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Publius Quinctilius Varus ist ein Mann von Charakter, Stärke und zu viel Vertrauen in die Seinen. Denn sonst hätte der römische Statthalter die Zeichen gedeutet, die er übersehen will: Hinweise darauf, dass Arminius, der Cherusker, einen Aufstand gegen die römischen Besatzer plant. Varus kann der bitteren Wahrheit nicht ins Auge sehen, dass ausgerechnet sein engster Vertrauter ihn zu vernichten sucht.
Können die germanische Sklavin Thuidgif und der römische Schreiber Annius den Tod zahlloser Menschen verhindern?

 

  Autor: Iris Kammerer
Verlag: Heyne
Erschienen: Okt. 2008
ISBN: 978-3453470897
Seitenzahl: 464 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Die Varusschlacht, Schlacht im Teutoburger Wald oder auch Hermannsschlacht ist wohl jedem ein Begriff, auch wenn man sich wenig für die Vergangenheit interessiert, so ist einem diese Schlacht noch aus der Schulzeit im Gedächtnis. In Arminius (auch als Hermann bezeichnet) sahen viele gerne den legendären Held, der den Grundstein für das heutige Deutschland bzw. Germanien legte. Iris Kammerer hat sich intensiv mit Arminius, Varus und dem ganzen Geschehen um dieses große Ereignis auseinander gesetzt und versucht, die Schlacht einmal von einer anderen Perspektive zu beleuchten.


Stil und Sprache
Über 2000 Jahre beschäftigt die Menschen das grausame Gemetzel vom Teutoburger Wald. Da es eine Unmenge von Theorien zu dieser Schlacht gibt und Arminius über Jahrzehnte als der wahre Held und Befreier seines Volkes angesehen wurde (letztendlich durch Kleist und die NS-Zeit), versuchte die Autorin einmal alles von der anderen Perspektive zu betrachten und wiederzugeben.
Kriege und Schlachten sind keine einfachen Themen und der Autor ist gefordert, die Waage zwischen Effekthascherei, voyeuristischem zur Schau stellen von blutigem Gemetzel und einer Verunglimpfung der brutalen Handlungen, zu halten. Iris Kammerer ist dies nicht nur hervorragend gelungen, sondern sie hat auch die Gabe, dem Leser nicht nur die ganze Tragik zu vermitteln, sondern ihn diese auch förmlich spüren zu lassen. Ohne jegliches Pathos berichtet sie über den (möglichen) Verlauf der letzten Tage vor dem schlimmen Ereignis, gewährt Einblicke in die Gedankenwelt Varus` und seiner Getreuen und bietet so eine stringente Möglichkeit zu den damaligen Ereignissen.
Der Leser wird lediglich durch die Geschichte geführt, so dass es ihm selbst überlassen ist, zu welchen Schlüssen er kommt. War Arminius nun Held oder Verräter? War Varus der stolze Feldherr, der sich in seiner Position als zu sicher fühlte, oder vertraute er zu blind und naiv seinem Gefühl, dass er auch alle Warnungen in den Wind schlug?
Die Schauplätze sind so skizziert, dass nach und nach ein vollständiges Bild der Szenerien entsteht und der Leser schritt für Schritt die Häuser und deren Einrichtung, den Tagesablauf und die Gewohnheiten der Römer schier am eigenen Körper erlebt. Da man die Geschichte kennt, schwebt der grausame Untergang der Römer ständig wie ein Damoklesschwert über einem und vermittelt eine drückende, schwere und melancholische Stimmung.

Iris Kammerers Sprache ist glatt und schnörkellos, aber dennoch feinfühlig und empathisch, was die Glaubhaftigkeit ihrer Beschreibungen nur unterstreicht.
Wenn ein Autor es schafft, dass sich der Leser nach 50, 100 oder auch 200 Seiten das erste Mal fragt, wie denn der Erzählstil des Autors ist, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Das Buch ist so spannend, dass die Sprache in den Hintergrund gedrängt wird (was aber auch ein Widerspruch ist, denn wenn die Sprache nicht gut ist, dann schafft es der Autor nicht, den Leser so zu fesseln) oder die Sprache ist so hervorragend, dass der Leser sich davon getragen fühlt und er nur in Bildern und Emotionen denkt. Iris Kammerer hat beides vereint. Sie hat es geschafft beim Lesen so eine dichte Atmosphäre zu kreieren, dass der Leser noch nach Beendigung des Buches einige Tage braucht, um die drückende Schwere dieser Schlacht zu verarbeiten.


