Von Richtern erwarten wir ehrliches und weises Handeln. Ihre Integrität und Neutralität sind das Fundament, auf dem unser Rechtssystem ruht. Wir vertrauen darauf, dass sie für faire Prozesse sorgen, Verbrecher bestrafen, eine geordnete Gerichtsbarkeit garantieren. Doch was, wenn ein Richter bestechlich ist?
Lacy Stoltz, Anwältin bei der Rechtsaufsichtsbehörde in Florida, wird mit einem Fall konfrontiert, der jede Vorstellungskraft übersteigt. Ein Richter soll über Jahre Bestechungsgelder in unglaublicher Höhe angenommen haben. Lacy Stoltz nimmt die Ermittlungen auf. Schnell wird ihr klar: Dieser Fall ist hochgefährlich. Doch sie ahnt nicht, dass er auch tödlich enden könnte.
Originaltitel: The Whistler |
Die Grundidee der Handlung
Das "Board on Judicial Conduct" ist Aufsichtsbehörde über die Richter eines Bundesstaates und eigentlich eine verhältnismäßig kleine Behörde. In Florida hat sie genau sieben Mitarbeiter, die für 1000 Richter an 600 Gerichten mit 500.000 Fällen pro Jahr zuständig sind. Da trifft es sich gut, dass die überwiegende Mehrheit der Richter integre und anständige Menschen sind und, sollte es doch einmal Verfehlungen geben, diese eher Folgen menschlicher Schwächen sind.
Folglich sind die Mitarbeiter Lacy Stolz und Hugo Hatch einigermaßen verwirrt und ratlos, als sie ihr Chef auf eine 300 Kilometer lange Dienstreise schickt, um sich mit einer Beschwerde zu beschäftigen, von der zu diesem Zeitpunkt eigentlich nur bekannt ist, dass sie eingereicht werden soll. Noch dazu ist Hugo gerade zum vierten Mal Vater geworden und bekommt entsprechend wenig Schlaf. Die Skepsis der beiden wird nicht gerade kleiner, als sie erfahren, dass der "Beschwerdeführer" ein ehemaliger Anwalt mit Gefängniserfahrung ist, der die Informationen über einen Mittelsmann erhält, der Kontakt zu einem Maulwurf hat. Doch die Anschuldigungen sind ungeheuerlich: Die ehrenwerte Bezirksrichterin Claudia McDover, seit über einem Jahrzehnt im Amt und von absolut untadeligem Ruf, soll mit einer Mafiaorganisation zusammenarbeiten, Millionen an Bestechungsgeldern kassiert haben und - so sagen Gerüchte - einen Unschuldigen in den Todestrakt gebracht haben. Und das alles nur, damit auf dem Areal der Tapacola-Indianer das "Treasure Key", ein rund um die Uhr geöffnetes Spielcasino, entstehen kann. So unfassbar die Anschuldigungen, so dürfig scheinen die Beweise. Doch schon kurz nach Beginn der Ermittlungen wird klar: Bereits ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen, ruft Personen auf den Plan, die vor nichts zurückschrecken, deren Einfluss bis in höchste Kreise reicht und könnte alle an der Beschwerde beteiligten Personen in tödliche Gefahr bringen.
