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Christina Stein klein


Im letzten Jahr war die Autorin Christina Stein mit ihrem großartigen Thriller „Wonderland“ eine meiner Entdeckungen des Jahres und es hat mich sehr gefreut, dass ich ihr im Rahmen der Frankfurter Buchmesse einige Fragen zu diesem Buch stellen konnte.


Liebe Christina, erstmal vielen Dank, dass du dir im Messetrubel die Zeit für dieses Interview nimmst! Warst du auch schon privat als Leserin auf der Messe oder bisher nur als Autorin mit einem festen Terminplan?

Einmal auch als Leserin, vor ein paar Jahren. Das fand ich aber sehr trubelig und nicht so angenehm, weil man da ja auch nur am Wochenende reinkommt.


Und hast du dieses Jahr einen Termin nach dem anderen oder bleibt auch Zeit für private Termine, um zum Beispiel selbst andere Autoren zu sehen?

Auf jeden Fall bleibt auch Freizeit für Gespräche mit Lektoren und so. Aber einen Autor, den ich unbedingt treffen möchte, habe ich nicht.


Du bist hier, um dein neuestes Buch zu präsentieren. „Wonderland“ erschien im August 2016 im Fischer Verlag. Kannst du unseren Lesern das Buch kurz vorstellen?

Ja gerne! Also in „Wonderland“ geht es um sechs Studenten, drei Studentinnen davon sind befreundet und kaufen sich in Deutschland ein Around the world-Ticket, fliegen nach Thailand und treffen dann da drei Jungs. Sie werden dort als Gruppe entführt und wachen in einem Park auf, der ummauert ist und bekommen die Botschaft, dass sie alle zwei Tage einen aus der Gruppe opfern müssen. Und am Ende kann es halt einen Gewinner geben, sofern man das Gewinner nennen kann.


Dein Buch konnte mich nicht nur mit der spannenden Geschichte begeistern, sondern auch mit den sehr starken, realistischen Charakteren. Was war denn zuerst da – die Geschichte oder die Figuren?

Zuerst war der Plot da und danach hab ich die Figuren geformt.


Bezüglich der Figuren gibt es ja sehr unterschiedliche Vorgehensweisen. Die einen schreiben einfach mal drauf los, die anderen legen ausführliche Hintergrundgeschichten und Interviewbögen zu ihren Charakteren an. Wie gehst du vor?

Also Interviews mach ich jetzt nicht mit denen. Ich überleg mir halt genau, was für einen Hintergrund diese Personhat, was sie vielleicht studiert, welche Ausbildung, welche Vorlieben sie hat. Wie sieht‘s bei der Person in der Wohnung aus, wie ist die familiäre Situation. Das formuliere ich schon alles aus.


Eric Berg hat mal erzählt, er geht dann auch mit seinen Figuren spazieren und befragt die so ein bisschen, wie sie handeln würden. Überraschen sie dich auch mal?

Ja, ich find das muss schon auch dynamisch bleiben. Man muss die Figur schon sehr plastisch vor sich sehen und sich irgendwie von dem Text selbst auch ein bisschen mitziehen lassen. Also gerade bei „Wonderland“ war das der Fall, dass es eine sehr dynamische Geschichte war und ich mich auch einfach mittragen lassen habe.


Wie genau ist das Buch vorher geplant – gab es schon den genauen Plot oder nur Anfang und Ende?

Nein, ich habe schon den genauen Plot. Man muss ja wissen, wie viele Tage das zum Beispiel sind, damit man auch weiß, wie man es dramaturgisch aufbaut.


In „Wonderland“ gibt es einige sehr heftige Szenen, sowohl was körperliche als auch psychische Gewalt anbelangt. Fallen dir solche gewaltreichen Szenen schwerer als zum Beispiel romantische oder hat beides so seine Herausforderungen für dich?

Also ich finde es schon schwer, weil man, auch wenn die Figuren natürlich imaginär sind, ja trotzdem grad als Autor die Bindung zu diesen Personen aufbaut. Und wenn dann solche Personen wegsterben ist es natürlich schwierig – klar. Dann ist man auch froh wenn es vorbei ist. [lacht]


Gerade die Szenen zum Ende von „Wonderland“ haben mich erschüttert und das Buch hat mich nach dem Lesen lange nicht losgelassen. Nahm dich das beim Schreiben auch so mit oder konntest du dich bewusst wieder ausklinken und nach dem Schreiben abschalten?

Nein, das ist nicht so leicht. Das hat man gedanklich die ganze Zeit bei sich, auch nachts, wenn man schläft, träumt man davon. Das muss man dann auch in einem Rutsch durchschreiben, denke ich.


Warst du auch vor Ort in Thailand?

Ja, ich kannte das vorher schon und habe es deswegen als Setting aufgegriffen.


Warum gerade Thailand?

