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„Wir kannten keine Panik, wir waren Beamte. Die mit den freundlichen Lügen. Wir waren Menschen, die im strömenden Regen vor die Tür traten und davon schwärmten, wie gut das für die Landwirtschaft sei. Das Schöne war, dass wir darum wussten und meistens nur das glaubten, was wir nicht sagten.“

Fred ist eine deutsche Diplomatin. Keine Zynikerin, sondern eine, die immer etwas bewirken wollte. Sie wird nach Istanbul geschickt – das Ziel ihre Wünsche, doch ausgerechnet hier stößt sie an die Grenzen dessen, was sie in ihrer Rolle erreichen kann. Und muss sich entscheiden, ob sie die Rolle verlässt.

 

Die Diplomatin 

Autor: Lucy Fricke
Verlag: Claassen
Erschienen: 03/2022
ISBN: 978-3546100052
Seitenzahl: 256 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Tja, wenn das mal so einfach wäre…Lucy Fricke erzählt die Geschichte von Friederike – Fred – Andermann, deutsche Diplomatin und zu Beginn in Uruguay stationiert. Ein Posten, auf dem man alt werden könnte, wenn da nicht diese verschwundene Reisebloggerin wäre. Fred nimmt den Anruf der Mutter von Tamara nicht wirklich ernst und ist am Ende die Schuldige – zumindest auf dem Papier, denn eigentlich hatte sie keine Chance. Sie wird zurück in die Zentrale beordert und landet dann in Istanbul, ihrem Traumposten. Doch auch hier lauern nicht nur diplomatische Fallstricke und Fred muss sich darüber klar werden, was sie eigentlich will.

Die Handlung an sich ist alles andere als aufregend, aber in diesem Roman geht es um die Zwischentöne, um die Möglichkeiten und Grenzen der Diplomatie, vor allem in Ländern, die nicht unseren Vorstellungen von Demokratie entsprechen. Lucy Fricke zeichnet ein beängstigendes Bild unserer Welt, das man so vielleicht erahnt hat, das aber durch die Nähe zu den Protagonisten eine ganz andere Qualität erhält.


Stil und Sprache
Fred erzählt die Geschichte ausschließlich selbst und so fühlt es sich an, als wenn man sie auf ihrem Weg durch das diplomatische Labyrinth direkt begleitet. Gerade zu Anfang ist sie aber recht distanziert, als ob es sie nicht wirklich etwas angeht geschweige denn berührt, was sie in den verschiedenen Ländern erlebt. Trocken und selbstironisch („Ich hätte den besten Job der Welt machen können, niemand hätte es bemerkt.“ S. 10) schildert sie das Leben als Konsulin mit allen guten und weniger guten Seiten. Das ist gerade zu Anfang oft (aber)witzig und lässt einen schnell in die Geschichte eintauchen.

Dabei erzählt Lucy Fricke nur die Teile der Geschichte, die sie für erzählenswert hält. So endet die Handlung in Uruguay recht abrupt und in Istanbul setzt sie erst ein, als Fred schon ein ganzes Jahr dort ist. Auch zum Ende hin gibt es noch einmal einen jähen Ortswechsel und dann leider ein gänzlich offenes Ende – so ziemlich das einzige, was mir an diesem Roman nicht gefällt.


Figuren
Fred Andermann bleibt durchgehend auf Distanz zu ihren Lesern, zwar scheint sie eine Vergangenheit zu haben, diese wird jedoch nur in einem Nebensatz erwähnt. Sie ist auch als Mensch vollständig zur Diplomatin geworden, feiert auch Siege still und ohne große Worte, übt sich in Geduld und hält sich aus allem heraus. Bis etwas passiert, dass ihr die Geduld nimmt und sie sich entscheiden muss, welche Art Mensch sie sein möchte. Und was sie daraus macht, denn „eine Diplomatin ohne Geduld ist berufsunfähig“ (S. 201).

Es gibt nur wenige weitere Beteiligten in dieser Geschichte, auch sie sieht man nur durch Freds Augen, was für so manchen sehr klugen Kommentar sorgt. Freds Charakterisierung trifft oft den Nagel auf den Kopf und ihre Einschätzungen zu ihren Kollegen und Mitstreitern machen dieses Buch absolut lesenswert.


Aufmachung des Buches
Das gebundene Buch zeigt auf dem Schutzumschlag eine stilisierte Treppe, die zu einer Meeresbucht hinunter führt. Ein Lesebändchen vervollständigt die hochwertige Aufmachung. Innen ist das Buch in drei große Teile unterteilt, die jeweils an unterschiedlichen Orten spielen.


Fazit
Ein kluger Roman, der ungewöhnliche Einblicke in die Welt der Diplomatie mit einem persönlichen Schicksal verknüpft – sprachlich überzeugend, leider ohne richtiges Ende und damit irgendwie unvollständig wirkend.


3 5 Sterne


Hinweise
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