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Katharina Blum ist eine junge hübsche Haushälterin, die sich eine kleine Eigentumswohnung und einen Volkswagen leisten kann. Sie hat ein heiter-bescheidenes Wesen und wird, weil sie Zudringlichkeiten der Männer verabscheut, in ihrer Umgebung die "Nonne" genannt. Diese Frau verliebt sich spontan in einen jungen Mann, einen von der Polizei gesuchten radikalen Rechtsbrecher. Sie verhilft ihm zur Flucht und gerät in den Mittelpunkt der Sensationsmache einer großen Boulevardzeitung ...

 

  Autor: Heinrich Böll
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag
Erschienen: Februar 2009 (46. Auflage)
ISBN: 978-3-423-01150-1
Seitenzahl: 145 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Böll beginnt seine Erzählung mit dem Bericht der Geschehnisse vom Mittwoch vor Weiberfastnacht 1974. Die 27-jährige Katharina Blum, eine Haushälterin, zeigt sich selbst an und gesteht den Mord an dem Journalisten Tötges. Auf den folgenden 140 Seiten erzählt Böll, "wie Gewalt entstehen und wohin sie führen kann" (so nennt Böll den Untertitel seiner Erzählung "Die verlorene Ehre der Katharina Blum"). Nach und nach wird der Leser gewahr, dass die ZEITUNG - Parallelen zu der Bild-Zeitung hielt Böll für "unvermeidlich" - nicht unmaßgeblich an der Eskalation beteiligt ist. Durch deren Hetzberichterstattung wird Katharina immer mehr ins gesellschaftliche Abseits befördert und verliert sozusagen ihre "Ehre". Das einzige "Verbrechen", dessen sich das schüchterne Mädchen schuldig macht, ist, eine Liebesnacht mit dem polizeilich gesuchten Verbrecher Ludwig Götten verbracht und ihm anschließend zur Flucht verholfen zu haben. Böll schildert in einer Rückblende den Einfluss der Medien auf das Gemüt der Katharina, bis es zu der bereits am Anfang geschilderten Katastrophe kommt.

Diese Erzählung Bölls hat 1974 für einiges Aufsehen gesorgt. Sein offensichtlicher Seitenhieb auf den Revolverjournalismus der Bild-Zeitung hatte vor allen Dingen mit der Berichterstattung des Boulevardblattes im Fall der RAF zu tun. Seit Böll 1972 im Spiegel den Artikel "Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?" veröffentlichte, wurde er ebenfalls Opfer von Kampagnen gegen ihn in der Presse, da man in ihm einen Sympathisanten der Terroristen erkannt haben wollte. Tatsächlich hat sich der Pazifist Böll seit jeher gegen Gewalt eingesetzt. In seinem Nachwort, das in dem dtv-Taschenbuch am Ende enthalten ist, beschreibt Böll, was er mit diesem "Pamphlet" zeigen wollte, dass Menschen durch Hetze und Verleumdung ins gesellschaftliche Abseits geraten können und so verzweifelt werden, dass sie eine dumme Verzweiflungstat begehen. Nicht mehr und nicht weniger.


Stil und Sprache
Zentrales Stilelement der Böll'schen Erzählung ist die Verwendung sehr unterschiedlicher Sprachstile. Der Erzähler tritt überwiegend dokumentierend und kommentierend auf, die ganze Erzählung ähnelt mehr einem Bericht, als einem literarischen Werk. Dies verschafft dem Buch eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Neben diesem nüchternen Berichtsstil enthält die Erzählung Protokollauszüge der Vernehmungen Frau Blums durch die Polizei. Aufgelockert wird dieser eher behördliche Jargon durch das Umgangssprachliche, das sowohl der Kommissar Beizmenne als auch der Journalist Tötges benutzen. Tötges drückt sich sogar richtig vulgär aus. Dies steht wiederum im krassen Gegensatz zu Katharinas gewähltem Ausdruck, der fast rein, allerdings etwas affektiert klingt, zumindest aber sonderbar für eine junge Frau von 27 Jahren. Beispielsweise besteht sie im Protokoll, das sie eingehend Wort für Wort prüft, bevor sie ihre Unterschrift unter das Schriftstück setzt, auf das Wort "gütig", das die Polizei für antiquiert hält. Bezeichnend für die Erzählung, die von der Macht der Sprache und deren Missbrauch handelt, ist, dass sich Katharina von dem vulgären Sprachton Tötges mitsamt seiner polemischen ZEITUNG dermaßen verletzt und in die Enge getrieben fühlt, dass sie am Ende rot sieht und gewalttätig wird.
Trotz Bölls trockenem Sprachstil, der keinesfalls langweilig ist, kommen auch der Humor und die Ironie nicht zu kurz, bei aller Ernsthaftigkeit der Umstände. So hält er es für "betrüblich", dass Katharina am Ende den Journalisten niederschießen wird.


