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Manche Menschen überfallen einen wie ein heftiger Sturm, andere Menschen wehen sanft wie eine Wolke in ein Leben – die besonderen unter den Menschen suchen einen wie ein warmer Mairegen Tropfen für Tropfen heim ... Sie graben sich wie kunstvolle Gravuren unauslöschlich in unser Gedächtnis. Solche Menschen vergisst man sein ganzes Leben nicht. So ein Mensch war für mich der Vogelschorsch.

Lena (14) sieht den Vogelschorsch (17) zum ersten Mal, als es Fische regnet. Ihr ist sofort klar, dass er anders ist, als alle anderen. Fasziniert von seiner eigentümlichen Art teilt Lena von nun an ihre Zeit zwischen dem Vogelschorsch und ihren Freunden Max und Lukas auf, was zu einem heiklen Balanceakt wird. Ins Schwanken gerät alles, als sie sich zum ersten Mal verliebt, während ihre Eltern plötzlich von Scheidung sprechen. Doch so richtig aus den Angeln gehoben wird ihr Leben erst, nachdem sie das dunkle Geheimnis ihres neuen Freundes entdeckt. Als Lena und der Vogelschorsch zu allem Überfluss im Wald erschossene Vögel finden, geht in ihrer beider Leben etwas unwiederbringlich kaputt ...

 

Der Vogelschorsch 

Autor: Hannes Wirlinger
Illustrationen: Ulrike Möltgen
Verlag: Verlagshaus Jacoby & Stuart GmbH
Erschienen: Juli 2019
ISBN: 978-3-96428-031-2
Seitenzahl: 304 Seiten

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Die Grundidee der Handlung
Eine neue Familie zieht zu Beginn der Sommerferien in die unmittelbare Nachbarschaft der 14-jährigen Lena, die in Österreich am Land lebt. Trotzdem sich der neu zugezogene Georg oder „Schorsch“ völlig von Lenas bisherigen Freunden unterscheidet, weckt er Lenas Interesse und befreunden sich. Der Junge hat es nicht leicht, er kleidet sich seltsam, liebt Vögel und „tickt“ so völlig anders als alle von Lenas Freunden und Bekannten. Durch seine Liebe zu seinen gefiederten Freunden bekommt er von dem Mädchen den Namen „Vogelschorsch“ verpasst. Durch ihren Umgang und die Gespräche mit dem seltsamen Jungen durchlebt Lena etliche neue Erfahrungen. Sie erlebt Mobbing aus erster Hand, entdeckt, dass es in der Ehe ihrer Eltern kriselt, verliebt sich, erfährt die tiefe Tragik im Leben des Vogelschorsch und lernt, wie nahe Freude und Leid beieinander liegen. Kurz - sie erlebt eine Menge unterschiedlicher Situationen von dem Moment an, in der sie den seltsamen Nachbarsjungen kennenlernt und wird in dieser Zeit ein gutes Stück erwachsener.

Eine beeindruckend eindringliche Geschichte über zwei befreundete, sehr unterschiedliche junge Menschen die mit einer Vielfalt schwieriger, immer  aktueller Situationen konfrontiert werden. Es ist auch ein Buch über das Erwachsenwerden und die immer aktuellen Themen wie Liebe und Leid, Leben und Tod, Verständnis und Ignoranz. Es wurden spannend und jugendgerecht eingeflochten.


Stil und Sprache
Die Geschichte wird in der „Ich-Form“ aus Sicht der 14-jährigen Lena erzählt. So treten zwei Hauptpersonen in den Vordergrund - einerseits Lena als Erzählerin, die die Geschichte zwischendurch auch mal kurz kommentiert und der Vogelschorsch, um den sich die Geschichte im Groben dreht. Der Schreibstil deckt gleichzeitig zwei Sichtweisen ab. Mit den Augen von Lena gesehen, steckt man tief in Lenas Gefühls- und Gedankenwelt, gleichzeitig ist man als Leser aber auch oft „nur“ Zuseher, wenn Lena vom Vogelschorsch, ihren Freunden und den Geschehnissen um sie herum berichtet.

Schon zu Beginn der Story erklärt Lena, dass die Geschichte nicht gut ausgeht. Auch im Text werden immer wieder kleine Hinweise gestreut, sodass die jungen Leser behutsam auf das unausweichliche Ende vorbereitet werden. Der Schreibstil ist sehr passend für das angepeilten Leserpublikum, denn die Sprache und jugendlichen Begriffe sind gut verständlich und passend für dieses Alter gewählt. Nicht so modern, dass man es nicht nachvollziehen kann, aber auch nicht so antiquiert, dass sie keinen Spaß machen, sie zu lesen.

