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Die Kriegsvergangenheit zeigt auch heute noch in vielen Familien Spuren, bis in die zweite und dritte Generation hinein. Jetzt meldet sich die Generation der Kinder der Kriegskinder zu Wort. Ein Buch, das den "Kriegsenkeln" hilft, sich selbst besser zu verstehen.
"Die Kriegsenkel sind die heute 35- bis 50- jährigen Kinder der 'Kriegskinder'. Sabine Bode verdeutlicht anschaulich die weitreichenden transgenerationalen Auswirkungen auf ihre Erziehung und Entwicklung und sogar auf ihre gegenwärtigen Beziehungen. Vieles ist beunruhigend, die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen besteht weiter" Hartmut Radebold

 

  Autor: Sabine Bode
Verlag: Klett-Cotta Verlag
Erschienen: Januar 2010
ISBN: 978-3608945508
Seitenzahl: 304 Seiten


Stil und Sprache
Sabine Bodes Stil und Sprache sind unauffällig. Nie passiert es, dass man Sätze zweimal lesen muss, um sie zu verstehen. Fachspezifische Ausdrücke verwendet sie sehr sparsam und erläutert immer deren Bedeutung. Alles in allem ist ihr Buch gut lesbar und auch für Laien verständlich geschrieben. Ihren Gesprächspartnern begegnet sie mit viel Einfühlungsvermögen, und indem sie diese häufig wörtlich zitiert, erreicht sie ein hohes Maß an Lebendigkeit und Authentizität.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Die vielen Briefe zu ihrem Buch "Die vergessene Generation: Die Kriegskinder brechen ihr Schweigen" veranlassten die Autorin, sich der nächsten Generation, den Kriegsenkeln, zuzuwenden. Dieser im Frieden aufgewachsenen Generation, der es materiell zudem an nichts gefehlt hat, sollte es doch gut gehen. Dem war aber nicht so, wie sie in vielen Gesprächen feststellte. Ihre Gesprächspartner fühlten sich häufig überfordert und waren mit sich selbst nicht im Reinen. Gemeinsam war ihnen allen, dass die Abnabelung von den Eltern oft noch nicht (vollständig) stattgefunden hatte und sie übermäßig loyal ihren Eltern gegenüber eingestellt waren. In vielen Fällen waren die Kinder gar zu Eltern der eigenen Eltern geworden und das schon von Kindesbeinen an. Alle litten sie unter der emotionalen Kälte des Elternhauses.
Woher kommt das? Wo liegen die Ursachen? Diesen Fragen spürte Bode nach und fand die Antworten in der Traumaforschung. Sie erkannte, dass der 2. Weltkrieg noch immer nachwirkt. Die eigenen unbewältigten Traumata wurden von den Kriegskindern unwissentlich an die nächste Generation weitergegeben - die nun die Last zu tragen hat. In den Familien herrscht noch immer ein „Schweigegebot“.  Anhand der Erkenntnisse der Traumaforschung nennt die Autorin die Gründe dafür, warum sich die  Kriegsenkel so häufig emotional vernachlässigt fühlen und weshalb sie lebenslang um die Liebe der Eltern ringen und sie doch nicht bekommen können.

Beim Lesen fällt irgendwann aber auf, dass in den Fallbeispielen die Kriegskinder zum überwiegenden Teil Opfer von Flucht und Vertreibung sind. Eine gewisse Einseitigkeit findet sich auch auf Seiten der Kriegsenkel. Sie sind in der Regel Akademiker oder Künstler, zumeist sehr sensible, nachdenkliche und selbst reflektierende Menschen. Man könnte somit auf die Idee kommen "Kriegsenkel" bezeichne nur eine bestimmte Klientel. Ein Eindruck, der sicherlich nicht zutrifft, aber durch eine geschicktere Auswahl der Interviews hätte vermieden werden können.

Obwohl die Autorin den Kriegsenkeln offen und mit viel Verständnis begegnet, gelten ihre Sympathien doch überwiegend den Kriegskindern. Aus diesem Grund hinterlässt ihr Schlusswort, in dem sie die Kriegsenkel auffordert, alle Versäumnisse der Kriegskinder auf emotionalem, gesellschaftlichem und politischem Gebiet wieder gut zu machen, zwiespältige Gefühle. Auf welcher Seite steht die Autorin eigentlich? Hat sie wirklich begriffen, wie es um die Kriegsenkel bestellt ist? Greift bei ihr nicht auch das Tabu, die eigenen Eltern nicht zu belasten?
Trotzdem ist es ein Buch, das den Kriegsenkeln Mut macht, auch mal an sich zu denken und unpassende Schuldgefühle über Bord zu werfen.


Aufmachung des Buches
Sowohl der Einband, als auch der Umschlag des gebundenen Buches sind in dezentem Beige gehalten. Der Titel erscheint in übergroßen, rot-orangefarbenen Buchstaben und fällt sofort ins Auge. Die 14 Kapitel sind jeweils einem Gesprächspartner gewidmet, stehen aber immer unter einem Motto (12. Kapitel "Grenzen ziehen"). Zwei Seiten Literaturhinweise zum Weiterlesen vervollständigen dieses Buch. Bei dem Preis hätte ein Lesebändchen aber drin sein müssen ...


Fazit
Ein wichtiges Buch für alle Kriegsenkel, das ihnen sicher helfen wird, sich und ihre Eltern besser zu verstehen. Schön wäre es, wenn auch Kriegskinder zu den Lesern zählten, damit die Sprachlosigkeit zwischen den Generationen endlich beendet werden kann.


4 Sterne


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Den Nachkriegskindern widmet sich die Autorin in diesem Buch: Nachkriegskinder: Die 1950er Jahrgänge und ihre Soldatenväter

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