Etwas lange Totgeglaubtes erhebt sein Haupt.

Max und seine Familie ziehen in ein verschlafenes Fischerdörfchen. Doch schon bald trübt sich das friedliche Bild, denn ein kleiner Junge ist unter rätselhaften Umständen ertrunken. Eine geheimnisvolle Macht bedroht nun auch Max und seine Familie. Als er mit seinem neuen Freund Roland zu einem versunkenen Schiff taucht, spürt Max, wie etwas Schreckliches in der Tiefe lauert. Gibt es eine Verbindung zum finsteren >> Fürst des Nebels

 

Die Grundidee der Handlung
Wir schreiben das Jahr 1943 und der tobende Krieg fordert seinen Tribut. Der Uhrmacher und passionierte Erfinder Maximilian Carver beschließt, samt seiner Familie der Stadt den Rücken zu kehren und fortan in einem Strandhaus in einem Dorf an der Küste auf bessere Zeiten zu hoffen. Lediglich für Max, dessen dreizehnter Geburtstag somit einen trüben Anstrich bekommt, kam der unumstößliche Entschluss seines Vaters überraschend.
Das Meer, der Sommer, der Krieg schon fast ein unwirkliches Schreckgespenst - ein neues Leben fernab der Heimat beginnt. Doch die malerische Idylle trügt…
Schwermut lastet zu Ehren der Geister der Vergangenheit über dem Ort, der Zeuge einiger Schicksalsschläge war. 1918 ist der Frachter Orpheus in einem fürchterlichen Unwetter an den Klippen der Steilküste zerschellt und binnen weniger Minuten gesunken. Das Wrack liegt auch heute noch rund 30 Meter vom Ufer entfernt in etwa 10 Metern Tiefe, umgeben von dunklen Schatten. Leichen wurden nie gefunden. Einziger Überlebender war Victor Kray, der aus Dankbarkeit für seine Rettung kurze Zeit später einen Leuchtturm errichtete, um eine Wiederholung der Tragödie zu verhindern. Er kannte auch die Fleischmanns sehr gut, die einst in dem Haus lebten, das nun von Max und seiner Familie bewohnt wird. 1932 hat das Schicksal dem Chirurgen Dr. Richard Fleischmann und seiner Frau Eva Gray böse mitgespielt. Der Sohn namens Jacob ertrank unter mysteriösen Umständen, als er am Strand vor dem Sommerhaus spielte. Daraufhin ging es mit Fleischmanns Gesundheit stetig bergab, bis auch er verstarb.
Zurück bleiben einige Filmspulen, die Aufschluss über Umgebung und Bewohner geben und die Erinnerungen des Leuchtturmwärters…

Stil und Sprache
Carlos Ruiz Zafón verfasste bereits in Kindheitstagen unheimliche Geschichten, um schließlich einige Jahre später mit phantastischen Jugendromanen erste große Erfolge zu feiern. “Der Fürst des Nebels” ist das viel umjubelte, mit dem Spanischen Jugendliteraturpreis ausgezeichnete Debüt, dessen Originalausgabe ‘El Princípe de la niebla’ bereits aus dem Jahre 1993 stammt. In neuer Übersetzung und komplett vom Autor überarbeitet, erfreut der phantasievolle Roman erneut Jugendliche ab zwölf Jahren sowie junge Erwachsene und lehrt sie das Fürchten.
Carlos Ruiz Zafón ist ein wahrer Meister der Erzählkunst. Eingebettet in die Idylle verschnörkelter viktorianischer Häuser kombiniert er Elemente des klassischen Schauerromans und spannende Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart mit Aspekten des Heranwachsens, Freundschaft, Liebe und Zusammenhalt. In dritter Person Singular aus Sicht eines allwissenden Erzählers erhält der Leser in achtzehn Kapiteln zuzüglich Epilog Einblick in die einschneidenden Ereignisse um die Familien Carver und Fleischmann, dem Leuchtturmwärter Victor Kray und dem Magier Dr. Cain. Emotionen und Gedanken der Figuren bleiben nicht verborgen und ergeben zusammen mit wechselnden Perspektiven, zahlreichen Details und ausschmückenden Beschreibungen schlussendlich ein kompaktes Bild des Geschehens. Zafón überzeugt mit einem flüssigen, fesselnden Schreibstil und klarer, jugendgerechter Sprache. Die gewählten Worte sind einfach, jedoch bedeutungsvoll inszeniert und mit einem poetischen Timbre unterlegt. Hier und da gestreute Hinweise und Andeutungen erzeugen nicht nur Neugier auf den weiteren Verlauf der Geschichte, sondern regen zudem zum Nachdenken an. In durchgehend geheimnisvoller Atmosphäre steigt der Spannungsbogen unaufhaltsam, um schließlich in einen abenteuerlichen Showdown zu gipfeln. Eine undurchschaubare Katze, wiederkehrende Zeichen und ein Skulpturengarten mit unheimlichen Statuen am Waldrand tun ihr Übriges, um den Gänsehautfaktor zu vervielfachen.
Historische Hintergründe helfen, die Grundstimmung der Menschen jener Zeit zu beachten und dahingehend ihr Denken und Handeln einzuschätzen.

