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"Die Geschichte meines Lebens lässt sich in einem Satz ungefähr zusammenfassen:Ein muslimischer Waisenjunge aus dem Senegal fliegt, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, in die DDR, studiert, promoviert, entwickelt ein Faible für Schrebergärten, Eisbein mit Sauerkraut und deutsche Pünktlichkeit, tritt der SPD bei und zieht für die angebliche Nazi-Hochburg Halle an der Saale als erster Schwarzer in den deutschen Bundestag ein."

Die einzigartige und unwahrscheinliche Lebensgeschichte von Karamba Diaby widerlegt so manches Klischee. Und sie zeigt, dass Perspektiven wie seine in unserer parlamentarischen Demokratie, wenn sie eine repräsentative sein will, unbedingt Gehör finden müssen. 

Mit Karamba in den Bundestag 

 
Autor: Karamba Diaby; Eva Sudholt
Verlag: Hoffmann und Campe Verlag GmbH
Erschienen: 14. Oktober 2016
ISBN: 978-3455504200
Seitenzahl: 224 Seiten

 

 
Umsetzung, Verständnis und Zielgruppe
Wenn der Klappentext anführt, dass diese Lebensgeschichte "einzigartig" und "unwahrscheinlich" ist, so kann man nach der Lektüre dieser Behauptung nur zustimmen und den Hut ziehen vor soviel Wagemut, Zielstrebigkeit, Eigeninitiative und den Menschen im Senegal, die so selbstverständlich helfen, wo Unterstützung gebraucht wird. Als Motto dieser Erzählung könnte man formulieren: Wie kann der Neuanfang nicht nur, aber auch, in der Fremde gelingen. Diaby selbst schreibt:" Ich wünsche mir, dass mein Weg andere Menschen inspiriert und motiviert, sich ein bisschen mehr zuzutrauen im Leben." (Seite 13). Er will Mut machen, sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und gleichzeitig ist das Buch auch ein Plädoyer für "..Neugier und Aufgeschlossenheit. Nicht nur gegenüber dem fremden, sondern auch dem eigenen Land" (Seite 15) Seine Ziele hat er erreicht.

Er geht dabei nicht chronologisch vor, die Erzählung mäandert zwischen Vergangenheit und Gegenwart, und zwischen dem Senegal, der Ex-DDR und der alltäglichen bundesrepublikanischen Realität. Entlang seiner Biographie erhält man Einblicke in die senegalesische Gesellschaft, wie sie damals in seiner Kindheit und Jugend funktionierte und was sich verändert hat. Gleiches gilt für die Ex-DDR, die ihn zum Studium eingeladen hatte. Dass sie nicht von Dauer war, gehört auch irgendwie zur Vita des Autors.

Im Text werden Klischees und Missverständisse zurechtgerückt und Probleme angesprochen, wie z.B. die weibliche Beschneidung im Senegal und die Bespitzelung durch die Stasi, die damals, so Diaby, auch nicht vor den ausländischen Studenten Halt gemacht hat. Er kennt die Ex-DDR von innen und das hilft ihm als Abgeordnetem sehr, weil er auch gleichzeitig den Blick von außen auf sie hatte. Das gleiche gilt für den Senegal. Hier ist es nunmehr der Blick von außen. Eingemischt hat sich Diaby schon immer, auch weil er diese Sehnsucht hat, dazuzugehören. Er gehört zu jenen, die einfach ohne großes Zutun zum Klassensprecher gewählt werden, weil sie über eine natürliche Autorität verfügen, sozial eingestellt sind und sich was trauen. Als Chemiker ist eine politische Karriere eher nicht vorgezeichnet, wenn man aber dieses Leben betrachtet, dann nur folgerichtig. Er äußert sich nicht zur BRD vor der Wende, erst die Jahre danach werden von ihm beleuchtet. Da er assoziativ vorgeht, bleibt manches im luftleeren Raum hängen, nicht jeder rote Faden wird wieder aufgenommen oder manchmal so spät, dass der Zusammenhang erst wieder vergegenwärtigt werden muss. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits bleibt der Text dadurch spannend und man selbst neugierig, andererseits führt das Fragmentarische des Textes dazu, dass das Gesagte an Aussagekraft verliert. Da er aber  immer wieder auf die Themen (Integration, alltäglicher Rassismus, gelebte Demokratie, die Menschen in Halle), die ihm wichtig sind, zurückkommt, möchte ich die losen Enden nicht überbewerten.

Diaby geht natürlich auch auf die Tagespolitik ein und verknüpft damit die Schilderung des Alltags eines Abgeordneten. Der ist an sich schon anstrengend und findet mehr in den Ausschüssen denn im Plenum statt, wird aber immer mehr auch zur psychischen Belastung durch Hassmails und Morddrohungen, nicht nur gegen ihn. Ich habe mich beim Lesen gefragt, wer eigentlich unter diesen Bedingungen noch aktiv Politik betreiben möchte.

Dieses Buch liest sich so gut durch die eingängige Sprache, dass man den Eindruck gewinnt, mit dem Autor in gemütlicher Runde beisammen zu sitzen und ihm beim Erzählen zuzuhören. Man vergisst darüber die Zeit, weil man immer noch mehr hören möchte. Ein gelungenes Buch über "die" Politik. 


Aufmachung des Buches
Das dunkelblau eingebundene Buch verfügt über einen Schutzumschlag, der auf dem Cover den Autor im Anzug und mit rotem Schal zeigt. Drei weitere Fotos auf der Rückseite ergänzen den Klappentext. Das Papier ist griffig und fest. Außer den Fotos auf der Rückseite gibt es keine weiteren, was ein wenig schade ist. Gegen Ende schleichen sich ein paar wenige Druckfehler ein, die aber keinesfalls stören. Mit dem Dank und den  Anmerkungen schließt der Band. 

Fazit
Ein leichtes, aber nicht seichtes Buch über ein Thema, das gemeinhin als staubtrocken empfunden  wird.


4 Sterne


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