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Kategorie: Kurzgeschichten / Anthologien

Täglich beobachtet Wladimir Kaminer, wie der Zuzug von Flüchtlingen Deutschland verändert. Und wie das Aufeinandertreffen der unterschiedlichen Kulturen zahllose Geschichten hervorbringt.
Er berichtet vom syreralistischen Komitee zur Rettung der Welt; von einem Zuckerbäcker aus Damaskus, der mit seinen Kreationen auf Rügen scheitert; oder von Syrern, die in Babelsberg als Komparsen für die Serie »Homeland« abgelehnt werden, weil Albaner »syrischer« aussehen als sie. Und am Ende fragt er sich: Haben wir es geschafft? 

Ausgerechnet Deutschland 

Autor: Wladimir Kaminer
Verlag: Goldmann Verlag
Erschienen: 19. März 2018
ISBN: 978-3442487011
Seitenzahl: 240 Seiten

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Die Idee, Stil und Sprache
In seinem neuesten Buch versammelt Kaminer wieder eine erkleckliche Anzahl kleiner Aufsätze zu einem Thema, das ihn bewegt. Dieses Mal nimmt er sich der Ereignisse des Jahres 2015, als sehr rasch sehr viele Menschen nach Deutschland kamen, um dem Krieg in ihrer jeweiligen Heimat zu entgehen, an. Er lässt in den häufig anekdotisch aufgebauten Texten seine Leser an seinen schwerwiegenden Gedanken dazu teilhaben. Und das meine ich keinesfalls respktlos. Kaminer analysiert, hinterfragt, kritisiert, philosophiert und bietet keine Lösungen an, nur Wege, die vielleicht zu (individuellen) Lösungen führen können.  Bisher galt für Kaminer, dass er nicht wertet und so ist es auch hier. Seine Texte sind oft persönlich, humorvoll, lakonisch, satirisch übertreibend, eher leise als laut und in einem angenehmen Erzählton gehalten. Das bedeutet, dass die Aufsätze gut lesbar sind. Manchmal zu gut, denn man sollte nicht den Fehler machen und zuviele Aufsätze zu schnell zu lesen, da verpasst man die Zwischentöne, die versteckte Kritik im vordergründigen Lob. Was mich am Autor fasziniert ist seine Menschlichkeit, sein Wohlwollen seinen Mitmenschen gegenüber, egal woher sie kommen – aus Bayern, Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Afghanistan. Wogegen er aber immer Stellung bezieht ist Menschenfeindlichkeit, egal in welchem Gewandt sie sich präsentiert.
Während er die Ereignisse von 2015 beschreibt, kommt er zu dem Schluss, dass eigentlich alle Menschen seit vielen, vielen Jahren unterwegs sind; und das aus den verschiedensten Gründen – Flucht vor Krieg und /oder diktatorischen Systemen, des Berufes wegen oder aus Langeweile. Die ganze Welt ist in Bewegung. Er findet sich rasch ein in die Gefühle der Geflohenen und der Menschen, die sich um sie kümmern oder gekümmert haben. Da spielt auch eine große Rolle, dass er selbst die UdSSR verlassen hat und die Sehnsucht nach dem Ankommen mit den Geflohenen teilt. Da ist er dann wieder, sein Roter Faden, der sich durch seine Bücher zieht, die Suche nach dem Garten Eden, dem Ort der Träume und Sehnsüchte. Immer wieder die bange Frage "Werde ich jemals irgendwo ankommen? Werde ich irgendwo wieder zu Hause sein (können) oder ewig auf der Suche nach dem besseren Ort?". Die Flüchtlingskrise führt dazu, dass er sich mit seiner eigenen Fluchterfahrung noch einmal auseinandersetzt. Er beginnt seine eigenen Erlebnisse und die Bedeutung, die sie bisher für ihn hatten, zu relativieren. Die Fremden scheinen ihn mit einem Mal zu einem Einheimischen zu machen. Dies ist eine ganz neue Erfahrung und Kaminer schaut ein bisschen verwundert auf sich selbst. 



Aufmachung des Buches
Optisch erinnert das Taschenbuch an die Leinen gebundenen Bücher der 50/60 ziger Jahre des letzten Jahrhunderts. Das seltsame Ockergelb, die Art und Weise wie Titel und Name des Autors geschrieben und platziert sind, alles wie von gestern. Und dann auch noch ein Gartenzwerg, also spießiger gehts ja nimmer! Wenn da nicht ein kleines Detail wäre, das das eben gesagte ad absurdum führt: Der Zwerg raucht Shisha! Das passt zu Kaminer wie die Faust aufs Auge. Die Spotlackierung kommentiert das Gesagte auf ihre Weise. Ansonsten alles wie üblich: festes, griffiges, leicht getöntes Papier und eine angenehm lesbare Schriftgröße. Schön finde ich, dass ein Inhaltsverzeichnis das Auffinden einzelner Kapitel erleichtert. 



Fazit
Kaminer gelingt es ein gesellschaftspolitisch schwieriges und hochemotionales Thema analytisch darzustellen und mit Humor und Menschlichkeit zu hinterfragen. Und ganz nebenbei ist es auch wieder ein Buch über sich selbst. 


4 5 Sterne


Hinweise
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