Figuren
Im Fokus des Romans stehen die Geschwister Max und Alicia Carver, ihr neu gewonnener Freund Roland, dessen Adoptivgroßvater Victor Kray und der ominöse, unheimliche Wahrsager, Magier und Hellseher Dr. Cain alias der Fürst des Nebels.
Just an seinem dreizehnten Geburtstag erfährt Max, dass seine Familie seiner gewohnten Umgebung den Rücken kehren wird. Er ist sehr intelligent und schaut respektvoll zu seinem Vater auf, den er in vielen Dingen nacheifert. Zunächst ist er wenig begeistert vom bevorstehenden Umzug, ebenso wenig wie seine fünfzehnjährige Schwester Alicia, die mit undurchdringlicher Miene in unergründlichen Gedanken schwelgt, wenn sie nicht gerade in Kabbeleien mit der achtjährigen Schwester Irina verwickelt ist. Erst als die beiden mit Roland in Kontakt treten und eine tiefe Freundschaft entsteht, erwachen die Lebensgeister der Geschwister. Zwischen Alicia und Roland schwebt schließlich sogar der Zauber rosaroter Wolken und die zarten Bande der Liebe werden geknüpft. Roland weiht Max in die Geschichten des Dorfes, wie zum Beispiel den Schiffbruch des berüchtigten Frachters Orpheus vor fast fünfundzwanzig Jahren, ein. Mehr dazu weiß der einzige Überlebende des Unglücks und Leuchtturmwärter Kray zu berichten. So verfangen sich die Jugendlichen, allen voran Max, immer tiefer in Geschichten der Vergangenheit und seltsamen Ereignissen der Gegenwart. Über allem droht eine unabwendbare Gefahr, die vom gefürchteten Dr. Cain ausgeht, der vermeintlich Wünsche erfüllt, jedoch immer auch auf eine Gegenleistung besteht. Als Max schließlich viele Puzzleteilchen zu einem Ganzen zusammenfügt und die Verbindungen und Hintergründe durchblickt, ist es schon fast zu spät. Der Fürst des Nebels fordert, was ihm lange Jahre verwehrt blieb…

Aufmachung des Buches
Carlos Ruiz Zafóns Bände der “Nebel-Trilogie” erscheinen in sehr ansprechender Aufmachung, gebunden mit Schutzumschlag, im S. Fischer Verlag. Optisch hervorragend aufeinander abgestimmt, zeigen die Motive jeweils mystische Szenarien in wolkenverhangener, nebliger Umgebung. In durchgängig grünen Farbverläufen zieren “Der Fürst des Nebels”, passend zum Romaninhalt, ein Leuchtturm und ein alter Frachter mit der Aufschrift Orpheus und einem sechszackigen Stern. Im Hintergrund sind die Küste und die Weite des Meeres zu sehen.
Rückseite sowie Innenklappen bieten Einblick ins Geschehen und Informationen zum Autor.
Das hübsch gestaltete Vorsatzpapier, qualitativ hochwertiges Papier im Inneren, einwandfreier Druck und ein praktisches Lesebändchen runden den Gesamteindruck optimal ab.

Fazit
“Der Fürst des Nebels” ist ein magisches, lebendiges und sehr intensives Leseerlebnis für jung und alt. Wie kaum ein anderer Autor fesselt Carlos Ruiz Zafón kontinuierlich ans Geschehen und überzeugt dabei mit unvergleichlicher Wortgewandtheit.

Hinweise
Rezension von Patricia Merkel
Herzlichen Dank an den S. Fischer Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

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