Auch die Ansichten und Taten der Erzählerin spiegeln die Erlebnisse und Probleme in der Pubertät gut wieder. Die Geschichte spielt in der Zeit von „Musikkassetten, Walkman & Co“ und zeigt, dass sich die Gefühlswelt und Wichtigkeiten auf der Schwelle zum Erwachsenwerden auch im Jahr 2019 nicht wirklich geändert haben. Probleme in der Familie, die erste Liebe, Unsicherheiten, Eifersüchteleien, das Anderssein und die Machtlosigkeit, schlimme Dinge zu verhindern, mischen sich mit Verständnis, Akzeptanz, dem Tod und einem hellen Funken Hoffnung für das „Danach“.

Das Buch liest sich sehr kurzweilig, obwohl die Geschichte tiefer geht, als viele anderen Jugendromane und daher auch erwachsene Leser durchaus in seinen Bann zieht. Es sind keine leichten Themen, die durch Lenas Erlebnisse, Gespräche und Beobachtungen gezeigt werden. Die Situationen und Begegnungen im Buch sind leider auch heutzutage sehr aktuell. Auch jetzt wird sich irgendwann jeder Jugendliche Situationen wie Mobbing, Loyalität und intensiven Gefühlen stellen müssen. All diese Themen sind sehr gut in die spannende und gut zu lesende Handlung eingepackt und mit einem kleinen Hauch Mystik „bestäubt“. Auch die Illustrationen am Beginn jedes Kapitels tragen das Ihre dazu bei, dass die Geschichte auch durch die Bilder sehr intensiv ankommt.

Jugendliche Bücherfreunde ab ca. 14 Jahren werden sich der Ausstrahlung der Geschichte vermutlich ebenso wenig entziehen können, wie schon etwas reifere Leser.

 
Figuren
Lena (14) hat eine turbulente Zeit vor sich. Sie lernt den Vogelschorsch als Erste kennen und ist von dem Jungen, der sich in Kleidung, Ansichten und Gehabe so von ihren Mitschülern abhebt, unweigerlich fasziniert. Sie ist ein sehr freundliches Mädchen und sitzt dadurch irgendwie zwischen zwei Stüheln. Einerseits duldet sie nicht, dass ihre Freunde ihren neuen Freund mobben und lernt ihn langsam besser kennen, andererseits möchte sie auch auf die Gesellschaft ihrer anderen guten Freunde nicht verzicheten, die den Vogelschorsch aber nicht mögen.

Der Vogelschorsch (17) ist anders. Seine Faszinationen und Feinfühligkeit aller Lebewesen gegenüber wird überdeckt vom ersten Eindruck, den er durch seine seltsame Art, sich zu kleiden und seiner unbeholfenen Art, bietet. Die Schicksalsschläge, die ihn heimsuchen, wären auch für einen Erwachsenen Menschen kaum zu ertragen. Durch seine Ansichten und seine Familiensituation bringt er Lena zum Nachdenken.

Lenas Mutter, der Vater und ihre Freunde, der Mühltaler Max und der Lederer Lukas bieten - ebenso wie ihre „Lieblingsfeindin“ die Feichtiger Simone und andere Figuren - die perfekten Reibungspunkte für die Geschichte. Protagonisten wie Nebenfiguren agieren altersgerecht, nachvollziehbar und sehr lebensecht. So wirken ihre Entscheidungen und Handlungen situationsgerecht, einleuchtend und glaubwürdig.


Aufmachung des Buches
Das hochwertige Hardcoverbuch ist fadengebunden und die künstlerische Gestaltung des Einbandes passt sehr gut zum Thema. Der Titel passt sehr gut, sagt jedoch alles und nichts aus. Der Rückseitentext hebt sich in der Wortwahl ebenso wie die Geschichte und die Bilder schwarz-weiß-grauen im Buch gut erkennbar von der Masse ab. Vor Beginn des Textes findet sich auf der unteren linken Blatthälfte eine Kurzvita des Autors. Das Buch beginnt mit einem knappen Prolog, dem 47 kurze Kapitel folgen. So wie der Prolog und der Epilog, wird auch jedes Kapitel mit einer Illustration eingeleitet. Ein Epilog und die anschließende Kurzvita der Illustratorin runden die Geschichte gut ab.


Fazit
Unbedingt reinlesen! Es ist ein absolut lesenswertes und unerwartet intensives Buch, bei dem schon von Beginn an klar ist, dass am Schluss nicht eitel Wonne-Sonnenschein herrschen wird und das zum Nachdenken anregt. Obwohl ich sehr viel lese, kommt es recht selten vor, dass mich eine Geschichte so beeindruckt wie „Der Vogelschorsch“ von Hannes Wirlinger.


5 Sterne


Hinweise
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