Figuren
Iris Kammerer versuchte die Geschichte aus der Sicht Varus` zu sehen und wiederzugeben, ohne Arminius' Beweggründe für sein Handeln zu interpretieren oder Mutmaßungen anzustellen.
Um dem Leser die ganze Tragweite dieser grauenhaften Schlacht nicht nur als ein eben schreckliches Gemetzel näher zu bringen, sondern auch zu zeigen, welche Einzelschicksale hinter jedem Krieg und jeder Schlacht stehen, hat Kammerer die fiktiven Figuren des Publius Annius, einen Gefreiten im Stabsdienst, der nach einer Verwundung als Gerichtsschreiber tätig ist und das germanischen Mädchen Thiudgif, die als Sklavin zu Annius kommt, zum Leben erweckt. Anhand Annius und Thiudgif verdeutlicht die Autorin all die Ereignisse auch von emotionaler Seite und bewirkt damit eine noch bessere Authentizität.
Die Namen der Protagonisten und auch der Nebenfiguren scheinen einem kompliziert und schwer zu merken. Zweifelsohne ist dies so. Meine Annahme, dass die Autorin aber nicht nur einen trivialen Unterhaltungsroman schreiben wollte, sondern dass ihr wirklich wichtig war, Interessierten ein möglichst klares Bild der damaligen Ereignisse wiederzugeben, so dass zumindest das Wenige, das man heute über den Hergang der Varus-Schlacht weiß, nicht auch noch beschneidet, ist für mich eine logische Konsequenz.
In Annius und Thiudgif stellt Iris Kammerer dem Leser zwei Wegbegleiter zur Seite, bei denen er stellvertretend für hunderte Mitbetroffene die ganze Tragik hautnah mitverfolgen kann.


Aufmachung des Buches
Keine gebundene Ausgabe. Das ist wohl das größte Manko an diesem Buch, das eine schöne Hardcoverausgabe auf jeden Fall verdient hätte. Die Taschenbuchausgabe ist jedoch schön aufbereitet und auf dem Umschlag, der in verschieden Farbverläufen von Rot bis Schwarz gehalten ist, prangert in Hochglanz der Helm eines römischen Soldaten.

Das Buch ist in 25 Kapitel eingeteilt und am Ende des Buches findet man ein ausführliches Nachwort der Autorin, die Übersetzung des Eingangszitates, mit dem das Buch eingeleitet wird, ein Personenverzeichnis und eine Zeittafel. Als Bonus wurden am Beginn des Buches zwei Karten, eine von „Germania Magna“ und eine von „Belgica“, eingefügt. Auf diesen findet man die römischen Militäranlagen in augustinischer/tiberischer Zeit.


Fazit
Kein leichtes Buch. Kein einfaches Buch und auch kein unterhaltsames Buch.
"Varus" von Iris Kammerer gewährt einen tiefen Einblick in ein Ereignis, dessen Auswirkungen noch heute nicht zu begreifen sind. Was wäre, wenn Varus die Schlacht gewonnen hätte? Wie würde Deutschland heute aussehen? Wo wären heute die Landesgrenzen, wie wäre die Kultur? Fragen, auf die es keine Antwort gibt.
Leser, die sich für die Vergangenheit und vor allem für Geschichte interessieren, werden mit diesem Buch einen prägenden Einblick in das Geschehen vor 2000 Jahren erhalten. Wer jedoch leichte Unterhaltung sucht, wird mit diesem Buch nicht glücklich sein.
„Varus“ lässt einen nachdenklich und aufgewühlt zurück, obwohl - oder gerade deshalb - es weder blutrünstig noch äußerst brutal geschrieben ist.
Ein Buch, welches uneingeschränkt zu empfehlen ist!


5 Sterne


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