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Foto: Marianne Eschbach (2007) 


Hallo Herr Eschbach. Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview genommen haben.
Sie haben zunächst Luft- und Raumfahrttechnik in Stuttgart studiert, vor dem Abschluss jedoch in die EDV-Branche gewechselt. Wie sind Sie da zum Schreiben von Romanen gekommen?

Indem ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt bin. Sehen Sie, ich habe schon immer geschrieben, habe im Alter von 12 Jahren angefangen, auf der Schreibmaschine meines Vaters Geschichten zu schreiben, die im Lauf der Zeit immer länger wurden... Das war ein so prägendes Element meiner Jugend, dass mir alle Leute in meiner Umgebung zugeredet haben, ich dürfe nicht denken, dass man vom Schreiben leben könne, ich müsse auf jeden Fall etwas „Vernünftiges“ lernen. Das habe ich dann versucht, aber wie man sieht, letztendlich ohne Erfolg. Deshalb muss ich jetzt doch vom Schreiben leben... (grinst)


Auf Ihrer Homepage steht, dass das Schreiben nicht dazu geeignet ist, reich und berühmt zu werden und nahezu alles andere besser geeignet ist, wenn man ein aufregendes Leben führen möchte. Und doch schreiben Sie. Warum?

Weil ich's nicht lassen kann. Ich würde auch schreiben, wenn es niemanden interessieren würde. Und lange Zeit hat es ja auch niemanden interessiert. Aber ich kann so wenig ohne zu schreiben leben wie ohne zu atmen. Nicht dass man mich in ein Verlies wirft schreckt mich als Vorstellung, sondern dass man mich in ein Verlies wirft ohne etwas zu schreiben.


1995 wurde ihr erster Roman „Die Haarteppichknüpfer“ veröffentlicht. Erinnern Sie sich noch an das Gefühl, Ihr erstes Buch gedruckt in den Händen zu halten? Wie war das?

Ich fand das Titelbild nicht schön. Was mir heute absurd vorkommt; heute sehe ich, dass die Originalausgabe der „Haarteppichknüpfer“ eines meiner schönsten Bücher ist, was die Aufmachung anbelangt. Dass ich so lange gebraucht habe, um das zu erkennen, sagt mir, dass ich von Umschlaggestaltung nichts verstehe, und deswegen halte ich mich aus dem Gebiet auch ganz raus.


1999 erschien die französische Ausgabe von „Die Haarteppichknüpfer“. Das war nach 18 Jahren der erste deutsche Science-Fiction Roman, der in Frankreich veröffentlicht wurde. Wie war das für Sie?

Ein aufregender, auch ein wenig aufreibender Prozess. Endlose Gespräche mit der Übersetzerin wegen all der erfundenen Wörter in dem Roman, die ja im Französischen nacherfunden werden mußten; tagelange Diskussionen über den Titel... An den Moment, an dem ich das fertige Buch in Händen hielt, erinnere ich mich gar nicht mehr. Dafür an all die Preisverleihungszeremonien, die das Buch betrafen. Das war eine ganz neue Welt; die französische Art, mit Büchern umzugehen, ist doch sehr anders als die deutsche.


Seit 2003 leben Sie mit Ihrer Frau in der Bretagne. Wieso haben Sie sich als Wahlheimat für die Bretagne entschieden?

Das ist eine lange Geschichte, die ich hier kurz machen will: Zu einer Zeit, als wir ohnehin mit dem Gedanken spielten, aus Stuttgart wegzuziehen, sind wir im Zuge eines kleinen Frankreich-Urlaubs in die Bretagne geraten, haben uns in Land und Leute verliebt und uns gesagt, „wenn schon, denn schon“.


Sie haben bereits viele Auszeichnungen erhalten: mehrmals den Deutschen Science-Fiction-Preis, den Kurd-Laßwitz-Preis, den Deutschen Phantastik-Preis usw. Was bedeuten Ihnen diese Auszeichnungen?

Für mich wichtig war, dass ich solche Preise schon sehr früh bekommen habe, beginnend mit dem Deutschen Science-Fiction-Preis für die „Haarteppichknüpfer“ - für einen Autor, der am Anfang seiner Laufbahn steht, sind solche Auszeichnungen enorm hilfreich, weil sie dem Verlag ein deutliches Zeichen geben, auf dem richtigen Weg zu sein, selbst wenn die Verkaufszahlen anfangs noch nicht so berauschend sind. Inzwischen ist meine Situation, was das anbelangt, bekanntlich ganz anders, deswegen ist es mir heute eigentlich lieber, wenn diese Preise an andere Autoren gehen, denen sie mehr helfen als mir heute. Allerdings habe ich darauf natürlich keinen Einfluss.


