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Firmin wächst im Keller einer Bostoner Buchhandlung auf und liest sich Buch für Buch durch die Weltliteratur. Er entdeckt, wie spannend das Leben der Menschen ist, und macht sich auf, ihre Freundschaft zu suchen. Sam Savage erzählt in diesem gefeierten Kultbuch die traurig-charmante Geschichte eines verkannten Außenseiters.

 

  Autor: Sam Savage
Verlag: Ullstein
Erschienen: 08/2008
ISBN: 978-3-500-8742-X
Seitenzahl: 216 Seiten 


Die Grundidee der Handlung
Firmin ist eine Ratte, die während ihrer Kindheit an Biblio-Bulimie litt. Es fing damit an, dass er das dreizehnte Kind war, noch dazu das Schwächste und seine Mutter naturgegeben nur zwölf Zitzen hatte. In der Not frisst die Ratte eben Papier – um genau zu sein: Seiten aus Büchern, was nahe liegt, wenn man im Keller einer Buchhandlung lebt. Es wurde zu einer Sucht, die mit Magenkrämpfen einherging, doch Firmin musste immer weiter auf dem Papier herum kauen und es schließlich runterschlucken.
Mit der Zeit verließ seine Mutter, Mam, das Nest und schließlich auch seine zwölf Geschwister. So blieb er allein in der Buchhandlung zurück. Ein vermeintlicher Freund entpuppt sich schließlich als Feind, ein seltsamer Kauz als Freund und der gescheiteste Mann der Welt. Und doch will das Glück der Ratte Firmin nicht auf Dauer hold sein …


Stil und Sprache
Das Buch ist komplett in Ich-Form aus Sicht der Ratte Firmin geschrieben. Dadurch erhält der Leser unbeschränkten Einblick in Firmins Gedanken und Gefühle, was eine unglaubliche Nähe erzeugt. Dazu trägt sicherlich noch bei, dass der Leser hin und wieder direkt angesprochen wird („Lassen Sie sich zum Beispiel folgenden [Satz] auf der Zunge zergehen: […]“; Seite 10), wodurch die Distanz Leser-Erzähler beträchtlich geschmälert wird und die Geschichte realer wirkt.
Und so beginnt das Buch damit, dass das bis dato noch unbekannte „Ich“ über die Wichtigkeit und Schwierigkeit des ersten Satzes eines Buches sinniert. Firmin blickt aus dem Hier und Jetzt auf das Geschehen zurück, macht er doch immer wieder Andeutungen, was noch kommen wird.

Insgesamt ist das Buch sehr humorvoll geschrieben, was beim Lesen für das eine oder andere Schmunzeln oder gar laute Auflachen sorgt. Doch es gibt auch Passagen, die den Leser zum Nachdenken anregen oder traurig machen.
Einen so starken und bildlichen Schreibstil wünscht man sich in deutlich mehr Büchern. Die Vergleiche und Metaphern sind hervorragend gewählt und einzigartig, die Sprache ist wortgewaltig und zieht den Leser vom ersten Wort an in die Geschichte hinein. Die verwendeten Fremdworte – die zur Bildung und zum Stil des Protagonisten passen – erklären sich spätestens aus dem Zusammenhang heraus, sodass man nicht zum Wörterbuch greifen muss, um das Buch zu verstehen.

In dem Buch kommt es weniger auf die Handlung an – meist passiert nicht viel – als vielmehr auf die Reflektionen Firmins. Trotz des Mangels an aufregendem Geschehen kommt nie Langeweile auf. Der Autor versteht es, kurzweilig und vergnüglich zu schreiben.

Das Ende des Buches ist etwas seltsam und sentimental, schließt jedoch den Kreis, indem gekonnt ein Bogen zum Anfang des Romans geschlagen wird.


Figuren
Der Protagonist des Romans, Firmin, ist eine Ratte. Er ist witzig, wortgewandt, äußerst belesen und kann sein kinnloses Äußeres nicht ausstehen. Er findet sich abstoßend und versucht daher, Spiegel zu meiden. Firmin hat einen großen Freiheitsdrang, verbunden mit einer großen Angst vor der gefährlichen Welt außerhalb seiner Buchhandlung. Es reicht ihm schon, zu wissen, dass er jederzeit gehen könnte, wenn er wollte. Firmin hat Wünsche, Hoffnungen und Ängste und muss große Enttäuschungen verkraften. Er ist sympathisch und als Leser fühlt und leidet man mit ihm. Er ist ein Träumer, der viel Zeit mit seinen Gedanken verbringt, dabei jedoch immer versucht, das echte Leben nicht zu verpassen.
An einer Stelle des Buches wollte ich ihm zurufen, dass er das besser lassen solle, doch er muss seine Erfahrungen selbst machen und schlägt sich tapfer durchs Leben.

Jerry ist ein etwas gammelig wirkender Schriftsteller, der in ärmlichen Verhältnissen lebt. Er hat jedoch ein unendlich großes Herz. Bisher hat er erst ein Buch veröffentlicht, das er selbst versucht, unter die Leute zu bringen. In seinen Notizbüchern in seiner chaotischen Wohnung hat er im Laufe der Jahre unendlich viele Ideen für Romane niedergeschrieben, Figuren und Plots ausgearbeitet.
Ich konnte mich während des Lesens nicht des Eindrucks erwehren, dass sich der Autor Sam Savage durch Jerry einen Platz in seinem ersten veröffentlichten Roman verschafft hat. Die grauen, etwas längeren Haare, die beide haben, tragen sicherlich ihren Teil dazu bei.


Aufmachung des Buches
Die Aufmachung des Buches hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Allein schon das Titelbild der etwas unförmigen Ratte, die ein Buch zu lesen scheint, macht neugierig und nach dem Lesen des Buches weiß man, wie perfekt es zum Inhalt passt. Doch besonders gefallen haben mir die Seitenränder, denn die einzelnen Seiten des Buches sind nicht alle gleich groß, sodass der Eindruck entsteht, das Buch löse sich langsam aus seiner Verleimung oder eine Ratte habe gar ihren Appetit an den Rändern gestillt. Zudem wirken die Seiten leicht vergilbt. Das ganze Buch hat etwas Altes, was wiederum perfekt zum Inhalt des Romans passt. Die Gestaltung ist liebevoll, das rote Lesebändchen das i-Tüpfelchen.


Fazit
„Firmin – Ein Rattenleben“ ist eine Art Biografie einer Ratte, wiedergegeben aus der Sicht dieser Ratte. Ein dermaßen humorvolles und doch deprimierendes Buch habe ich selten gelesen und möchte es jedem ans Herz legen. Lassen Sie die Ratte Firmin in Ihr Leben, Sie werden es nicht bereuen!


4 5 Sterne


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