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Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview mit der Leser-Welt nehmen.
Von Anfang an war es die Intention des Verlages, Lehr- und Fachbücher herauszugeben. 1971 führte der Beltz Verlag zusammen mit Herrn Gelberg die Sparte für Kinder- und Jugendliteratur ein. Wie kam es zu diesen Überlegungen?

Beltz war in der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts in Langensalza ein Schul- und Fachbuchverlag für Volks- und Berufsschulen. Nach der Neugründung des Unternehmens 1949 in Weinheim wurde die Fachbuch-Tradition neu aufgegriffen und mit der in den 60er Jahren einsetzenden Bildungsreform stark weiterentwickelt.
1964 entstand – aus persönlichem Interesse und Kontakten des Verlegers zu Autoren und Grafikern – ein neuer Programmbereich,  „besondere bilderbücher bei beltz“, phantasievolle, künstlerische Kinderliteratur für anspruchsvolle Eltern und Pädagogen. Die Bücher erhielten viel Zustimmung aus Buchhandel, Presse und Schule – Anlass und Ansporn genug, um ab 1970 gemeinsam mit dem jungen, experimentierfreudigen Kinderbuchlektor Hans Joachim Gelberg einen neuartigen künstlerischen und literarischen Anspruch im Kinder- und Jugendbuch umzusetzen. Innerhalb weniger Jahre erwarb sich Beltz & Gelberg mit seinem innovativen Programm, das von der Lust am Erzählen ebenso geprägt ist wie von der Freude an Bildern und neuen Formen, einen herausragenden Ruf und mit dem wirtschaftlichen Erfolg die Ermutigung zum weiteren Ausbau.


Viele Ihrer Kinder- und Jugendbücher wurden mit Preisen ausgezeichnet. Was unterscheidet ein hervorragendes Buch für Kinder und Jugendliche von einem mittelmäßigen?

Ein hervorragendes Buch entführt den Leser nicht nur und unterhält ihn während des Lesens, sondern es lässt ihn auch danach nicht mehr los. Es zieht ihn sozusagen immer wieder an, denn ein hervorragendes Bucht hat viele Türen und bei wiederholtem Lesen öffnen sie sich und dem Leser damit immer neue Welten – über die Sprache, die Geschichte, das Thema, aber auch über die Illustrationen, wenn es sich um ein illustriertes Buch handelt.


Oft werden die Bücher, die von einer Fachjury ausgezeichnet wurden, vom Lesepublikum abgelehnt. Achten die Kritiker zu sehr auf das Prädikat „pädagogisch wertvoll“?

Ich finde, dass das nicht mehr so generell zutrifft wie vielleicht noch vor einigen Jahren. Viele Jurys haben sich geöffnet und das Kriterium „pädagogisch wertvoll“ spielt kaum noch eine Rolle. Schauen Sie sich nur die Auswahlliste zum Deutschen Jugendliteraturpreis an. Und auch beim Peter-Härtling-Preis der Stadt Weinheim ist dieses Kriterium nicht wichtig, sondern die literarische Güte der Texte und die Kriterien, die an einen realistischen Roman angelegt werden, sind relevant.


Ihre Bücher haben den Ruf literarisch anspruchsvoll zu sein und schauen bei den Geschichten über den Tellerrand hinaus. Wie muss man sich die Bücher jenseits von Harry Potter vorstellen?

Was heißt schon literarisch anspruchsvoll, das klingt schnell nach „so schwer“ und gewichtig. Wir verlegen literarisch, poetisch unterhaltsame Bücher, die oft an der Wirklichkeit der Kinder und Jugendlichen ansetzen und die Kinder in ihren Fragen und ihrem Denken ernst nehmen, ihnen nichts vormachen wollen. Die Leser begegnen in den Texten vielen unterschiedlichen Wirklichkeiten, sie erfahren sie so und lernen zu verstehen.


Klaus Kordon z. B. schreibt unter anderem über das Dritte Reich und wie Kinder diese Zeit erlebt haben. Wie wichtig ist es heutzutage, diese Epoche in Büchern für Jugendliche aufzuarbeiten?

Die Zeit des Nationalsozialismus, der Holocaust, der Krieg, das Terror-Regime, und vor allem wie die Menschen darin gelebt und gehandelt haben, all das sind sehr wichtige Themen in der Literatur, für Erwachsene wie für Kinder und Jugendliche. Und das wird noch einige Zeit so bleiben, denn dafür ist diese Zeit noch zu gegenwärtig.


