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Das 18. Jahrhundert bedeutet für die Schweiz eine Phase des ökonomischen Umbruchs, welcher vor allem durch die starke Ausbreitung hausindustrieller Textilproduktion geprägt war. Durch diese frühe Industrialisierung bildeten sich kapitalistische Marktzusammenhänge im Wirtschaftsleben in immer stärker werdendem Maße heraus.

 

Untersucht man diesen Prozess, so drängt sich die Frage auf, ob sich bei den wirtschaftlichen Akteuren - entsprechend dem ökonomischen Wandel - eine moderne kapitalistische Mentalität herausbildete. Konkret: Welche Faktoren sind für das Aufkommen der modernen kapitalistischen Wirtschaftsgesinnung verantwortlich?

 

 

 

Dennis Barkmin geht dieser Frage nach und nimmt hierzu einen einzelnen Menschen prototypisch ins Blickfeld. Einen Mann, der während dieser ökonomischen Umbruchsphase des späten 18. Jahrhunderts in der Ostschweiz lebte: Ulrich Bräker. Dieser schloss als Zwischenhändler für Baumwollwaren die Lücke zwischen der ländlichen Produktionssphäre und den städtischen Kaufleuten.

Barkmins mikrohistorische Untersuchung leuchtet den Protagonisten auf ökonomische Handlungen, Motive und Grundüberzeugungen hin aus und gelangt dabei zu einem Ergebnis, das die Vielschichtigkeit wirtschaftlichen Denkens und Handelns sichtbar macht. Es ergibt sich ein Gesamtbild, das gekennzeichnet ist durch die Vielfalt der Faktoren und der Gleichzeitigkeit retardierender wie dynamischer Elemente.

 

 

  Autor: Dennis Barkmin
Verlag: ibidem
Erschienen: 2009
ISBN: 978-3-898219747
Seitenzahl: 162 Seiten

 


Stil und Sprache
Es handelt sich um ein Fachbuch aus dem Bereich der Wirtschaftsgeschichte, das sich ungewöhnlicherweise vorwiegend auf Selbstzeugnisse einer einzelnen Person bezieht. Hierbei geht es um Tagebücher und die Lebensbeschreibung Ulrich Bräkers, des "armen Mannes im Toggenburg", eines Garnverlegers und Schriftstellers aus der Ostschweiz, der bis zum Ende des 18. Jahrhunderts lebte und der als einer der ersten echten "bäuerlichen" Schriftsteller im deutschsprachigen Raum gilt. Das Buch ist ein Fachbuch, eine wissenschaftliche Arbeit mit Gliederung und entsprechendem Anmerkungsapparat. Die Wissenschaftlichkeit geht aber nie auf Kosten guter Lesbarkeit.
Das Buch ist natürlich vor allem dann interessant, wenn man sich mit Bräker beschäftigt hat, was ich an dieser Stelle auch gerne empfehlen möchte.


Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Das Buch beschäftigt sich anhand der Bräkerschen Tagebücher mit der Frage, wie sich eine moderne kapitalistische Mentalität herausbildet. Es werden sozialgeschichtliche Ansätze (qualitative und quantitative Methoden) einbezogen. Bräker als (noch) vormoderner Mensch wird vor dem Hintergrund der heutigen Globalisierung neu beleuchtet: Ist es möglich, historische Erfahrungen gleichsam als Hilfe für aktuelle Probleme zu nutzen? Dennis Barkmin nimmt zunächst einige historische Verortungen vor, um den Leser in die damaligen geschichtlichen Zusammenhänge einzuführen. Wichtig ist auch die Einbeziehung von Ulrich Bräkers Schreibmotivation der wirtschaftlichen Dingen zwar einen breiten, nicht aber unbedingt systematischen Raum zumisst. Interessant sind auch die religiösen Einflussfaktoren, die auf Wirtschaft, wie eben auch auf das Schreiben Bräkers Einfluss nehmen. Was dabei herauskommt, ergibt ein aufschlussreiches Bild, das sich auch allgemein auf die Menschen kurz vor der Industrialisierung, die sich schon stark vorbereitet, ausweiten lässt. Es geht um Ulrich Bräkers "ökonomische Denk- und Handlungsmuster zwischen kleinbäuerlicher Lebenswelt, kapitalistischen Marktzusammenhängen und aufgeklärter Weltanschauung."
Das Buch wird wahrscheinlich eher Leser in einem wissenschaftlichen Kontext betreffen, so zum Beispiel Geschichtswissenschaftler, Soziologen, Kulturwissenschaftlicher aber auch Wirtschaftswissenschaftler, was doch eine ziemlich breit gefächerte Kombination ist. Es ist aber auch gut verständlich geschrieben, so dass es auch jeder andere an Ulrich Bräker Interessierte mit Gewinn lesen kann.


Aufmachung des Buches
Das Buch ist schlicht und zweckmäßig gehalten. Auf dem Cover sieht man weiße Schrift auf blauem Grund. Innen einige Grafiken, z.B. Diagramme, die Auskunft über Bräkers wirtschaftliches Verhalten geben. Das Textbild ist angenehm lesbar und übersichtich.


Fazit
Eine interessante und gut zu lesende wissenschaftliche Arbeit, die zeigt, wie spannend Wirtschaftsgeschichte sein kann. Darüber hinaus trägt dieses Buch dazu bei, Ulrich Bräker aus einer etwas ungewöhnlichen Sichtweise zu betrachten - der ökonomischen. Und das kann - denke ich - viel zu seinem Verständnis beitragen.

 


5 Sterne

 


Hinweise
Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

 

Der Autor:
Dennis Barkmin, Jahrgang 1981, studierte Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Neuere und neueste Geschichte sowie Romanische Philologie in Freiburg, Pamplona und Valencia. Seine Interessenschwerpunkte sind die Geschichte der Protoindustrialisierung, die Geschichte der Umwelt im 19. und 20. Jahrhundert sowie der Roman des "Siglo de Oro". Derzeit ist Barkmin in der Erwachsenenbildung tätig.

 

 

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