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"Siri Hustvedt, eine unserer herausragenden Schriftstellerinnen, gehört seit langem zu den brillantesten Erforschern von Gehirn und Geist. Kürzlich jedoch wandte sie ihr Forschungsinteresse sich selbst zu: Knapp drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters, während einer Gedenkrede auf ihn, fand sie sich plötzlich von Konvulsionen geschüttelt. War das Hysterie, eine Übertragung, ein 'zufälliger' epileptischer Anfall?
'Die zitternde Frau' - provokant und amüsant, umfassend und niemals abgehoben - erzählt von ihren Bemühungen um eine Antwort darauf. So entsteht eine außergewöhnliche Doppelgeschichte: zum einen die ihrer verschlungenen Erkenntnissuche, zum anderen die der großen Fragen, die sich der Neuropsychiatrie heute stellen. Siri Hustvedts kluges Buch verstärkt unser Erstaunen über das Zusammenspiel von Körper und Geist."

Oliver Sacks

 

  Autor: Siri Hustvedt
Verlag: Rowohlt
Erschienen: 2010
ISBN: 9783498030025
Seitenzahl: 236 Seiten


Stil und Sprache

Siri Hustvedt kannte ich bislang nur als Romanautorin, deshalb war ich besonders gespannt auf ihr neuestes Buch - ein Sachbuch, das allerdings sehr persönlich und auch erzählend ist. Als Hustvedt drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters auf dem Campus seiner ehemaligen Universität (er war Professor) eine Gedenkrede halten soll, beginnt sie plötzlich vom Hals an abwärts zu zittern. Sie gerät nicht in Panik und spricht ganz normal weiter. Als sich die Vorfälle wiederholen - fast immer, wenn sie vor Leuten spricht und vor allem dann, wenn es um ihren Vater geht - begibt sie sich auf die Suche nach der "schlotternden Frau".
Sie schreibt sehr persönlich über die Ereignisse und über ihr Leben. Viele Erinnerungen aus der Kindheit fließen ein und man hat als Leser das Gefühl, dass sie sich in ihrer ganzen Verletzlichkeit zeigt. Die Sprache (vor allem in den persönlichen Passagen) ist sehr behutsam und "tastend", denn es ist eine Annäherung an das eigene Selbst. Fachbegriffe (aus dem Bereich der Medizin, Psychologie etc.) lassen sich nicht ganz vermeiden, halten sich aber im Rahmen. Man kann es also durchaus flüssig lesen, wenn man mit dem Thema auch nur ein bisschen vertraut ist und Begriffe wie "visuell" o.ä. kennt.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Hustvedt erzählt hier nicht nur ihre eigene Geschichte. Sie hat im Rahmen ihrer Recherchen zu den Zitteranfällen einen ganzen Berg an (wissenschaflticher) Literatur gewälzt und lässt viele Erkenntnisse aus der Forschung - auch in längeren Zitaten - in ihre Ausführungen einfließen. Psychologie, Psychiatrie, Neurologie, Psychoanalyse - das alles kommt zur Sprache. Fallbeispiele werden diskutiert und in Beziehung zur eigenen Geschichte (aber auch unabhängig davon) gesetzt. Hustvedt greift als Literaturwissenschaftlerin freilich auch zahlreiche Beispiele aus der Belletristik (Dostojewski, Tolstoi etc.) auf.
Der Text wird vor allem dadurch spannend, dass er eine Suche dokumentiert. Mosaiksteinchen für Mosaiksteinchen, Erkenntnis für Erkenntnis wird zusammengetragen - um zum Schluss eine kleine Ahnung vom großen Ganzen zu geben. Wendepunkte gibt es natürlich immer dann, wenn Hustvedt scheinbar kurz davor ist, das Rätsel aufzuklären - und es letztendlich doch nicht schafft. Doch gerade das ist das spannende, das sie letztendlich zur Erkenntnis bringt: "Ich bin die zitternde Frau."
Durch die Verflechtung der Erkenntnisse aus der Wissenschaft mit der eigenen, persönlichen Geschichte wird der Stoff, der sonst sicherlich sehr anspruchsvoll und schwierig zu vermitteln ist, sehr viel leichter verständlich. Auch die Beispiele aus der Literatur tragen zu einer Auflockerung der wissenschaflichen Teile bei. Ich finde die Verschlingung der Teile sehr gelungen. Alles wirkt organisch und man hat das Gefühl, dass man eine Entwicklung live mitverfolgt.

Der Text ist flüssig zu lesen und ich fand ihn gut verständlich. Natürlich darf man keine "08/15-Leidensgeschichte" erwarten - Hustvedt ist nun mal eine Intellektuelle, die sich auch in Fachliteratur eingearbeitet hat. Das Buch hat auch einen Anhang, in dem man die Fußnoten zu den Zitaten und damit viele interessante Literaturhinweise findet.

Das Buch ist für alle Menschen geeignet, die sich gerne mit Themen wie "menschliche Identität", Psychologie, Psychiatrie, Neurologie aber auch Literatur und Philosophie auseinandersetzen. Natürlich werden sich auch Hustvedt-Fans dafür interessieren - mein Interesse war sofort geweckt, da ich die persönliche Geschichte einer Autorin lesen wollte, deren Romane ich bereits kenne. Die Lektüre war vor diesem Hintergrund auch sehr erhellend, da sie viel über ihre Tätigkeit als Schriftstellerin mit einfließen lässt.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist fest gebunden und mit einem Schutzumschlag sowie mit einem blauen Lesebändchen versehen. Auf dem Cover ist ein Porträt der Autorin in schwarz-weiß abgebildet (auf den meisten ihrer Romane sind - zumindest auf den deutschen Ausgaben - übrigens auch Frauenporträts zu sehen). Hustvedt blickt uns ernsthaft und offen entgegen. Das Cover finde ich ansprechend, da man gleich sieht, dass es um die persönliche Geschichte der Autorin geht.


Fazit
Ich fand es spannend und faszinierend, mit Siri Hustvedt auf die Suche zu gehen. Ich habe viel gelernt (über die wissenschaftliche Forschung) und einige interessante Lesetipps (aus dem Bereich Belletristik) erhalten. Auch den Schluss fand ich aufschlussreich - auch wenn er anders ist, als man es vielleicht vermutet ... Sehr zu empfehlen!



Hinweise
Rezension von Sigrid Grün
Herzlichen Dank an den Rowohlt-Verlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.


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