss der digitalen Welt auf das Leben jedes Einzelnen. Besonders für Technik-Freaks oder auch Rollenspieler bestimmt eine ideale Lektüre, aber auch für alle anderen Thriller-Fans ein Lesevergnügen. Allzu zart besaitet sollte man allerdings nicht sein, manchmal geht es schon ganz schön zur Sache.


4 Sterne


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