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Kategorie: Interviews mit Autoren

Gesa Schwartz


Im Rahmen der diesjährigen Frankfurter Buchmesse hatte ich die Gelegenheit Gesa Schwartz ein paar Fragen zu ihrem neuesten Roman „Nacht ohne Sterne“ zu stellen. In diesem geht es um Naya, die unversehens zwischen die Fronten des uralten Krieges zwischen Licht- und Dunkelelfen gerät.


Hallo Gesa, vielen Dank, dass du dir in dem Messetrubel die Zeit für ein Interview mit mir nimmst. Kannst du zu Beginn vielleicht ein paar Worte zu Nayas Geschichte erzählen? Was möchtest du unseren Lesern von der Geschichte mitgeben?

Eigentlich gar nicht so viel, weil je mehr ich erzähle, desto mehr nehme ich ja auch von der Phantasie des Lesers vorweg. Naya ist ein sehr besonderer Mensch, aber ich verrate glaub ich nicht zu viel, wenn ich sage, sie ist mehr als nur ein Mensch. [lacht]


Nach den Chroniken der Schattenwelt, in denen es ja um Engel und Dämonen ging, geht es diesmal in die Welt der Elfen. Was hat dich gerade an der Welt der Elfen so gereizt?

Ich hatte in Grim 2 schon mal die Elfen aufgenommen, und da hat mich auch die ganze Mythologie der Elfen, die ja auch in unserer Kultur verankert ist - in unseren Mythen und Legenden -, schon total fasziniert. Wie viele Möglichkeiten es da zur Gestaltung gibt! Ich fand es aber auch toll, das in einen anderen Kontext zu bringen, in unserer Welt anzusiedeln, gerade in New York. Mich hat eben auch der Gegensatz so fasziniert. Wenn man an New York denkt, denkt man eigentlich nicht in erster Linie an Elfen. Ich zumindest bisher nicht. Aber die Geschichte hat gar nicht so begonnen, dass ich mir dachte, ich erzähle jetzt eine Geschichte über Elfen. Sondern durch ein Bild – das ich aber nicht verraten werde, um nichts vorweg zu nehmen. Aber es kommt in der Geschichte vor und durch dieses Bild hat sich alles weitere dann entwickelt. So hat sich dann rausgestellt, dass es um Elfen geht – es ist ein Bild aufgetaucht und das hatte dann mit den Elfen zu tun.


Neben dem menschlichen New York entdeckt Naya auch die Welten der Licht- und Dunkelelfen, die mit unglaublich vielen Details beschrieben sind. Wo kommen die Ideen für all diese Details her?

Ah, wenn ich das wüsste. [lacht] Das wäre toll, dann würde ich immer zu der Quelle zurückgehen, wenn ich mal nicht weiter weiß. Ja, das wüsste ich wirklich auch gerne. [lacht]

Also, es ist bei mir ganz unterschiedlich, ich werde von den verschiedensten Dingen inspiriert, zu den unmöglichsten Zeiten. Das schlimmste, was mir mal passiert ist, war während meiner Examensprüfung: ich hatte eine sehr gute Idee und konnte natürlich nicht sagen „Ah Moment, stellen Sie ihre Frage mal zurück, ich muss mir schnell was für mein Fantasy-Buch aufschreiben.“ [lacht] Obwohl es vielleicht witzig gewesen wäre, die Gesichter der Prüfer zu sehen. Auch unter der Dusche - also wirklich immer dann, wenn ich gerade nichts aufschreiben kann - überfallen mich die Ideen. Gerade in New York – ich war zur Recherche da – ist es aber auch einfach so, dass man nicht durch New York gehen kann, ohne inspiriert zu werden. Das ist unmöglich, das sind so viele besondere Ecken dort, gerade jenseits der Touristenwege, die einfach unglaublich sind. Überall Spiegel, in denen man meint sich selber zu erkennen und eigentlich ist es jemand ganz anderes gewesen. Also, eine ganz tolle Stadt mit ganz vielen Falltüren, die zur Phantastik anregt.


Wo wir gerade von phantastischen Dingen reden … Naya ist nicht nur zwischen den Licht- und Dunkelelfen hin- und hergerissen, sondern auch zwischen ihren Verehrern Jaron und Vidar. Und der Leser mit ihr, so viel kann ich verraten. Für wen hättest du dich denn entschieden?