Figuren
Die Hauptfigur, Katharina Blum, wird zunächst vom Erzähler charakterisiert. Sie ist eine fleißige und strebsame Person, eine Hausangestellte mit ausgezeichneten Qualifikationen und Referenzen, allerdings etwas verschüchtert. Von Freunden wird sie auch als "Nonne" bezeichnet, da sie Aufdringlichkeiten des männlichen Geschlechts nicht leiden kann und nach der Scheidung ihrer Ehe Männern aus dem Weg geht. Von ihrer Patentante, der Frau Woltersheim, wie auch von ihren Arbeitgebern, Herr und Frau Blorna, wird sie zwar als distanziert und diszipliniert beschrieben, diese Freunde Katharinas zeichnen aber ein durchaus positives Bild der jungen Frau. Die überaus positive Schilderung der Hauptfigur, "zieht" unweigerlich auch den Leser auf Katharinas Seite. Es bleibt zwar eine Distanz, die rührt aber vor allen Dingen daher, dass man Katharinas Überzeugungen zuweilen als etwas befremdlich empfindet. Eins ist dem Leser allerdings von Anfang an klar: diese junge Frau kann keiner Fliege etwas zu leide tun, sie ist tugendhaft, ehrlich und vor allen Dingen keine Verbrecherin. Kurzum, der Leser hält Katharina für unschuldig - auch am Ende noch?
Nicht hingegen die ZEITUNG, Katharina wird von der Klatschpresse als "Räuberliebchen", "Mörderbraut" und "radikale Person" bezeichnet. Jedes Wort, das Freunde, Bekannte über Katharina verlieren, wird so lange verdreht, bis die gemachten Angaben über ihre Person in das vorgesehene Bild passen.

Da Bölls Augenmerk auf der Person der Katharina Blum liegt, werden die anderen Personen seiner Erzählung weniger charakterisiert.


Aufmachung des Buches
Das mir vorliegende Buch ist im dtv Taschenbuch erschienen. Das Cover ist schmucklos Weiß, Name des Verlages, Autors und des Buches sind in schwarzen Buchstaben aufgedruckt. Die Hälfte des Covers nimmt ein Ausschnitt aus der gleichnamigen Verfilmung von Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta ein, ebenfalls in schwarz-weiß. Das Filmfoto ist gut gewählt. Es zeigt die verzweifelte Katharina Blum (alias Angela Winkler), die die Hände an die Ohren presst. Im Hintergrund Mario Adorf als Kommissar Beizmenne, der sie eindringlich ansieht. Dieses Bild aus einer der Vernehmungsszenen der Erzählung macht neugierig auf den Inhalt und zeigt, dass es sich bei dem Buch nicht um eine lockere Ferienlektüre handelt.


Fazit
Ein wirklich lohnenswertes Buch, mit einem immer noch aktuellen Thema, der Kritik am Sensationsjournalismus der Boulevardpresse. Böll bemerkt in seinem Nachwort, dass er sich nur eines vorwirft, seine Streitschrift "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" nicht radikal genug abgefasst zu haben. Wellen geschlagen hat dieses Buch, mit dem Böll mit den Zeitungsmachern der 70er Jahre abrechnet, allemal und so schreibt er am Ende seines Nachwortes: "Gebüßt habe ich, bereut nichts". In diesem Sinne, wer dieses Buch liest, wird es ebenfalls nicht bereuen.


5 Sterne


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