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„Wer gesund ist, wurde nur nicht richtig untersucht.“

Der Gesundheitsmarkt wirkt wie entfesselt, immer mehr Akteure, Indikationen, Methoden konkurrieren um Aufmerksamkeit. Dr. Michelle Hildebrandt zeigt, wie Unternehmen, aber auch Ärzt*innen und die Alternativmedizin aus wirtschaftlichem Interesse Patient*innen „fangen“, und wie wir uns das gerne gefallen lassen. Immer mehr Menschen werden daher unnötig oder falsch mit Medikamenten und Therapien behandelt, während zugleich unseriöse Anbieter teilweise gefährliche Methoden propagieren, statt zu lebensrettender Diagnostik aufzufordern. Damit Patient*innen ihre Unmündigkeit überwinden können, ist Wissen nötig – Michelle Hildebrandts Buch leistet dazu einen notwendigen Beitrag.

 

Die Patientenfaenger 

Autor: Michelle Hildebrandt
Verlag: Hirzel Verlag GmbH
Erschienen: 28. April 2021
ISBN: 978-3-7776-2869-1
Seitenzahl: 224 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Gesund sein, wer möchte das nicht? Bestimmt hat schon jeder von uns einmal einen Arzt gebraucht, eine Operation und/oder bereits verschiedene Therapien über sich ergehen lassen müssen. Medikamente in jeglicher Form - ob als Tablette, Dragee, Kapsel, Saft oder Pulver, innerlich oder äußerlich angewendet als Salbe oder Injektion – wenn es um die Gesundheit geht, dann geht es gleichzeitig auch um viel Geld. Von der Pharmaindustrie und der Naturheilkunde über die Nahrungsmittelindustrie, bis hinauf in die Politik.

Die Autorin weiß als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, sowie als Medizingutachterin genau, wovon sie spricht, kann sie doch auf reichlich Erfahrung zurückgreifen. Sie versucht in ihrem Buch aufzuzeigen, wie sehr sich die Menschen von gezielter Werbung, oft kreativen Diagnosen und/oder Behandlungsmethoden und der Meinungen ihrer Mitmenschen beeinflussen lassen. Dazu geht sie auf aktuelle, populäre Diagnosen wie z. B. Lebensmittelunverträglichkeiten, Reizdarmsyndrom oder ADHS ein, die gerne gestellt werden, obwohl sie nicht immer zutreffen.

Sie warnt davor, dass aktive und quirlige Kinder oft „bequemerweise“ als ADHS–Patienten abgestempelt werden und mit Medikamenten ruhiggestellt werden, die in weiterer Folge ernste gesundheitliche Probleme nach sich ziehen können. Sie zeigt auf, dass es nicht selten vorkommt, dass ganz normales Verhalten einfach als „krank“ eingestuft wird oder nicht oft auftretende Gesundheitsprobleme als „Modekrankheiten“ Fuß fassen. Nicht nur Pharmafirmen profitieren davon, sondern auch die Nahrungsmittelindustrie hat z.B. mit großer Begeisterung die Begriffe „glutenfrei“, „lactosefrei“ usw. übernommen.

Beim Lesen wird bald deutlich, dass man die Augen offenhalten sollte, wenn man nach effektiven Therapien für seine Gesundheitsprobleme sucht. Oft genug werden aufgrund schlechter Diagnosen unpassende Medikamente verschrieben oder die Patienten zu kreativen, oft sehr teuren bzw. unnötigen und - im schlimmsten Fall - auch gefährlichen Therapien animiert. Das Buch zeigt auch sehr gut auf, dass als „neu“ betitelte Erkenntnisse, Arzneimittel oder Behandlungsmethoden oft nur „neu verpackt“ und dem aktuellen „Kundengeschmack“ angepasst sind.

Die Themen im Buch beginnen mit der Kräuter- und Schulmedizin, informieren über die (manchmal) „hausgemachten modernen“ Probleme und beziehen damit auch die Pharmafirmen und die Nahrungsmittelindustrie mit ein. Unverträglichkeit oder Allergie – das ist oft die Kernfrage. Was es nun mit Lactoseintoleranz, Zöliakie und Glutensensitivität auf sich hat, wird im Buch ebenfalls gut verständlich angesprochen.