Oft werden ungewöhnliche Themen aufgegriffen, wie z. B. der erste Sex, den wahren Wert einer Freundschaft oder das Leben mit einer geistigen Behinderung. Gebiete, die den Autoren ein besonderes Einfühlungsvermögen abverlangen. Welche Voraussetzungen wünschen Sie sich von Autoren?

Ich glaube, der erste Sex ist heute wahrlich kein ungewöhnliches Thema mehr in der Jugendliteratur, da ist unsere Gesellschaft doch sehr offen mittlerweile.
Von jedem Autor, jeder Autorin (und da sind die IllustratorInnen eingeschlossen) wünsche ich mir letztlich Sensibilität, Respekt, Empathie, Humor, eine klare poetische Sprache, Phantasie und Mut.


Arbeiten Sie mit Agenturen zusammen, die die Vorauswahl der Manuskripte übernehmen? Verlegen Sie auch die sogenannten unverlangt eingereichten Manuskripte?

Selbstverständlich bieten uns auch Agenturen Manuskripte an, und wenn die Texte in das Programm von Beltz & Gelberg oder von Gulliver passen, dann versuchen wir die Rechte zu erwerben und den Autor oder die Autorin im Programm zu positionieren.
Unter den vielen vielen unverlangt eingereichten Manuskripten findet man schon mal ein Manuskript, aus dem ein Buch entsteht. Aber zu einer Veröffentlichung kommt es eher selten, eigentlich nur alle paar Jahre. Und dafür haben wir uns tausende von Manuskripten angesehen.


Gibt es bestimmte Kriterien, die ein Manuskript, das bei Ihnen verlegt werden will, erfüllen muss?

Der Text sollte das berühmte Besondere und somit Unverwechselbare haben, in poetischer Sprache verfasst sein und den Lesern einen Genuss beim Lesen und auch danach bieten.


Erhalten Sie viele Manuskripte von Kindern und Jugendlichen?

Nur hin und wieder. Das liegt sicher auch daran, dass Texte von Kindern und Jugendlichen nur höchst selten verlegt werden.


In Ihrem Programm finden sich auch Bücher ausländischer Autoren. Wie ist der Werdegang eines Buches aus dem Ausland? Wer sucht diese Bücher aus? Arbeiten Sie mit bestimmten Übersetzern zusammen oder bekommen Sie die Bücher schon übersetzt angeboten?

Die Lektoren pflegen intensiven Kontakt zu Agenturen in Deutschland, der Schweiz und auch in Österreich, und darüber hinaus zu vielen Verlagen in der ganzen Welt. Auf jährlich stattfindenden Messen in Frankfurt, Bologna, London und New York (wobei die letzten beiden Orte und Termine für das Kinderbuch nicht so wichtig sind) werden Bücher und zukünftige Projekte vorgestellt und dann darüber verhandelt, zu welchen Bedingungen welche Lizenz zu welchem Verlag geht.


Interessant ist die Sparte mit den Biografien, die ein weites Spektrum umfasst. Es gibt Lebensgeschichten von Platon über Astrid Lindgren bis hin zu Ulrike Meinhof. Wie werden diese Bücher von Kindern und Jugendlichen angenommen? Oder werden sie eher von den Erwachsenen gelesen?

Die Reihe Biografie, wie wir sie hausintern nennen, weist tatsächlich ein breites Spektrum unterschiedlichster Lebensgeschichten und Lebensbilder auf. Neben Persönlichkeiten aus dem traditionellen Bildungskanon stehen Rebellen und faszinierende Menschen wie Ulrike Meinhof, an denen sich die Geister scheiden mögen. Manche Bücher werden bevorzugt von Erwachsenen gelesen, andere eher von Jugendlichen, wieder andere sowohl von Jugendlichen als auch von Erwachsenen. Ulrike Meinhof ist ein gutes Beispiel, eine großartige Biografie, die den Lesern viel Einsicht in eine Persönlichkeit und ihre Zweifel gibt, aber auch Einsichten in damalige bundesrepublikanische Zeitumstände. Diese Biografie ist öffentlich viel diskutiert worden, sie wurde mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet und hat sich hervorragend verkauft. Ich bin froh, dass der Verlag den Mut hatte, dieses Jugendbuch zu veröffentlichen.


Ich bedanke mich sehr herzlich für dieses Interview!


Die Fragen beantwortete Petra Albers, Verlagsleiterin Kinder- und Jugendbuchverlage in der Verlagsgruppe BELTZ.

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