Ich denke einfach – ohne jetzt zu spoilern – dass es Teile der Handlung gibt, die dort eher möglich sind als in Deutschland. Ich greife das im Buch ja auch auf und erkläre, warum das dort stattfindet und wir wissen ja alle, dass bestimmte Personen nach Thailand fahren, um bestimmte Sachen zu machen. Also man assoziiert das ja schon so ein bisschen damit. Das ist das eine, und das andere ist, dass ich denke, dass das Setting auch einfach auf Grund der Hitze super funktioniert. Dschungel, Hitze, total abgeschieden – das ist als Setting einfach was anderes als wenn ich es hier in Deutschland in der Eifel mache. In Deutschland sind eben überall Menschen – sowas wie im Buch dort aufzubauen, das ist glaub ich schwierig, ohne dass es Spuren hinterlässt.


Du hast in dem Buch auch verschiedene Perspektiven – zwei Protagonisten und auch den Bösen. Ergaben sich die ganz automatisch aus der Geschichte oder wie hast du entschieden, gerade diese Perspektiven für genau diese Szenen zu wählen?

Das ergab sich irgendwie von der Logik her. Am Anfang ist Jacob so ein bisschen nebulös, man kann ihn gar nicht richtig einschätzen als Leser. Und irgendwann war halt der Perspektivwechsel notwendig, um in seine Geschichte rein, um die Handlung noch weiter voran zu treiben. Er durfte ja auch nicht sprechen, durfte sich nicht erklären, weil der ganze Park abgehört wird, und deshalb war es wichtig in ihn reinzugucken und dadurch Spannung aufzubauen.


Eigentlich will ich die Antwort auf die jetzt kommende Frage gar nicht wissen, aber wie realistisch ist „Wonderland“. Gibt es reale Vorbilder oder eine Recherche in die Richtung?

Nein.


Das wollte ich hören [lacht]
„Wonderland“ ist nach „Stumme Angst“ dein zweiter Thriller. Schreibst du schon an einem weiteren Buch und wenn ja, kannst du dazu schon mehr verraten?

Ja, ich schreib schon am nächsten Buch, aber verraten kann ich noch nichts. Ich fang jetzt gerade erst an zu konzipieren. Ich werde wieder in die Richtung Backpacker-Thriller weiter denken, weil ich das ganz spannend finde.


Kannst du dir auch vorstellen in einem ganz anderen Genre zu schreiben?

Ja, auf jeden Fall.


Fantasy? Liebesroman?

Liebesroman nicht. Genrewechsel sind für Autoren immer schwierig … macht der Buchhandel das mit? Machen die Verlage das mit? Da muss man immer gucken, wie man sich ositioniert und wann man das macht. Wann ist es überhaupt möglich?


Wer darf deine Bücher als erstes lesen?

Gute Freunde, die auch Vielleser sind und die das dann beurteilen können. Die fangen dann auch an, kleinere Sachen zu kritisieren, aber wichtig ist mir immer erst mal, ob das Buch als Ganzes funktioniert.


Kriegen die eine Rohversion zu sehen?

Ja, die erste Version ist bei mir immer die Rohversion – nach dem Gegenlesen sieht das Buch immer ganz anders aus. Eine Freundin von mir sagt immer, sie muss das Buch danach noch mal lesen, weil sie gar nicht weiß, was daraus geworden ist, weil der Verlag natürlich auch noch mal lektoriert. Im Fall von „Wonderland“ haben sie wirklich ein super Lektorat gemacht, da wurde richtig gearbeitet an dem Text.


Das heißt, da wurde dann viel raus gestrichen oder umgestellt?

Ja, es war vorher sogar noch härter und da wurde dann viel rausgestrichen. Also ich hatte ursprünglich zum Beispiel mit den Hunden noch mehr gemacht – weil sich das anbietet – das musste dann raus, weil das für ein Buch ab 16 dann zu hart war. Und das war für mich auch völlig ok, weil ich das Gefühl habe, dass dadurch ein besseres Buch draus geworden ist.


Was war dein bisher schönstes Erlebnis als Autorin?

[überlegt eine Weile] Tatsächlich die Veröffentlichung von „Wonderland“. Weil mein Debütroman eher so eine stillere Geschichte ist und es recht schwierig ist im Bereich Thriller so eine ruhigere Geschichte zu erzählen. „Wonderland“ hab ich hingegen in einem Rutsch geschrieben, das war wie ein Adrenalinrausch und da war auch die Veröffentlichung so. Das hat mir einfach am meisten Spaß gemacht.


Das Buch sieht auch wunderschön aus. Hattest du bei der Gestaltung ein Mitspracherecht?

Bei dem Cover war eigentlich ziemlich schnell klar, dass es dieses Cover wird. Als Autor hat man – wenn es nicht explizit im Vertrag steht – wenig Mitspracherecht. Theoretisch kann es auch passieren, dass die sagen „das ist es“ und man muss einfach damit leben. Aber in diesem Fall war das zum Glück eine super Zusammenarbeit.


Wenn ich das richtig gelesen habe, arbeitest du hauptberuflich im Marketing und Schreiben ist dein Nebenjob. Wie bringt man das unter einen Hut?

Ich war jetzt sehr lange in Elternzeit und da hab ich sehr viel geschrieben, wenn die Kinder im Kindergarten waren. Und jetzt teile ich das einfach auf – zwei Tage die Woche arbeiten und die restliche Zeit schreiben.