Arzt oder Heilpraktiker oder Arzt und Heilpraktiker? Was ist der Unterschied, wer macht was und haben beide ihre Berechtigung? Das und viele anderen spannenden Themen warten im dritten Großkapitel des Buches, das in dem man auch spannende Tatsachen über Depressionen, Posttraumatische Belastungsstörungen oder auch das KiSS-Syndrom nachlesen kann.

Gesundheit und Politik spielen zusammen. Hier geht es nicht nur um gesetzliche und private Krankenversicherungen, Disease-Management-Programm, oder auch die Privatisierung im Krankenhaus. Interessante Informationen über diese und viele andere spannende Themen sind im großen Abschnitt „Auf der Jagd nach Wählerstimmen“ nachzulesen.

Die Kombination aus sehr sachlich gehalten Abschnitten, die sich mit Berichten von diversen Fallbeispielen und/oder mit lebendig erzählten Szenen abwechseln, bieten spannenden Lesestoff. Der Schreibstil wirkt unverblümt, geradlinig und pointiert, dadurch schafft es die Autorin gut, ihre Leser zu fesseln und zum Weiterlesen zu animieren. Da auf übermäßig verwendete Fachausdrücke verzichtet wurde, ist das Buch auch für absolute Laien sehr gut verständlich und leicht nachvollziehbar.

Diejenigen, die sich bereits ausführlicher mit dem Thema befasst haben, werden vermutlich etliche bekannte Aussagen finden. Es könnten ihnen aber auch durchaus neue Ansätze bzw. andere Blickwinkel für das Hinterfragen populärer Diagnosen bzw. Therapien ins Auge fallen. Alle Interessierten, die sich bisher damit eher weniger auseinandergesetzt haben, werden bei der Lektüre sicherlich interessante Argumente und Gegenargumente, Tatsachen und Erkenntnisse entdecken, die auf diesem Gebiet eine wichtige Orientierungshilfe bieten können.


Aufmachung des Buches
Die Covergestaltung mit der weißen und schwarzen Schrift auf weißen Hintergrund wirkt sehr zurückhaltend. Eine Tablettenkapsel in halb rot, halb durchsichtig ersetzt das i bei dem Wort „Patienten“. Der Rückseitentext ist kurz, knackig und trifft den Kern des Buchinhaltes sehr gut. Auf der vorderen Innenklappe des Klappenbroschurbuches ist ein weiterer kurzer Einblick in den Buchinhalt zu finden, die rückwärtige Innenklappe zeigt die bebilderte Kurzvita der Autorin. Mein Exemplar enthielt auch einen kleinen Folder mit dem Frühjahrs-Sachbuchprogramm des Verlages.

Dem übersichtlichen Inhaltsverzeichnis, in dem die Sammelüberschriften der Großkapitel rot hervorgehoben wurden, folgt ein Vorwort der Autorin. Hier spricht sie über Diagnosen, seltene Krankheiten, „Modekrankheiten“ und andere Fragen bzw. Tatsachen, auf die sie in ihrem Buch eingehen möchte. Es folgen die Großkapitel „Gut im Geschäft – Wie Pharmafirmen von „Modekrankheiten“ profitieren“, „Nahrungsmittelindustrie“, „Wer heilt, hat nicht immer recht“, „Auf der Jagd nach Wählerstimmen“, „Aufregung garantiert“ und „Jenseits der Krankheit“.

Ein ausführliches Glossar und die Anmerkungen aus den Kapiteln 1 – 5 runden das Buch gut ab. Auf der letzten Seite findet man die Buchvorstellung von "Pillen, Heiler, Globuli - Das Geschäft mit der Alternativmedizin" der Autorin Beate Frenkel aus dem Hirzel Verlagsprogramm


Fazit
Nicht verpassen! Informativ und sehr lesenswert! "Die Patientenfänger" ist ein sehr interessantes, gut nachvollziehbar geschriebenes Buch, in dem die Autorin ihren Lesern nützliches Wissen auf konzentrierte und kurzweilige Weise zugänglich macht. Sie erklärt klar und sachlich, warum man als Patient Diagnosen, Medikamente und Therapien nicht blind akzeptieren, sondern durchaus kritisch hinterfragen sollte, um keine unliebsamen Überraschungen zu erleben.


5 Sterne


Hinweise
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