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Kategorie: Thriller

Kyle McAvoy steht eine glänzende Karriere als Jurist bevor. Bis ihn die Vergangenheit einholt. Eine junge Frau behauptet, Jahre zuvor auf einer Party in Kyles Apartment vergewaltigt worden zu sein. Kyle weiß, dass diese Anklage seine Zukunft zerstören kann. Und er trifft eine Entscheidung, für die er mit allem brechen muss, was bisher sein Leben bestimmt hat.

 

  Autor: John Grisham
Verlag: Heyne
Erschienen: 10. August 2009
ISBN: 978-3453266154
Seitenzahl: 448 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Wer Grisham kennt, weiß was er bekommt.
Da er selbst als Jurist tätig war, hat er das Hintergrundwissen und schreibt vorwiegend Bücher rund um das Thema Gericht und Justiz. Es wird kaum jemanden geben, der von Grisham – wenn nicht ein Buch – so zumindest einen Film kennt. „Die Jury“, „Die Firma“ oder auch „Die Akte“ zählten zu den absoluten Blockbusters. Selten hat ein Autor so eine Begabung Spannung aufzubauen, wie John Grisham - und er hat mittlerweile gut zwanzig Bücher verfasst, die alle gute Einblicke hinter die Kulissen der Justiz in Amerika gewähren.

In „Der Anwalt“ geht es um den jungen Kyle McAvory, der eine große Karriere als Anwalt vor sich hat und plötzlich von der Vergangenheit eingeholt wird. In seiner Studentenzeit soll er mit seinen Freunden eine junge Frau vergewaltigt haben und Unbekannte erpressen und zwingen ihn, in einer großen Anwaltskanzlei als Spion tätig zu sein. Um seine Zulassung nicht zu verlieren und in keinen schmutzigen Prozess gezogen zu werden, tut er, was von ihm verlangt wird, und wagt erst nach und nach, sich jemandem anzuvertrauen…


Stil und Sprache
Wenn man einen Grisham liest und sich seine Bücher bewusst auswählt, sucht man nicht tiefgründige und sprachlich gehobene, anspruchsvolle Erzählungen, sondern erwartet Spannung pur. Dieser Erwartung wird Grisham auch gerecht und von Beginn an fesselt er den Leser durch geschickt in Szene gesetzte Ereignisse, in die sein Protagonist stolpert. Nach und nach lässt er Kyle gewagte Schritte setzen, um die Spannung noch mehr zu erhöhen. Auch – typisch Grisham – in diesem Buch ist man schon nach wenigen Seiten mitten im Geschehen und kann den Roman kaum mehr aus den Händen legen.

Als früherer Fan Grishams habe ich lange Zeit kein Buch mehr von ihm gelesen, da ich bei seinen späteren Büchern wie „Die Liste“, „Das Testament“ oder auch „Die Begnadigung“ immer mehr das Gefühl bekam, dass seine Schaffenskraft nachlässt. Der Stil und die Spannung blieben meist gut, aber der Schluss enttäuschte zunehmend, so, als wäre er des Schreibens müde. Nach langer Pause wollte ich jedoch unbedingt wieder ein Buch des Autors lesen, um mich in die Welt der Gerichtsprozesse entführen zu lassen.

Das Buch beginnt spannend und hält diese durch bis zum Schluss. Die Spannung wird stetig erhöht und man möchte endlich wissen, wer hinter den Kulissen die Fäden zieht. In wessen Auftrag arbeiten die Erpresser? Von wo und wem erhalten sie die geheimsten Informationen über Kyle und seine Kollegen? Und wer ist der zweite Spion, der außer ihm noch in der Kanzlei tätig ist? Immer straffer zieht Grisham die Leinen und man will nun endlich wissen, was und wer dahinter steckt…
Aber dann passiert etwas, was keinem Autor passieren darf, schon gar keinem vom Kaliber John Grishams: Die Spannung läuft ins Leere und der Schluss ist kein Schluss. Alles endet, nein versandet irgendwie. Auflösung? Gibt es keine. Die Bedrohung durch die Vergewaltigung wird von Kyles Vater – so ganz nebenbei – geregelt. Wer die Erpresser sind, in welchem Auftrag sie arbeiten, bleibt genauso im Dunklen wie der zweite Spion.
Zuerst dachte ich, der Verlag habe ein Kapitel vergessen oder das Buch sei durch einen Fehler unvollständig. Als Leser sitzt man da und staunt. Was ist da jetzt los? Wo ist der mit extremer Spannung erwartete Schluss? Zorn, Ungläubigkeit und große Enttäuschung sind bei diesem Buch die Folge und ich kann mich nicht erinnern, dass ich bei einem Buch einen so großen Fehlgriff getätigt hätte wie bei diesem. Man bekommt das große Bedürfnis den Autor fragen zu wollen, was er sich dabei gedacht hat. Aber auch den Lektor und den Verlag kann man von so einer Enttäuschung an den Leser nicht freisprechen.


Figuren
Kyles innere Unruhe und Verstörtheit wird nachvollziehbar dargestellt. Auch wenn die Figuren manchmal – wenn überhaupt - allzu „simpel“ beschrieben werden (Er hatte dunkles, volles Haar und blaue Augen. In seiner linken Hand trug er eine schwarze Aktentasche…), so stört dies bei Büchern wie diesem nicht unbedingt, da der Focus wesentlich mehr auf das Geschehen gerichtet ist.
Man sieht die vier Studienfreunde Kyle McAvoy, Joey Bernardo, Baxter Tate und Alan Strock vor sich, kann sich aber ein eigenes Bild zum Aussehen der jungen Männer machen. Nur wenige Figuren werden beschrieben und wenn, dann meist wie oben beschrieben oder nur kurz skizziert.


Aufmachung des Buches
Klassisch, nüchtern und zum Inhalt passend ist auch das Äußere dieses Buches. Der Roman ist in 42 Kapitel gegliedert und innen ebenso karg gehalten wie das äußere Erscheinungsbild. Kein Nachwort, keine Danksagung des Autors, einfach trocken und spartanisch.
Auf der vorderen Umschlagseite des Buches prangert oben über dem Namen des Autors und dem Titel das Zitat: „Grisham auf der Höhe seines Schaffens.“ The New York Times, was einem angesichts des eklatanten Schlusses ein ironisches Lächeln auf die Lippen zu zaubern vermag.


Fazit
Man kann aus der Rezension sicher entnehmen, dass dieses Buch für mich nicht weiter zu empfehlen ist. Schade, wirklich schade, da Grisham mit diesem Buch einen perfekten und spannenden Roman geschaffen hat. Dass der Schluss so floppt ist kein Wermutstropfen mehr, sondern für jeden Liebhaber des Genres Thriller eine Katastrophe.
Grishams Bücher verkaufen sich aufgrund seines Namens und seiner zweifelsohne hervorragenden ersten Bücher (siehe auch „Die Grundidee der Handlung“) wie auch „Der Verrat“ oder „Das Urteil“. Was der Autor aber in den letzten Jahren an „Thriller“ liefert, ist alles andere als gut und die Frage für mich ist, wie lange er von seiner Glanzzeit wohl noch zehren kann.
Die beiden Sterne gebe ich einfach aus dem Grund, da die Spannung und der Inhalt überzeugen und letztendlich „nur“ der Schluss alles zunichte macht.


2 Sterne


Hinweise
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