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Kategorie: Krimis

Gelegenheit macht Diebe, heißt es.
Es beginnt mit einer Busfahrt. Und da es ein warmer Frühlingstag ist, trauert Maigret den alten Bussen mit den offenen Plattformen nach. Eine alte Frau rammt ihn in jeder Kurve mit ihrer spitzen Schulter und mit ihrem prallen Einkaufsnetz. Und dann wird ihm auch noch die Brieftasche mitsamt Dienstmarke gestohlen. Der ehrliche Finder, der sie ihm wenige Stunden später zurückschickt, ist gleichzeitig auch der Dieb. Und da er ein Künstler ist, fordert er von Maigret einen ungewöhnlichen Finderlohn: die Aufklärung eines Mordes. Die Ermordete ist Sophie, seine Frau.

 

  Autor: Georges Simenon
Verlag: Diogenes
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-257-23866-2
Seitenzahl: 211 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Maigret genießt die ersten Frühlingstage und fährt deshalb mit einem der immer seltener werdenden Busse mit offener Plattform. Der warme Wind umweht seine Nase und die Fahrt wird nur durch seine Platznachbarin getrübt. Bei jeder Bewegung des Busses bekommt er ihren harten Einkaufskorb zu spüren. Und genau während einer solchen Attacke passiert es. Ein junger Mann entwendet ihm geschickt seine Geldbörse und springt vom fahrenden Bus. Leicht angesäuert beginnt Maigret seinen Dienst und ist sehr verwundert, als er am Nachmittag ein Couvert bekommt, in dem sich seine Brieftasche mit samt dem Inhalt befindet. Kurz darauf meldet sich auch der Absender bei ihm und erzählt ihm eine wirre Geschichte und möchte sich mit ihm treffen. Der mittellose Künstler Ricain ist verzweifelt und hat offensichtlich panische Angst. Es dauert lang bis Maigret sein Vertrauen weckt und er ihn an den Tatort eines Mordes führt. Ricains Frau liegt tot in deren Schlafzimmer und obwohl alles sehr undurchsichtig ist, beteuert Ricain seine Unschuld. Maigret muss sich durch die Künstlerszene kämpfen, in der mehr Schauspiel als Wahrheit aufgeführt wird. Und am Ende ist sich Maigret nicht mehr sicher, wer ihm denn nun eine Rolle vorspielt.


Stil und Sprache
Ich bin der Meinung, wenn einem keine 300 Seiten reichen um etwas zu sagen, sollte derjenige es sein lassen. Das ist es auch, was mir unter anderem an Simenons Maigret-Romanen so gefällt. Er konzentriert sich auf das Wesentliche und schafft es, auf nur wenigen Seiten eine atmosphärische Dichte, die seinesgleichen sucht, zu erzeugen. So auch im Band 66. Während der Lektüre spürt der Leser den warmen frühlingshaften Wind auf der Haut, riecht die erwachenden Frühlingsdüfte, spürt die positive Stimmung, die das gute Wetter verströmt. Simenons Sätze sind nicht nur Wörter, es sind Gefühle, die er im Leser anregt. Dabei benutzt er eine einfache Sprache, die in die Zeit passt und das Buch zu einem leichten Lesevergnügen macht. Wenn auch jeder seiner Romane für sich etwas Besonderes ist, haben sie alle diese Leichtigkeit gemein. Er beginnt seine Geschichte immer wie einen lockeren Spaziergang, bei dem alle Eindrücke aufgesogen und zu einem Ganzen vereint werden. Erst nach und nach steigert er die Spannung und das Tempo gewinnt Richtung Schluss immer mehr an Fahrt. Auch wenn man aufmerksam liest, ist der Schluss nicht selten eine Überraschung. Dies trifft im Band 66 besonders zu, Das Blenden und Vortäuschen in den Künstlerkreisen zieht sich bis zum Ende durch und trifft dann auch den Leser entsprechend. Simenons detailreiche Beschreibungen der Szenen und Orte helfen dem Leser ungemein, in die Geschichte einzutauchen.


Figuren
Über Maigret wurde schon viel gesagt und doch ist der mittlerweile in die Jahre gekommene Kommissar immer noch interessant in seinem Verhalten. Er folgt gerne typischen Ritualen, scheut aber auch nicht davor zurück, seine gewohnten Pfade zu verlassen. Mit jedem Roman werden einem Maigret und seine Frau immer mehr zu guten Freunden. Mann würde liebend gerne mit dem sympathischen alten Herren gemeinsam im frühlingshaften Paris in einem Cafe sitzen und eines seiner geliebten Bierchen trinken. Da muss ich wirklich sagen, schade dass es nur 75 Romane gibt. Auch wenn der Kommissar die Hauptfigur und das Zugpferd darstellt, sind die Nebendarsteller, vor allem die Opfer und Täter aber auch die Zeugen nicht minder interessant. Je nach Herkunft und Lebensstil sind die Charaktere sauber und in allen nur denkbaren Facetten herausgearbeitet. Ricain, der erfolglose aber mit viel Talent gesegnete Jungautor, der seine Frau tot im Schlafzimmer findet und total verstört die Hilfe von Maigret sucht. Er wirkt ängstlich wie eine Katze, ein Schritt vor und kurz darauf wieder Rückzug und einigeln. Ein schwerer Brocken für Maigret, vor allem weil sein Freundeskreis genauso widersprüchlich ist. Wie immer ist schwarz-weiß für Simenon kein Begriff, so individuell sind seine Personen.


Aufmachung des Buches
Auch Band 66 bleibt natürlich dem Serien-Gedanken treu und kommt ganz in Weiß, als gebundenes Taschenbuch mit dem diogenestypischen feinen schwarzen Rahmen um das Coverbild herum, daher. Das Bild zeigt eine typische Pariser Straßenszene, diesmal aus einem Park. Zu sehen ist ein Mann mit Hund, der einen Künstler beobachtet. Unter dem Bild befindet sich der Name des Autors sowie der Titel. Aufgewertet wird das Buch durch farbige Stadtplanskizzen von Paris im Umschlag sowie einem roten Lesebändchen.


Fazit
Ein besonderer Maigret, bei dem nichts so ist wie es scheint und mit einem Ende, das so nicht zu erwarten war. Meisterhaft erzählt und nicht nur für Sammler.


5 Sterne


Hinweise
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Backlist
Band 61: Maigret gerät in Wut
Band 62: Maigret und das Gespenst
Band 63: Maigret verteidigt sich
Band 64: Maigret lässt sich Zeit
Band 65: Maigret und der Fall Nahour