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Köln, kurz nach Mitternacht. Ein verlassener S-Bahnhof. Ein erstochener Fahrer. Und eine bewusstlose junge Frau, die offenbar zur Prostitution gezwungen wurde. In langen, unwirklich warmen Januarnächten suchen Judith Krieger und ihr Kollege Manni Korzilius verzweifelt nach einem Zusammenhang. Gisa Klönnes dritter Roman entführt mit großem psychologischem Gespür in eine beklemmende Welt, in der Gewalt gegen Frauen alltäglich ist.

 

  Autor: Gisa Klönne
Verlag: Ullstein
Erschienen: 02/2008
ISBN: 978-3-550-08716-5
Seitenzahl: 368 Seiten


Die Grundidee der Handlung
Ein Mord an einem S-Bahnfahrer, Brandstiftung in einer Pizzeia und die Befreiung eines verwahrlosten, misshandelten Mädchens. Lange tappen die Ermittler des KK 11 und der eilig ins Leben gerufenen SOKO S-Bahn im Dunkeln. Motive fehlen ebenso wie Verdächtige. Entspringt diese Serie an Verbrechen dem Rotlichtmilieu, oder haben Stadtstreicher die Finger im Spiel. Steht die nahegelegene Künstlerkolonie in Zusammenhang mit den Verbrechen? Und wo ist die Künstlerin Nanette Dannen, genannt Nada? Wurde sie tatsächlich in ihrem Atelier vergewaltigt? All diese Fragen beschäftigen die Kommissarin Judith Krieger und ihren Kollegen Manni Korzilius. Während Manni sich auf die Ermittlungsarbeit im Rotlichtmilieu Kölns rund um den Edelpuff Amor verbeisst, versteift sich Judith auf einen Zusammenhang mit der Künstlerszene. Da beiden handfeste Beweise fehlen, gelingt es keinem, seinen Partner von der eigenen Theorie zu überzeugen. Eine Entzweiung der Kommissare ist unvermeidlich. Judith steht zusätzlich unter Hochspannung. Ebenso wie die unnahbare russischen Rechtsmedizinerin, Ekaterina Petrowa, ist sie in der Vergangenheit schon öfter mit Gewalt an Frauen konfrontiert worden. Eine Reise durch eine emotionale und abgründige Ermittlung beginnt, die über lange Zeit keinen Durchbruch erhoffen lässt. Und eine Reise in die Seelenwelt von Menschen, die sich Tag für Tag diesen Abgründen aussetzen und sich verzweifelt bemühen, daran nicht selbst zu zerbrechen.


Stil und Sprache
Gisa Klönnes hat vor allem Können in der sprachlichen Gestaltung ihres Krimis bewiesen. Sehr poetisch, sehr kraftvoll und bewegend schildert sie das Thema "Gewalt an Frauen", indem sie ihr Hauptaugenmerk auf die Opfer legt.
Als überaus geschickt hat sich auch der ständige Perspektivenwechsel erwiesen. Jeder Kurzabschnitt ist aus der Perspektive einer anderen Figur dargestellt und wird wie aus dem Kopf dieser Figur entsprungen erzählt. So erhält der Leser unmittelbaren Einblick in die Gefühlswelt der Kommissarin, der russischen Ärztin, Manni Korzilius oder auch der Künsterlin Thea Markus. Der Perspektivensprung ist jeweils mit einem etwas größeren Absatz und drei Sternchen gekennzeichnet. Auch ohne diese zusätzlichen Formathilfen gelingt es dem Leser spielend, von einem Kopf in den nächsten zu springen und dabei niemals den roten Faden zu verlieren. Man hat den Eindruck, der Wechsel der Erzählperspektive gelingt Gisa Klönne fast spielerisch. Dieses Konzept, das sich durch den gesamten Roman zieht, bringt zusätzlich Abwechslung und Spannung in die Geschichte. Die Geschichte und ihre Handlungsstränge sind gewissenhaft rechechiert und nachvollziehbar erzählt. Auch hier beweist Klönne kompositorisches Talent in der Gestaltung des Romans.