Gemeine Frage. [lacht] Ja, ich hab einen Favoriten, aber ich werde natürlich nicht sagen, wen. Und ich muss auch sagen, dass es schon wechselt. Ich finde, dass beide sehr besonders sind – ich glaube, wenn ich in Nayas Alter gewesen wäre und ich hätte die beiden getroffen, es wäre sehr schwer gewesen für mich. Gerade Jaron ist so ein guter Freund und zeigt wirklich Größe. Vidar ist natürlich der geheimnisvolle Dunkelelf, der eine große Weisheit in sich hat, weil er im Krieg aufgewachsen ist, was wir uns vielleicht gar nicht so vorstellen können. Also sie haben beide was für sich – ich mag sie beide.


Mein heimlicher Favorit des Romans ist die Fee Rosa. Hast du auch Lieblingsfiguren oder magst du alle Charaktere gleich gerne?

Ich hab schon Lieblingsfiguren, klar. Rosa ist gar nicht geplant gewesen. Die ist genauso aufgetaucht, wie ich es auch aufgeschrieben habe im Buch, in genau der Szene. Also Naya stolpert in das Antiquariat ihres Vaters und auf einmal ist sie aufgeploppt. Es war für mich auch eine tolle Begegnung, weil ich damit gar nicht gerechnet habe. Ich plotte eigentlich relativ genau vorher, wenn ich die ersten Bilder habe, damit ich nicht überrascht werde und plötzlich denke „Oh Gott, das wird ein 5000 Seiten Epos“, das wär ja eher schlecht, wenn man Abgabetermine hat. Aber ich lass mich auch überraschen vom Plot und Rosa war eben so eine typische Überraschung, die mich sehr freut, weil ich in solchen Momenten merke, dass die Geschichte lebendig wird - und das ist für mich ganz toll gewesen.


Das war auch beim Lesen sehr lebendig, eine der Szenen, von denen ich mir wirklich direkt ein Bild machen konnte – von dieser wütenden kleinen Fee. Naya durchlebt im Roman wirklich alle emotionalen Facetten, von den ruhigeren romantischen Szenen bis zum actionreichen Schluss. Was fällt dir leichter beim Schreiben?

Das kommt immer darauf an. Ich erlebe während ich schreibe das, was die Figuren erleben. Und wenn ich in meinem realen Leben gerade ganz besinnlich und ruhig bin und dann eine Actionszene schreiben muss, brauch ich schon Eingewöhnung, dann muss mich in die richtige Stimmung bringen. Musik hilft da ganz viel, Soundtracks und so. Aber generell leicht ist es immer dann, wenn die Geschichte anfängt zu leben. Dann hängt es gar nicht davon ab, ob es eine ruhige Szene ist oder eine romantische oder eine traurige. Wobei die traurigen Szenen mir nicht so leicht fallen. Es gibt zum Beispiel eine Szene relativ zum Ende hin, die ist zwar schön, aber es ist vor allem auch traurig, weil es um Verlust geht und das hat mich schon mitgenommen. Ich kenne Autoren, die gerne Figuren sterben lassen, aber ich gehöre definitiv nicht dazu. Mit jedem Korrekturdurchgang ist es schlimmer, das nochmal zu erleben. Ich muss mich von den Figuren lösen, das ist nicht so einfach.


Ich ahne um welche Szene es geht und ich hatte auch Tränen in den Augen.

Das ist schön zu hören für mich.


Es war zwar logisch, dass das passiert ist, aber sehr traurig.

Ja, ich hatte es geplant, hatte aber insgeheim schon gehofft, dass es irgendeinen Weg gibt, dass es nicht passieren muss. Aber es ging leider nicht anders.


Deine bisherigen Romane waren oftmals aus männlichen Perspektiven geschrieben, dieser jetzt aus einer rein weiblichen. Wie entscheidest du, welche Perspektive passt, und fiel dir der Wechsel von der männlichen zur weiblichen Perspektive schwer?

Es war schon was Neues, ausschließlich aus weiblicher Sicht zu erzählen. Ich hatte in den Grim-Büchern auch 50% aus Mias Sicht, also aus Sicht eines 16jährigen Mädchens, geschrieben. Das war aber schon anders, weil bei Grim das erste Bild eben Grim war. Aber generell entsteht der Atem der Geschichte mit den Figuren und da ist es egal, ob sie männlich oder weiblich ist. Sobald die Figur lebt, ist es in Ordnung und ich kann es gut erzählen.


Du hast ja schon gesagt, dass du viel vorweg planst. Wie sieht der Schreibprozess denn generell aus – ist das ein Jahr Planung und dann zwei Monate Hauruck-Schreiben?

