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ADHS ist keine organische Krankheit. Es ist ein Konglomerat sozial als störend empfundener Verhaltensweisen. In etlichen Ländern Europas wird - neuerdings zunehmend - jedes vierte Kind mit ADHS diagnostiziert und meist mit verschreibungspflichtigen Stimulanzien behandelt. Diese Stimulanzien sind suchterzeugende Drogen, die therapeutisch unwirksam sind. Langzeitstudien zeigen, dass eine Krankheitsgeschichte mit ADHS-Diagnose und -Therapie in der Kindheit die spätere Entwicklung beeinträchtigen kann. Dieses Buch unternimmt den Versuch, Licht in den aktuellen Umgang mit ADHS zu bringen. ADHS ist kein unveränderlicher Zustand; insbesondere psychologische und pädagogische Maßnahmen geben allen Betroffenen die Kontrolle über ihre Situation zurück und ermöglichen es, Leid zu vermindern. Das Buch plädiert dafür, ADHS als medizinische Diagnose abzuschaffen und in den Geltungsbereich der Pädagogik zu übergeben. Das erfordert aber die Umstellung der häuslichen und schulischen Lebensumstände sowie ergänzende therapeutische Ansätze.

 

Warum ADHS keine Krankheit ist 

Autor: Amrei Wittwer
Verlag: S. Hirzel Verlag
Erschienen: 21. 01. 2019
ISBN: 978-3-7776-2761-8
Seitenzahl: 310 Seiten

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Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Der Rückseitentext auf dem Einband des Buches beginnt mit zwei wichtigen Aussagen: „ADHS ist keine organische Krankheit. Es ist ein Konglomerat sozial als störend empfundener Verhaltensweisen.“ Die Autorin zeigt auf, dass die Diagnose „ADHS“ quasi als Sammelbegriff für unerwünschtes kindliches/jugendliches Verhalten dient, dabei aber meist völlig außer Acht gelassen wird, dass es immer Ursachen wie z.B. Kopfverletzungen, Vergiftungen, schwierige familiäre Situationen uvm. für bestimmte Verhaltensweisen gibt.

ADHS ist eine moderne Diagnose, die laut Darlegung der Autorin erschreckend zunimmt. Amrei Wittwer widmet sich dem „Warum“ und zeigt, wie diese Krankheitsbestimmung von Lehrern und oft auch von Ärzten einfach aus dem „Handgelenk geschüttelt wird“. Und zwar ohne auf das betroffene Kind einzugehen, mit ihm selbst zu sprechen oder sich um mögliche Hintergründe des geänderten Verhaltens Gedanken zu machen oder es zu hinterfragen. Oft ohne ein klinisches Gutachten und Zweitgutachten. Natürlich ist es für die erschöpften Eltern oft eine Erleichterung, endlich eine Diagnose für das ungewöhnliche Verhalten des Sprösslings zu bekommen - auch wenn im Zuge der Behandlung ein nerviges Kind oder Jugendlicher schlussendlich mit Medikamenten ruhiggestellt wird.

Auch sollte man die Interessen der Pharmafirmen nicht vergessen, die von der vermehrten Diagnose „ADHS“ profitieren. Veraltetes Wissen, Halbwissen, überholte Behandlungsansätze und die bequeme Möglichkeit, ein sehr aktives Kind mit Medikamenten ruhig zu stellen, tragen so oft zu einer gefährlich falschen Diagnose bei, deren Auswirkungen der junge Patient oft ein Leben lange zu tragen hat.

Wie schnell die Diagnose ADHS zur Stigmatisierung eines Kindes und dem oft darauffolgenden Mobbing von Erwachsenen und Mitschülern – bewusst oder unbewusst eingesetzt – führt, ist ebenfalls sehr anschaulich im Buch dargelegt. Persönlichkeit gegen die Diagnose – der Verlierer ist meist klar. Bei vielen der Erläuterungen sind Aussagen/Zitate von betroffenen Kindern, Lehrern, Psychologen, ADHS Forschern usw. beigefügt – manche aktuell und gut nachvollziehbar, andere längst überholt.

