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Kategorie: Liebes-, Frauen- und Erotikromane

Sonja ist schön intelligent und lebt mit Alex. Eine vorbildliche Ehe, er müsste glücklich sein. Aber wann ist die Liebe schon einfach? Und wie funktioniert das Glück? Iwona wäre neben Sonja fast unsichtbar, sie ist spröde und grau. Aber Alex fühlt sich lebendiger bei ihr - und weiß nicht, warum. Er trifft sie immer wieder, und als sie von ihm schwanger wird und das Kind kriegt, das Sonja sich wünscht, setzt er alles aufs Spiel. Hat ein Mensch Macht über uns, weil er uns liebt?

 

 

  Autor: Peter Stamm
Verlag: S. Fischer Verlag
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-10-075123-3
Seitenzahl: 297 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Peter Stamms Thema ist - wie in seinen vergangenen Werken - die Liebe. Er erzählt in "Sieben Jahre" eine Dreiecksgeschichte, in die der Architekturstudent Alex während seines Studienabschlusses gerät. Im Laufe eines Nachmittages mit seinen zwei Freunden, und einer spontanen Verabredung mit zwei Mädchen, muss für Alex ebenfalls eine Begleitung gesucht werden. Auserkoren wird die schüchterne und völlig unattraktive Polin Iwona, die sich zufällig in demselben Biergarten aufhält. Dies ist der Beginn einer obsessiven und leidenschaftlichen Affäre zwischen Alex und der bigotten Polin, die sich illegal in Deutschland aufhält. Ein paar Tage später reist Alex, mit dem Architekturexamen in der Tasche und im Schlepptau seiner attraktiven Kommilitonin Sonja nach Marseille. Beide wandeln auf den Spuren des Architekten Le Corbusier, der Sonjas absolutes Vorbild ist und der sich wie die Architektur wie ein roter Faden durch den gesamten Verlauf des Romans zieht. Sonja und Alex träumen von einem eigenen Büro, von dem Entwurf der perfekten Wohneinheit und letztlich von einem bürgerlichen Leben mit Haus und Kind. Ist es da nicht folgerichtig, dass man sich zusammentut? Eine Beziehung wird eingegangen, weniger im Rausch einer knospenden Liebe, als auf der Basis eines gemeinsamen Lebensentwurfs. Wenig später heiratet man, der nächste Schritt, entworfen auf dem Reißbrett des Lebens. Der erste Kuss ist "eine Entscheidung", man passt augenscheinlich perfekt zusammen. Die Ehe als gemeinsames Projekt. Sonja ist schön, erfolgreich, zielorientiert. Was wünscht man sich mehr. Dennoch kann Alex nicht von Iwona lassen. In ihren Armen fühlt er sich frei. Ihre bedingungslose Liebe, ihre eigene Erniedrigung, lässt ihn eine Lust verspüren, die er bei Sonja nicht finden kann. Auch hier findet sich keine Liebe. Alex‘ Beziehung zu Iwona besteht aus Kränkung, Erniedrigung und Zurückweisung. Als Iwona schwanger wird, trifft Alex eine folgenschwere Entscheidung.


Stil und Sprache
Peter Stamm bedient sich in seinem Roman einer Sprache, die man in einem Liebesroman nicht erwarten würde. Klare Sätze mit einem Hang zum Nüchternen reihen sich aneinander. Scheinbar teilnahmslos lotet er die menschlichen Unzulänglichkeiten aus. Zeitweise hat man fast den Eindruck, er mache sich über die verzweifelte Suche seiner Protagonisten nach Liebe und Glück lustig.
Trotz seiner schmucklosen Sprache gelingt es dem Autor eine tiefe Stimmung zu erzeugen, irritierend und verstörend. In Rückblenden erzählt Alex sein Leben mit Sonja der befreundeten Malerin Antje, in deren Marseiller Wohnung vor 18 Jahren die Beziehung zu Sonja begann. Stückchen für Stückchen werden so die Stationen der Ehe zusammengefügt, eine Aneinanderreihung von Enttäuschungen. Schonungslos ehrlich schildert Alex auch seine Affäre mit Iwona.


Figuren
Mit einem Zitat Le Corbusiers wird Sonja charakterisiert: "Alles ist anders. Alles ist neu. Alles ist schön." Sonja ist schön für Alex. Iwona würde ihr gegenüber völlig verschwinden. Zwei Frautypen, die unterschiedlicher nicht angelegt sein könnten: die schöne, wohlhabende, erfolgreiche, zielorientierte und überlegte Sonja und die blass-hässliche, gläubig-bigotte, arme Polin, die sich illegal als Putzfrau über Wasser hält. Die erste liebt berechnend und zurückhaltend aufgrund ihrer Selbstständigkeit und ihres Glaubens an sich selbst. Die andere scheint nicht zu wissen, was Selbstbewusstsein ist, denn sie lässt sich von Alex erniedrigen und verletzen, um ihm am Ende dennoch ihre bedingungslose Liebe zu gestehen. Für Alex sieht sie aus wie jemand "der jede Hoffnung aufgegeben hat, irgendwem zu gefallen, und sei es sich selbst".
Alex bewegt sich zwischen beiden. Sonja kann er nicht genügen, er fühlt sich ihr gegenüber minderwertig und ungenügend. Gegenüber Iwona wird er zum wilden Tier und jagt der Freiheit hinterher, die er aufgrund seiner ungebremsten Lust ihr gegenüber längst eingebüßt hat.


Aufmachung des Buches
Das Bild "Concrete Cabin II" des Malers Peter Doig wurde zur Gestaltung des kompletten Bucheinbandes herangezogen. Es zeigt einen riesigen weißen Wohnblock, der hinter hohen Bäumen sichtbar wird. Eine überaus gelungene Gestaltung von Andreas Heilmann und Gundula Hißmann aus Hamburg.


Fazit
Das Thema ganz alltäglich, eine Dreiecksgeschichte. Und noch dazu ohne Happy End. Die Sprache überraschend einfach und schnörkellos. Warum sollte man so ein Buch lesen? Die Antwort ist nicht einfach. Vielleicht, weil Peter Stamm ein Meister darin ist, Liebesbeziehungen zu sezieren, bis sie, in all ihre Einzelteile zerlegt, jeden Reiz verloren haben und so herrlich desillusioniert daher kommen, dass man am Ende ganz bewegt und verstört ist. Vielleicht aber auch, weil er es schafft, aus einer simplen Love-Story ein Stück Literatur zu zaubern, ohne sich einer schnulzigen Sprache zu bedienen oder in ein Rührstück zu verfallen. Oder einfach, weil er ein großartiger Erzähler ist, der ohne Tamtam bis zur letzten Seite fesselt, bei dem das Scheitern ab der ersten Seite spürbar ist und der Leser trotzdem bis zur letzten Seite nach Auflösung dürstet. Schwere Kost, perfekt konstruiert für einen melancholischen Tag im Herbst.


5 Sterne


Hinweise
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