Figuren
Hauptprotagonistin ist - wie in den beiden vorangegangenen Krimis "Der Wald ist Schweigen" und "Unter dem Eis" - die Kommissarin des Kölner KK11 Judith Krieger. Eine engagierte Ermittlerin, einsame Kämpferin und empfindliche Seele. Diese Ambivalenz der Hauptfigur, dieser Cocktail aus Eigenwilligkeit, Kreativität, Sturheit, politischer Überzeugung, Engagement und Emotionalität, Einsamkeit und Schwäche ist reizvoll, zumal für eine Serienfigur. Als weiteres Spannungselement fügt die Autorin einen eher schwierigen Umgang mit ihrem Partner Manni Korzilius ein. Manni, die typische Verkörperung eines jungen männlichen Kripobeamten, lieber etwas zu oberflächlich als tiefgründig, kann die Argumentation seiner Kollegin oftmals nicht nachvollziehen. Judith ist ihm zu sehr "Emanze", zu sehr individuell. Auch Judith hat mehr und mehr Probleme, an Manni heranzukommen. Doch was bleibt Ermittlern, wenn sie sich nicht mal mehr dem Sparingspartner anvertrauen können? Meisterhaft schildert Glönne die düstere Einsamkeit und Verzweiflung, die Judith zuweilen beschleicht. Und auch Manni schwimmt in einem Wechselbad der Gefühle für Judith.

Einen überdurchschnittlichen Anteil an Aufmerksamkeit lässt Gisa Klönne auch ihren Nebenfiguren zukommen. Vor allem lobend zu erwähnen: die Figuren der russischen Ärztin am Rechtsmedzinischen Institut Ekaterina Petrowa und der alternden Künstlerin Thea Markus. Auch ihre Geschichte ist emotional erzählt, das Altern und Zerbrechen einer verkrüppelten Künsterlin, die ständig gegen Geldnot und gegen ihre Schmerzen ankämpft und trotzdem ihrem Traum treu bleibt, auch wenn dieser selbstzerstörerisch ist. Oder die elegante, nach außen unterkühlte Russin mit der tiefen Stimme, die sich im Inneren mit ihren Erinnerungen an die Gewalttätigkeit in der eigenen Familie plagt und deren Gedanken oft um die Großmutter kreisen, einer weisen Schamanin.


Aufmachung des Buches

Das Schutzcover dieser gebundenen Ausgabe wird ganz eingenommen von einer schwarzen Katze, die mit ihren grünen Augen den Leser durchdringend anschaut und auf der Hut zu sein scheint. Die Katze ist zudem glänzend abgehoben während der Hintergrund matt und einheitlich grau ist. Der Name der Autorin und des Kriminalromans ist in filigranen, weißen Kleinbuchstaben aufgedruckt. Unten rechts befindet sich das Logo des Verlages mit der Eule. Eine ansprechende Gestaltung, die zum Kauf animiert.


Fazit
Man fragt sich unter den zahlreichen Neuerscheinungen des Genres Krimi oft, was man lesen soll. Soll man sich an Preisen, Bestsellerlisten orientieren? In diesem Fall ja, den Friedrich-Glauser Preis 2009 für den besten Kriminalroman hat Frau Glönne zu Recht bekommen. "Nacht ohne Schatten" besticht vor allen Dingen durch seine poetische Sprache und die Konzeption der Geschichte, die die Autorin mit viel psychologischem Feingefühl für ihre Hauptfiguren, deren Ängste, Nöte und der nicht ruhenden Vergangenheit ausschmückt. Dies ist spannende Kriminalliteratur, die unter die Haut geht und die sich durch gelungene Stimmungserzeugung und viel Einfühlungsvermögen von dem sonstigen Einheitsbrei abhebt. Das Thema "Gewalt an Frauen" ist schon oft Gegenstand der Literatur gewesen. Selten wurde es so eindringlich und berührend behandelt. Auch ein Schritt gegen die Unpopularität dieses Themas in der heutigen Gesellschaft. Ein echter Lesetipp - nicht nur für Frauen.


5 Sterne


Hinweise

Dieses Buch kaufen bei: amazon.de

Backlist:
Band 1: Der Wald ist Schweigen
Band 2: Unter dem Eis

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