Nein, ich arbeite ungefähr ein Jahr an den Projekten. An diesem jetzt etwas weniger, weil es einfach auch weniger Seiten hat – klar, wenn ich 900 Seiten schreibe, dann brauch ich natürlich länger als für 500. Aber generell plane ich schon. Das beginnt immer mit dem ganz kreativen Prozess, mit der Idee und mit den Bildern. Und dann entwickelt sich das letzten Endes von Bild zu Bild. Und sobald ich ein Gerüst habe, versuche ich das zu füllen und gezielt kreativ zu sein. Wie ist der Spannungsaufbau und so. Und dann fang ich an zu schreiben.


Wie lange dauert dann das reine Schreiben?

Das kann man gar nicht so sagen, weil ich auch während des Plottens immer schon Szenen schreibe. Aber ich beginne eben nicht richtig. Ich habe dann noch nicht das Gefühl, dass ich mit dem Schreibprozess gestartet bin.


Nach zwei Trilogien ist „Nacht ohne Sterne“ nun ja – leider aus meiner Sicht – ein Einzelband. Fiel es dir schwer, dich da so kurz zu fassen?

Eigentlich nicht, komischerweise. Ich hatte am Anfang auch gedacht: "oh wer weiß", weil bei den Chroniken der Schattenwelt der erste Band ja sozusagen nur die Einleitung ist. Das war also schon anders. Aber es ist mir nicht schwergefallen, weil die Geschichte aus sich heraus schon gesagt hat, wie sie erzählt werden muss. Ich bemühe mich immer genau hinzuhören, genau hinzufühlen auf den Atem der Geschichte, und dann ist das eigentlich nicht schwer. Dann erzähl ich es einfach so, wie die Geschichte es verdient.


Deine bisherigen Romane gehören alle zum Fantasy-Genre. Könntest du dir auch vorstellen, in einem ganz anderen Genre zu schreiben?

Kann ich schon. Ich hab sogar mal eine Krimi-Kurzgeschichte geschrieben, die bei Rowohlt in der Anthologie „Liebe Leiche …“ erschienen ist. Es ist eine ganz andere Sache, weil das ein ganz anderes Erzählen ist und ich auch eine ganz andere Sprache verwendet habe. Sehr spannend, kann ich mir also schon vorstellen. Es kommt immer darauf an, was für eine Geschichte anklopft.


Wie darf man sich deinen Schreiballtag vorstellen? Welche Rituale, wie lange sitzt du am Tag, wie viele Seiten schreibst du pro Tag?

Also Rituale habe ich nicht, weil ich mir einfach angewöhnen musste immer schreiben zu können. Ich habe ein relativ hohes Pensum – ich schreib ungefähr zwei Bücher im Jahr – und da kann ich nicht sagen „Oh heute kann ich ja nicht, weil Vollmond ist“ oder sowas. Ich bemühe mich eigentlich immer schreiben zu können. Und der Schreiballtag ist eigentlich ganz langweilig. Ich setze mich morgens hin und dann schreibe ich so lange wie ich kann. Ein Seitenpensum habe ich in diesem Sinne nicht, ich schreibe eher nach Etappen.


Welche Tipps würdest du unseren schreibfreudigen Lesern geben und würdest du den Beruf des Autors weiterempfehlen?

Beides schwierige Fragen. Der wichtigste Tipp ist eigentlich für mich, auf die eigene Stimme zu hören. Egal wieviel Erfolg man hat, das nicht zu verlieren; dass man sich einfach bewusst macht, dass es um die Geschichten geht, dass das das Entscheidende ist. Nicht wie viele Bücher man verkauft hat oder in welchen Magazinen man besprochen wird oder wie viele Fans man hat. Sondern dass es die Geschichten sind, die zählen. Das ist das Entscheidende. Und mein zweiter Tipp: wenn man veröffentlicht werden möchte, würde ich den Weg über eine Agentur gehen, weil ich weiß, dass es sehr schwer ist, beim Verlag überhaupt gelesen zu werden. Es geht gar nicht so sehr darum, ob die Geschichte gut ist, sondern man muss erstmal zu den Lektoren durchdringen.


Und würdest du den Weg zur Autorin nochmal einschlagen?

Ich würde ihn nochmal einschlagen, ja, weil es einfach mein Weg ist. Ich bin immer schon Geschichtenerzählerin gewesen und jetzt kann ich genau das tun, was ich immer schon geliebt habe. Ich würde es immer wieder tun, aber ich würde – glaube ich – versuchen, von Anfang an meinen Ratschlag selber mehr zu beherzigen, mehr auf meine Stimme zu hören, die Gewichtung auf die Stimme zu legen und nicht zu sehr zu zweifeln, wenn Einflüsse von außen kommen. Das ist leichter gesagt als getan, das weiß ich, aber das würde ich inzwischen anders machen.


