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Anhand der Musik, die ihn beeindruckt, begleitet und geprägt hat, blickt der bekannte Schauspieler Jan Josef Liefers auf seine Kindheit und Jugend zurück. Er stellt nicht nur große Rockbands der DDR und ihre Lieder vor, sondern setzt sie zugleich unmittelbar in Beziehung zu wichtigen Ereignissen in seinem Leben und seiner Karriere. So entsteht der sehr persönliche Einblick in den ganz normalen Alltag eines jungen Menschen im Osten, der sich seine eigenen Gedanken machte und versuchte, seinen Weg zu gehen, ohne sich allzu sehr zu verbiegen. Ein authentisches «DDR-Kind», das später in ganz Deutschland bekannt wurde, erzählt sein Stück deutsche Geschichte - ehrlich, charmant, unterhaltsam und frei von jeglicher «Ostalgie».

 

  Autor: Jan Josef Liefers
Verlag: Rowohlt
Erschienen: 13. Oktober 2009
ISBN: 978-3-498-03933-2
Seitenzahl: 333 Seiten


Stil und Sprache
“Soundtrack meiner Kindheit” ist die geschrieben Version des Bühnenprogramms von Jan Josef Liefers und seiner Band Oblivion. Und so mischen sich munter Erinnerungen und Liedtexte. Ein Super-8 -Film (in Textform), gedreht von seinem Vater, ergänzt das Ganze.
Er zitiert auf der ersten Seite eine Textzeile von P. Auster, in der es um die Dinge geht, die eins nach dem anderen verschwinden und nie mehr wiederkommen. Vieles aus seiner Kindheit und Jugend ist verschwunden - Bands, Leuchtreklamen, Gebäude, Lieder - vieles hat den Fall der Mauer und den Zusammenbruch der DDR nicht überstanden. Liefers hat aber auch persönliche Verluste erlitten, die Scheidung seiner Eltern, der Tod wichtiger Menschen - besonders den des Vaters hat er noch nicht richtig verarbeitet. Da spürt man eine große Trauer. Die aber, für den Autor typisch, recht schnell mit einer Anekdote überspielt wird. Was aber auf jeden Fall unwiederbringlich dahin ist, das ist seine Kindheit und Jugend, weshalb er konsequenterweise seinen Bericht mit dem Mauerfall beendet. Nur hie und da gibt es noch einen Hinweis auf die Zeit danach.

Beim Lesen stellt man als Wessi schnell fest, dass sich die eigene Kindheit in den Sechzigern von der jenseits des Eisernen Vorhangs nicht so stark unterschied, wie man bisher geglaubt hat. So kam mir der Gedanke, ob die "Ostalgie" womöglich mehr die Sehnsucht nach der eigenen, vergangenen Kindheit und Jugend ist, als die Sehnsucht nach der DDR, als die sie oft angesehen wird. Liefers gelingt das Kunststück, die gesellschaftlichen Verhältnisse in der DDR anschaulicher zu erklären, als es soziologische oder politische Sachbücher vermögen. Im Grunde „..gab es die DDR dreimal. Eine in der man jeden Tag lebte, die zweite, die in der Zeitung stand, und die dritte, die so war, wie man sie sich gewünscht hätte” (S.74/75). Den Spagat zwischen den zwei oder drei DDRs ausgehalten, geschafft zu haben, das ist, nach Meinung des Autors, die große Leistung der Menschen, die in ihr gelebt haben.
Das Bild, das Liefers zeichnet, ist aber keineswegs schönfärberisch. Er spricht die Missstände direkt an und kritisiert auch das Verhalten mancher, nicht nur in Partei und Staat, die ihr Mäntelchen nach dem Wind gehängt haben. Da sind noch ein paar Rechnungen offen gewesen, die Liefers hier zum Abschluss bringt. Ob dies nun in aller Öffentlichkeit notwendig war? Ich weiß nicht recht. Unter der Oberfläche jedenfalls brodelt noch so einiges, das nur noch kein Ventil gefunden hat.

Jan Josef Liefers plaudert aus dem Nähkästchen, locker, leicht, spritzig, humorvoll und amüsant, pointiert, anspruchsvoll, naiv, distanziert, offen, sowohl objektiv als auch subjektiv. Mal oberflächlich, mal tiefgründig, sensibel und rebellisch - im Prinzip breitet er hier sein ganzes schauspielerisches Können schreibender Weise vor dem Leser aus. Das ist manchmal anstrengend zu lesen, da er nicht chronologisch vorgeht, sondern assoziativ, kein „dann und dann“, sondern fast immer ein „Apropos...“. Er erzählt Geschichten und spinnt dabei Fäden, die er nie mehr aufnimmt. So bleibt doch manches im luftleeren Raum hängen. Manches, von dem man nicht weiß, weshalb der Autor es überhaupt erwähnt hat. Lediglich über das Jahr 1989 berichtet er am Stück, ohne hin und her zu springen. Er folgt der Chronologie der Ereignisse und dies ist ungemein spannend zu lesen. Die große Zeit des Umbruchs erfüllte nicht seine Hoffnungen auf Veränderungen, auf die Verwirklichung der „dritten DDR“ sozusagen, und ließ ihn desillusioniert zurück.

Das Buch schließt mit dem Wunsch, dass die Vorurteile in den Köpfen der Menschen auf beiden Seiten überwunden, und “die Liebe mit der Zeit” kommen werde. Seinen Beitrag dazu hat der Autor geleistet.


Aufmachung des Buches
Das schwarz eingebundene Buch verfügt über einen Schutzumschlag und ein braunes Lesebändchen. Das Cover, gehalten in Schwarz und Sepia, zeigt auf der Vorderseite ein Foto von Liefers als Heranwachsenden, der ziemlich optimistisch in die Kamera blickt. Eingefasst wird es von einem dezenten Bilderrahmen. Auf der Rückseite enthält der gleiche Rahmen ein Foto von ihm heute, auf dem er mich ein bisschen an Pan Tau erinnert. Ob dies nun so gewollt ist oder nicht, es passt einfach zu Liefers.

Im Inneren finden sich die fast schon obligatorischen Fotos von ihm, seiner Herkunftsfamilie, seinen Freunden. So eigenwillig der Erzählstil ist, so wenig folgt auch die Aufmachung einem bestimmten Prinzip. Die Kapitel selbst sind da ebenfalls nicht sehr hilfreich, da Liefers seine Erinnerungen nicht chronologisch sortiert hat.
Wer sich für die Komponisten und die Texter der vorgestellten Lieder interessiert, findet die genauen Angaben dazu am Ende des Buches.


Fazit
Die Mischung von optimistischer Lebenseinstellung und unterschwelliger Trauer macht das Buch so lesenswert. Ein Buch, über das nachzudenken sich lohnt, und das man bestimmt noch einmal in die Hand nehmen wird.


4 5 Sterne


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