In den fünf Teilen der Streitschrift setzt sich die Autorin sehr gründlich mit den wichtigsten Aspekten des Themas auseinander. Der erste Teil „Wie geht die Gesellschaft mit ADHS um?“ gibt einen guten Überblick in die Ist-Situation und führt gleich weiter der zu der wichtigen Frage des zweiten Teils „Wie wird ADHS diagnostiziert?“. Ein überaus heikles, von Eltern und Ärzten absolut unterschätztes und deshalb umso gefährlicheres Thema, die „Therapie mit stimulierenden Drogen“, wird im dritten Teil behandelt und bringt erschreckende Tatsachen über Wirkung und Nebenwirkungen ans Licht. Die Frage alle Fragen „Wirken die Stimulanzien überhaupt?“ werden in Teil vier des Buches behandelt und hier wird auch erklärt, ob und wann es sinnvoll ist, ein solche Therapie in Erwägung zu ziehen.

Im letzten Teil findet der Leser Anregungen auf die Frage „Wie sollen wir mit ADHS umgehen?“. Welche andere Möglichkeiten zur Verfügung stehen, unangepasstes Verhalten von Kindern ohne abhängig machende, nebenwirkungsreiche Medikamente in akzeptable Bahnen zu lenken, kann man in diesem Überkapitel erlesen.

Die Streitschrift ist gut aufgebaut, sachlich und gut nachvollziehbar geschrieben, auch die Fachwörter im Text halten sich in Grenzen. (Wobei diese hauptsächlich in manchen Zitaten zu finden sind). Die Erläuterungen, mit welche Risiken und gefährlichen Nebenwirkungen man bei einer Behandlung mit Psychopharmaka & Co für Kinder und Jugendliche rechnen muss und warum so oft Fehldiagnosen gestellt werden, sind schlüssig und sehr gut auf den Punkt gebracht.

Ein interessantes Buch für alle Betroffenen, ob Eltern, Patienten oder Lehrer und jeden wissbegierigen Menschen, in dem die betroffenen Kinder bzw. Jugendlichen und die Bandbreite der Auswirkungen der Diagnose „ADHS“ auf ihren Körper, ihre Psyche und ihr Lebensumfeld im Mittelpunkt stehen.


Aufmachung des Buches
Das kartonierte Buch weckt nicht nur durch das Thema, sondern auch durch die einfache Covergestaltung von blau-grauer und magenta-farbiger Schrift auf weißem Hintergrund Aufmerksamkeit. Der Rückseitentext gibt einen guten Einblick in das Thema, gleich darunter findet man eine Kurzvita der Autorin. Einem übersichtlichen Inhaltsverzeichnis folgt ein Vorwort der Autorin. Das Thema ist in die fünf Teile „Wie geht die Gesellschaft mit ADHS um?“, „Wie wird ADHS diagnostiziert?“, „Therapie mit stimulierenden Drogen“, „Wirken Stimulanzien überhaupt?“ und „Wie sollen wir mit ADHS umgehen?“ gegliedert und gut voneinander abgegrenzt. Diese Überkapitel sind ihrerseits wieder in weitere, mit einer Überschrift versehene Abschnitte eingeteilt. Durch die unterschiedlichen Schriftarten sind die Zitate gleich gut zu erkennen. Alles in Allem ist die ganze Gestaltung des Buches sehr leserfreundlich gehalten. Für alle Leser, die sich gerne noch weiter informieren möchten, gibt es im Anschluss eine Menge Literaturempfehlungen und zum Schluss etliche Seiten Literaturangaben.  


Fazit
Unbedingt lesenswert! Eine Streitschrift, die für alle mit ADHS diagnostizierten Kinder und Jugendlichen in die Bresche springt, neue Erkenntnisse bietet und mit veralteten, überholten Meinungen oder gefährlichem Halbwissen aufräumt. Ein Buch für alle betroffenen Menschen, ob im Familienkreis oder im weitere Umfeld und für alle Interessierten, das möglicherweise für so manches Aha-Erlebnis sorgen könnte. 


5 Sterne


Hinweise
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