Im September dieses Jahres erscheint die Kurzgeschichtensammlung „Eine unberührte Welt“. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sowohl bereits veröffentlichte, als auch bisher unveröffentlichte Kurzgeschichten in einem Buch zusammenzufassen?

Nun, das ist ja keine besonders originelle Idee, oder? Ich bin in zahllosen Leserzuschriften darum gebeten worden, der Verlag hat vorgeschlagen, so ein Buch zu machen... Und ich hatte ja nichts dagegen; warum auch?


Arbeiten Sie bereits an einem neuen Projekt?

Natürlich. Das tue ich immer.


Verraten Sie uns, woran?

Natürlich nicht. Das tue ich nie. (lacht)


Lesen Sie Bücher anderer Science-Fiction-Autoren oder meiden Sie diese eher?

Was meine eigene Lektüre anbelangt, kümmere ich mich wenig um Genres und dergleichen. Ich versuche einfach Bücher zu vermeiden, die mich langweilen, und Bücher zu finden, die mich faszinieren – was nicht ganz einfach ist. Aber natürlich sitze ich öfter auch mal mit einem SF-Roman auf der Lesecouch, klar; ich würde ja nicht diese Art Geschichten schreiben, wenn es mich nie fasziniert hätte, Science Fiction zu lesen.


Wie haben Sie die Geschichten für diese Kurzgeschichtensammlung ausgewählt? Gibt es einen roten Faden, der einen (thematischen) Zusammenhang erkennen lässt?

Nein. Es ist eine kunterbunte Mischung, was vermutlich irgendwie auch typisch ist für mich. Wir haben uns nur bei der Reihenfolge Mühe gegeben, die Geschichten so aufeinander folgen zu lassen, dass es ein abwechslungsreiches Leseerlebnis wird.


Nun möchte ich zum Schreiben als solches kommen. Sie schreiben auf Ihrer Homepage, dass „die meisten Schriftsteller nicht einmal notdürftig vom Schreiben leben können“. Sie haben es jedoch geschafft und können sich voll und ganz dem Schreiben Ihrer Romane widmen. Doch wie kann man sich einen Tag in Ihrem Leben vorstellen, wenn Sie an einem Roman-Projekt arbeiten?

Ich gehe morgens nach dem Frühstück in mein Arbeitszimmer, setze mich an den Computer und schreibe bis zum Mittagessen. Und wenn nichts in Haus oder Garten zu erledigen ist, schreibe ich danach bis zum Abend. Höchst unaufregend. Die aufregenden Dinge passieren in den Geschichten, nicht in meinem Leben.


Schreiben Sie eine bestimmte Zeichen- oder Seitenzahl pro Tag? Haben Sie bestimmte Rituale, die Sie beim Schreiben einhalten?

Nein. Ich kann immer und überall schreiben, vorausgesetzt, man lässt mich in Ruhe.


Vielen (Jung)Autoren graut es vor dem Schreiben von Dialogen, da ein literarischer Dialog nicht gleichzusetzen ist mit einem realen Gespräch. Immer wieder liest man in Büchern über das Kreative Schreiben, dass ein literarischer Dialog eher einer Fremdsprache entspricht, die der Autor lernen muss. Wie ist das bei Ihnen? Schreiben Sie gerne Dialoge, müssen Sie ewig an ihnen herum feilen? Oder schreiben sich Ihre Dialoge wie von selbst?

Ich habe diesbezüglich weder eine besondere Zu- noch Abneigung. Überhaupt finde ich es unglücklich, überhaupt so darüber zu denken. Sich zu sagen, „so, jetzt muss ich einen Dialog schreiben“. Das ist doch eine völlig künstliche Trennung. In einem Theaterstück mag das was anderes sein, das besteht ja im Wesentlichen aus Dialog, aber in einem Roman wird eine Geschichte erzählt; eine Geschichte besteht darin, dass Leute handeln, und manche dieser Handlungen bestehen darin, dass sie etwas sagen. Punkt. Und das müssen Sie dann genauso glaubwürdig wiedergeben, wie Sie, sagen wir, die vorangegangene Flucht Ihrer Figur aus einem Hochsicherheitsgefängnis geschildert haben.


Wie wichtig sind Ihnen Lesungen? Welche Erfahrungen haben Sie mit Lesungen gemacht?

Ich mache gern Lesungen. Das Problem ist, dass man dazu reisen muss, und das mache ich immer weniger gern.


Gibt es einen Tipp, den Sie angehenden Schriftstellern geben möchten?

Sich einfach auf meiner Homepage umzuschauen, dort gibt es jede Menge Tipps. Und vielleicht den Ratschlag, nicht zu früh ans Veröffentlichen zu denken. Die erste Million Wörter schreibt man nur zur Übung.


Ich danke Ihnen für das Interview.

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