Und hast du da feste Schreibroutinen oder -rituale?

Nein, ich hab drei Kinder, da muss man sowieso, sobald man Zeit hat, sich hinsetzen und sofort ranmachen, sonst wird das nix. Da kann man sich nicht noch vorbereiten – entspannt in die Badewanne legen – sondern da muss es sofort losgehen.


Du hast unter anderem christliche Archäologie und Kirchengeschichte studiert – das ist nun nicht der klassische Ausgangspunkt für die Arbeit als Thrillerautorin. Inwiefern fließt dein Studium trotzdem in deine Arbeit ein - oder sind es mehr die Erfahrungen und Reisen der Zeit, die deine Bücher mit prägen?

Ja, ich finde gerade wenn man Archäologie studiert, reist man unglaublich viel. Man sieht dabei viele Orte, die oft nicht die klassischen Urlaubsziele sind. Das sind alles Dinge, die haftengeblieben sind und über die ich bestimmt auch nochmal schreibe, die ich immer wieder aufgreife.


Und warum dann keinen historischen Roman? Das würde sich bei dem Studium ja eher anbieten.

Ja, ich habe auch schon Kurzgeschichten in die Richtung gemacht. Aber ich schreibe Geschichten, die zu mir kommen, und im Moment hat mich das Historische halt nicht so beschäftigt. Mich interessiert eher das Verschwinden von Menschen – warum verschwinden sie und wie gehen dann alle damit um. Das hab ich auch schon in meinem Debütroman gehabt – da geht es auch um das Verschwinden einer Person, und im Prinzip ist das der rote Faden in meinen Büchern.


Wo du gerade die Kurzgeschichten erwähnst, hake ich da nochmal nach. Du wurdest ja auch mit Preisen für diese Geschichten ausgezeichnet. Ist das auch ein Format, was du als Veröffentlichung planen würdest, oder bleibst du jetzt ganz bei den Romanen?

Also Kurzgeschichten lassen sich ja quasi nicht veröffentlichen. Aber das ist immer eine gute Möglichkeit, um Technik zu schulen oder um eine Prämisse, die man durchs Schreiben formulieren möchte, noch kürzer zu formulieren.


Ist das auch ein Tipp, den du angehenden Autoren geben würdest?

Ja, auf jeden Fall.


Hast du sonst noch irgendwelche Tipps? Was sollte man unbedingt machen, wenn man Autorin sein möchte?

Man muss es einfach ausprobieren und man sollte sich dann auch einen Agenten suchen. Die nötigen Kontakte bekommt man nicht alleine zu Stande und man landet dann auf einem riesigen Stapel von Manuskripten. Dabei konkurriert man nicht nur mit den deutschen , sondern gleichzeitig noch mit den amerikanischen Autoren. Und durch das Nadelöhr muss man und da hilft ein Agent. Ich find es aber generell wirklich schwierig, in Deutschland diesen Weg zu gehen, weil es auch kaum Schreibschulen gibt. Das ist halt etwas, was zum Beispiel in den USA ganz anders gehandhabt wird. Da gibt es viel mehr Creative Writing Seminare an den Universitäten und in Deutschland gibt es weder Kurse noch einen vorgegebenen Weg.


Wäre Selfpublishing für dich auch eine Option?

Nein.


Warum nicht?

Weil man keine Leser erreicht. Es gibt natürlich immer die großen Ausnahmen, aber die statistische Wahrscheinlichkeit ist ja gleich null. Es gibt natürlich Autoren, die das machen und denen wünsche ich auch viel Glück dabei, aber ich würd das nicht machen. Ich würde immer versuchen, in irgendeinen großen Verlag reinzurutschen.


Dann kommen wir mal zu dir als Leserin. Liest du neben drei Kindern, zwei Jobs und so weiter noch?

Ja klar, natürlich. Wenn ich aktiv wirklich gerade schreibe, dann versuch ich allerdings nicht zu lesen. Das fällt mir sehr schwer, aber dann guck ich eher Serien, weil die Sprache mich sonst einfach beim Schreiben irritieren kann. Da hab ich auch immer Angst, dass ich das, was ich gerade lese, vom Stil her mit einfließen lasse.


Liest man als Autorin überhaupt noch wie eine normale Leserin oder analysiert man das Buch die ganze Zeit?

Nein, ich lass mich immer auf den Stoff ein. Klar guckt man natürlich auch, wie das gemacht ist, aber ich lass mich auch gerne einfach auf die Handlung ein.


Eine letzte Frage noch – hast du einen Jahreshighlight Buchtipp für uns?

Ich fand zwei Bücher sehr schön – die sind allerdings keine Thriller. Thriller lese ich auch viel, aber ich find es da schwierig was zu finden, was auch lange haften bleibt. „Ach diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ von Joachim Meyerhoff hab ich gelesen und fand es sehr gut. Da dachte ich nach dem ersten Kapitel „brauchst gar nicht mehr schreiben, weil so gut kannst du sowieso nicht schreiben“ [lacht] Und „Einen Scheiß muss ich“ von Thommy Jaud fand ich auch ganz toll. Das war mal was komplett anderes.

 

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