Ok, soviel zu den Fragen an dich als Autorin, kommen wir zu ein paar Fragen an dich als Leserin. Liest du noch selber Bücher oder ist das so ein ständiges Redigieren im Kopf?

Ja, ich hab eigentlich immer schon mit einem Stift in der Hand gelesen. Ich liebe Sprache und wenn ich einen Satz besonders toll finde, dann muss ich ihn anstreichen, das geht gar nicht anders. Das hab ich immer schon gemacht. Aber ich lese natürlich. Ich weiß nicht, ob das bei allen Autoren so ist, aber ich finde, dass es total wichtig ist, andere Stile kennenzulernen, zu gucken, wie andere dasmachen, wie sie Plotkonflikte lösen oder wie Figuren gestaltet sind oder was für verschiedene Rhythmen es in anderen Geschichten gibt. Das ist auf jeden Fall wichtig und ich lese auch gerne etwas, das ganz anders ist als meins. Ich liebe zum Beispiel Bukowski, der schreibt einfach ohne Worte, ganz toll zu lesen. Auch wenn ich selber so nie schreiben könnte, ist es doch spannend, mal was ganz anderes zu lesen.


Welches Buch eines anderen Autors hättest du gerne selbst geschrieben?

Schwierig. Erster Impuls: ganz viele. Zweiter Impuls: sag ich aber lieber nicht. [lacht] Ich glaube, dass die Geschichten, die zu mir kommen, auch von mir erzählt werden sollen, und die Geschichten, die zu anderen Autoren kommen, sollen von diesen erzählt werden. Es gibt ganz viele fantastische Geschichten, von denen ich denke, das hätte ich niemals so hingekriegt, die ich bewundere und die ich ganz toll finde. Zum Beispiel Michael Endes „Die unendliche Geschichte“. Überhaupt Michael Ende: Das hätte ich nie so hingekriegt. Ich hätte das gerne gewollt, aber ich glaube, es ist gut so, dass die Geschichten, die zu mir kommen, eben von mir geschrieben werden, und die Geschichten, die zu anderen kommen, eben von ihnen.


Wie sind deine Bücher zu Hause angeordnet?

In wildem Chaos. Ich lebe ja in einem Zirkuswagen, das heißt, ich habe nicht so viel Platz, deswegen sind sie gestapelt bis zur Decke. Ich hab auch keine Ordnung nach Genres, weil ich die nicht für so wesentlich für mich als Leserin erachte. Auch nicht unbedingt für mich als Autorin, denn ich überlege mir nicht vorher, in welchem Genre ich jetzt schreibe. Das ist für mich einfach nicht so wichtig. Ich habe auch ein so visuelles Gedächtnis, ich weiß genau wo meine Bücher stehen. Ich brauch nur mein geordnetes Chaos.


Das mit dem Zirkuswagen hatte ich in der Autorenvita auch schon gelesen. Warum in einem Zirkuswagen?

Kurze Antwort: Das hat sich so ergeben. [lacht] Ich war nach dem Studium ein Jahr in Europa auf Reisen und nach meiner Rückkehr hab ich mir überlegt, wo ich sein will: Will ich in einer Wohnung wohnen oder woanders? Aber alles, was ich mir überlegt habe, hat mich gedanklich begrenzt, und dann hat sich das einfach so ergeben mit dem Zirkuswagen, den ich überall hin mitnehmen kann. Ich bin eben nicht so fest gebunden, das ist ein Freiheitsgedanke für mich, ein Stück Zirkus in unserer zivilisierten Welt.


Welches Buch liest du gerade?

Ich lese gerade „Hannibal“. Was ganz anderes, aber unglaublich toll. Ich finde auch die Serie toll, die mit Mads Mikkelsen, fantastisch, ganz tolle ästhetische Bilder. Natürlich auch sehr grausam, sehr gewalttätig, aber auf einem ganz hohen Niveau angeordnet im ästhetischen Sinn.


Die letzte Frage: Welches Buch lesen wir denn demnächst von dir – hast du schon ein neues geplant?

Ja, ich schreibe gerade daran, aber ich darf noch nichts verraten, leider. Ich würde gerne, aber ich darf nicht.


Aber es kommt nächstes Jahr raus?

Genau. Es werden nächstes Jahr voraussichtlich zwei Bücher von mir erscheinen, eins im Frühjahr, eins im Herbst.


Darauf freu ich mich dann schon! Vielen Dank für das Interview!

Gerne.