Was für ein grandioser Thriller! Zugegeben, am Anfang fällt es ein bisschen schwer, die vielen parallel entsponnenen Fäden zu sortieren und im Blick zu halten, aber nach etwas Eingewöhnung fesselt dieses Werk ungemein. Ungewöhnlich für Grisham: Gerichtssäle als Schauplätze spielen eine eher untergeordnete Rolle. Es geht weniger um Prozesse und Rechtssystem, sondern mehr um Ermittlungsarbeit und die besondere Rolle von Whistleblowern bei der Aufdeckung von besonders gravierenden Missständen. Grisham entwickelt in diesem Roman ein ungeheures Geflecht, dass offenbar an manchen Stellen für die Betreiber selbst nur noch schwer durchschaubar ist, für mich aber irgendwie stets plausibel bleibt. Irgendwie eine Mischung aus "Panama Papers" und "Wiki Leaks". Ungewöhnlich für Grisham ist, dass es in diesem Roman ein klares "Böse", wenn auch in unterschiedlichen Abstufungen gibt. Gewohnt glaubhaft und lebensecht entwickelt Grisham alle handelnden Personen, wenn auch einige Details etwas klischeehaft wirken. Der Informant mit Panamahut und Hawaiihemd sei hierfür beispielhaft erwähnt. Ihre Menschlichkeit bzw. Skrupellosigkeit wirken dennoch überzeugend. Gelungen und überzeugend wirkt auf mich auch die Interaktion mit und die Einbindung von Tapacolaindianern und ihre stammesinternen Auseinandersetzungen rund um das Casino. Um diese besser zu verstehen und da auch immer mal wieder Rückbezüge zum "Fall Maze" erfolgen, ist es unbedingt ratsam, die 45-minütige Kurzgeschichte "Zeugen der Anklage" vor diesem Thriller zu hören.
Darstellung des Hörbuchs
Das Hörvergnügen mit diesem Thriller macht - wieder einmal - Charles Brauer perfekt. Seine leicht tiefe, aber stets klare Stimme passt wie ein Maßanzug zu Grisham und den Südstaaten. Stimmlich unterscheidet er die handelnden Personen nicht übermäßig, aber stets ausreichend und seiner Sprechweise zuzuhören ist ein Genuss. Besondere Stärken entwickelt diese Lesung im Einfangen der Atmosphäre, sowohl von Handlung als auch Umgebung. Perfekt transportiert Herr Brauer die knisternde Spannung dieses Romans und auch der Wechsel zwischen Empathie und Menschlichkeit auf der einen und skrupelloser Boshaftigkeit auf der anderen Seite gelingt ihm stets dosiert und auch in Abstufungen treffend. Hierzu benutzt er Tonlage und Timbre. Während der "Mafiaboss" auch stimmlich eher wie ein Eisklotz daherkommt, spricht Hugos Frau trotz der Übermüdung aufrichtig herzlich und warmherzig. Ausgesprochen gelungen spricht Herr Brauer auch die Passagen, in denen die beschuldigte Richterin zu hören ist. Mal völlig egozentisch und beinahe ohne jedes Unrechtsbewusstsein und dann, nach bestimmten Ereignissen bricht doch wieder ihr "moralischer Grundkompass" hervor. Diesen Spagat ohne Übertreibungen sowie die sehr unterschiedlichen Stimmungen einzelner Szenen einzufangen verdient besondere Erwähnung und außerordentlichen Respekt. Es war mir ein großes Vergnügen.
Aufmachung des Hörbuchs
Die ungekürzte Hörbuchfassung des aktuellen Grisham-Romans ist ausschließlich im Hörbuch-Download bei Audible erhältlich. Die knapp 800 Megabyte große Datei ist in 111 Tracks unterteilt, die sich, wie gewohnt, einzeln ansteuern lassen und im Schnitt knapp acht Minuten lang sind. Das Cover zeigt diesmal im Hintergrund einen nächtlichen Eindruck von Florida. Klar erkennbar sind nur einige Palmen, ein beleuchtetes Gebäude und die Umrisse mehrerer Nebengebäude. In der Bildmitte finden sich der Autorenname über zwei, sowie der Buchtitel über drei Zeilen. In der unteren rechten Ecke findet sich das Audible-typische "exklusiv" Signet.
Fazit
Ein spannender Thriller mit gutem Spannungsbogen, vielen Wendungen und hervorragendem Sprecher. Hörbuch-Fan, was willst du mehr? Deshalb gilt die uneingeschränkte Hörempfehlung nicht nur für Grisham-Fans.
Hinweise
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Backlist:
Teil 1 (Vorgeschichte): Zeugen der Anklage