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Bei einem Verkehrsunfall wird die stark verweste Leiche einer alten Frau entdeckt. Sie kann als Violet Chambers identifiziert werden – und sie wurde vermutlich vergiftet. Doch als Detective Chief Inspector Lapslie mit den Ermittlungen beginnt, steht er vor einem Rätsel: Die alte Mrs. Chambers erfreut sich offenbar lebhaft ihres Daseins, zahlt Steuern, bezieht Mieteinkünfte und schreibt reizende Postkarten. Was geht hier vor?

 

  Autor: Nigel McCrery
Verlag: Droemer
Erschienen: 04/2009
ISBN: 978-3426197912
Seitenzahl: 384 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Detective Chief Inspector Marc Lapslie ist eigentlich beurlaubt, weil er aufgrund seiner Synästhesie, die ihn Geräusche schmecken lässt, kaum in der Lage ist, unter Menschen zu gehen. Doch dann wird er überraschend zu einem Fall gerufen. Nach einem Autounfall an einer einsamen Landstraße wurde im nahegelegenen Wald eine Frauenleiche gefunden. Identifiziert wird sie als Violet Chambers, dummerweise scheint Mrs. Chambers aber höchst lebendig zu sein. Die Polizei steht vor einem Rätsel, zumal es so gut wie keine Spuren gibt.
Währendessen zieht eine ältere Frau durch Südengland und wechselt alle paar Monate die Identität, nachdem sie sich mit älteren, alleinstehenden Frauen angefreundet und sie dann ermordet hat. Was ihr Motiv dafür ist und wie sie letztendlich gefasst werden kann, davon erzählt dieser ganz besondere Krimi.


Stil und Sprache

Um es gleich vorweg zu nehmen: Dies ist kein klassischer Whodunit-Krimi (Who done it? – Wer hat es getan?), sondern der Täter ist hier von Anfang an bekannt. Jeweils kapitelweise wechselt die Sichtweise, einmal ist es Marc Lapslie, dann wieder die Mörderin. Dabei werden beide Seiten vollkommen logisch und gleichwertig dargestellt, niemand wird bevorzugt.

Eingebettet in ein liebevoll dargestelltes englisch-ländliches Ambiente erzählt Nigel McCrery eine Geschichte, in der gar nicht so viel passiert, die aber dennoch niemals langweilig wird. Dadurch, dass der Leser jederzeit verfolgen kann, wie die Polizei der Mörderin langsam näher kommt, sie aber andererseits schon ihr nächstes Opfer anpeilt, entsteht eine Spannung zwischen den beiden unaufhaltsam aufeinander zulaufenden Handlungssträngen, die dieses Buch zu einem echten Page-Turner werden lassen. Die zudem außergewöhnliche Auflösung des Falles tut dazu noch ein Übriges.

Sprachlich sehr einfallsreich geschrieben, mit schönen Bildern und spannenden Vergleichen, die besonders die Krankheitssymptome von Marc Lapslie sehr anschaulich wiedergeben, hat Nigel McCrery hier einen wirklich überraschend anderen Krimi abgeliefert. Ein spektakulärer Showdown darf natürlich nicht fehlen und rundet das Ganze gekonnt ab.


Figuren

Es gibt zwei Hauptdarsteller in diesem Roman, nein, eigentlich sind es viel mehr, weil Violet Chambers, oder wie auch immer sie heißen mag, in immer wieder neue Rollen schlüpft. Besonders ihre „Verwandlungen“ sind wirklich faszinierend dargestellt. Sie ist eigentlich eine unauffällige ältere Frau, die es aber durch eine unglaubliche Beobachtungsgabe und wahre Schauspielkunst immer wieder schafft, ihre Mordopfer zu umgarnen, in Sicherheit zu wiegen und schließlich in deren Leben zu schlüpfen. Dabei werden ihre Gedankengänge mit einer solchen Selbstverständlichkeit geschildert, dass man als Leser noch nicht einmal eine Antipathie gegen sie entwickeln kann. Sehr glaubwürdig wird auch ihre zunehmende Verwirrung geschildert, die sie irgendwann vergessen lässt, wer sie eigentlich wirklich ist. Als besonderen Trick verwendet Nigel McCrery dann immer den Namen der Person, die Violet gerade ist, so dass man als Leser quasi mit ihr die Rollen wechselt.

Die andere Seite wird uneingeschränkt von Marc Lapslie verkörpert. Zwar gibt es ein paar Randfiguren wie seine Assistentin Emma Bradbury, aber die bleiben auch wirklich am Rande und sind eher Dekoration in diesem Duell zwischen Mörderin und Ermittler. Marc Lapslie leidet an einer schweren Form der Synästhesie, sein Gehirn setzt alle ihn umgebenden Geräusche und Stimmen in Geschmäcker um, die er dann intensiv und meistens ungewollt spürt. Darunter leidet er so sehr, dass er sich von Frau und Kindern trennen musste, weil er deren Geräusche einfach nicht mehr ertragen konnte. Wenn etwa die Stimme von Emma nach Zitrone schmeckt, mag das ja noch relativ harmlos sein, wenn sich aber die Geschmäcker von Gorgonzola, Rost und Vanille in einem lauten Großraumbüro mischen, so bringt das Marc Lapslie an den Rand des Erträglichen. Diese Empfindungen sind so bestimmend für sein Leben, dass sie auch das Buch prägen und ihm einen ganz besonderen Reiz verleihen. Da hat sich Nigel McCrery einen wirklich außergewöhnlichen Ermittler ausgedacht, von dem wir hoffentlich noch hören werden.

Wie schon erwähnt, gibt es einige Nebenfiguren, die aber nur am Rande mitmischen, so dass der Autor auf eine detaillierte Charakterisierung verzichten konnte. Dieser Schachzug tut der Geschichte außerordentlich gut, kann der Leser sich doch so ganz auf die beiden fantastischen Hauptdarsteller konzentrieren.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch mit Schutzumschlag ist wie ein richtig klassischer englischer Krimi aufgemacht, auf hellgrauem, auf alt getrimmten Untergrund sieht man eine Tasse Tee und ein Giftfläschchen. Autor und Titel sind in glänzender, leicht erhabener Schrift in schwarz dargestellt und mit ein paar Schnörkeln versehen.


Fazit

Eine echte Entdeckung unter den Krimis, überraschend anders, herrlich skurril und leichtfüßig geschrieben, mit tollen Darstellern und spannenden Enthüllungen. Definitiv eine besondere Empfehlung!


5 Sterne


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